SOPA/PIPA: Größter Online-Protest aller Zeiten

Der 18. Januar stand ganz im Zeichen der Proteste gegen die US-Gesetzesinitiativen SOPA und PIPA. In San Francisco und New York versammelten sich Hunderte Demonstranten. Viele US-Webseiten trugen schwarz. Nie zuvor erreichte ein Online-Protest gegen US-Gesetzesinitiativen so viele Menschen.

Mit Google, Wikipedia und Craigslist hatten gestern drei der größten US-Websites – und viele kleinere – ihre Nutzer zu Protesten aufgerufen. Während die Online-Enzyklopädie bis auf Informationsseiten zu SOPA und PIPA für 24 Stunden den Zugriff auf alle Inhalte in den USA blockierte, deckte Google sein Logo für US-Nutzer mit einem schwarzen Zensurbalken ab und verlinkte auf eine Online-Petition an den US-Kongress: “Sagen Sie dem Kongress, dass er nicht das Web zensieren und unsere innovative Wirtschaft lähmen soll.”

Allein die Anti-SOPA-Petition, zu deren Unterzeichnung Google aufgerufen hatte, fand rund 4,5 Millionen Unterzeichner. “Es gibt keinen Grund, amerikanische Social Networks, Blogs und Suchmaschinen zur Zensur des Internets zu zwingen oder bestehende Gesetze auszuhebeln, die das Web florieren ließen und Millionen von Arbeitsplätzen in den USA schufen”, heißt es darin. “Zuviel steht auf dem Spiel – bitte stimmen Sie mit NEIN gegen PIPA und SOPA.”

Nicht alle Internetfirmen wandten sich freilich gegen die Gesetzesvorhaben. Microsoft hielt sich zurück – das Unternehmen gilt vielen durch seine Mitgliedschaft in der Business Software Alliance als indirekter Unterstützer. Der Konzern stellte sich erst nach öffentlicher Kritik “gegen die Verabschiedung des SOPA-Gesetzentwurfs in seiner gegenwärtigen Form”.

Facebook hingegen bezog verspätet, aber deutlich Stellung. Mit einem Tweet machte CEO Mark Zuckerberg den Anfang: “Sagt euren Kongressabgeordneten, dass ihr von ihnen erwartet, pro Internet zu sein.” In einem Eintrag bei Facebook stimmte er in den Chor der Kritiker ein: “Das Internet ist das mächtigste Instrument, das wir für die Schaffung einer offeneren und verbundeneren Welt einsetzen können. Wir dürfen nicht zulassen, dass schlecht überlegte Gesetze die weitere Entwicklung des Internets behindern. Facebook lehnt SOPA und PIPA ab, und wir werden weiterhin Gesetzen entgegentreten, die dem Internet schaden.”

Bild: ZDNet
Bild: ZDNet

Die Proteste zeigten unter US-Politikern Wirkung: Nach letzter Zählung sind mindestens 18 Abgeordnete des US-Senats desertiert, von denen sieben sogar als offizielle Unterstützer von PIPA unterzeichnet hatten. Obwohl es zuvor eine breite parteiübergreifende Zustimmung zum Gesetzentwurf gegeben hatte, sind jetzt vor allem republikanische Abgeordnete auf Distanz gegangen. Sie dürften auch von konservativen Think Tanks und Blogs beeinflusst sein, die sich klar gegen SOPA und PIPA positionierten. Vor den Internet-Protesten hatte PIPA über 16 republikanische sowie 23 demokratische Unterstützer verfügt.

Bei den Republikanern ist die Filmindustrie, die hinter den Urheberrechtsgesetzen steht, wenig beliebt. Hollywood gilt in ihrem Milieu als linksgerichtet und den Demokraten nahe stehend. Als einer der ersten Senatoren zog Marco Rubio, aufstrebender und von der Tea Party unterstützter Republikaner, seine Unterstützung für PIPA zurück. Er befürchte, das Gesetz könne der US-Regierung “unangemessen erweiterte Machtbefugnisse verleihen, um das Internet zu beeinflussen”.

Im Senat ist derzeit keine der beiden Seiten einer Mehrheit für PIPA nahe, die mindestens 60 Stimmen erfordert. Viele Senatoren wirken unentschlossen: Teilweise sind sie vermutlich auf Spenden der Medienbranche angewiesen, andererseits fürchten sie aufgebrachte Wähler. Im Repräsentantenhaus, der zweiten Kammer des US-Parlaments, haben sich bislang rund 20 Abgeordnete von SOPA abgewandt, das als “Zwillingsgesetz” von PIPA gilt.

Die Motion Picture Association of America (MPAA), die SOPA und PIPA als Lobby-Organisation der Filmindustrie vorantrieb, tat die Proteste in einer Erklärung (PDF) als “PR-Stunt” ab. MPAA-Chef Chris Dodd, der Senator ist, nannte sie “eine unverantwortliche Antwort” und bezeichnete den Wikipedia-Blackout als “Gimmick”. Die teilnehmenden Sites hätten “den Menschen einen Bärendienst erwiesen, die von ihren Informationen abhängig sind und ihre Dienste nutzen. Es ist außerdem ein Machtmissbrauch angesichts der Freiheiten, die diese Unternehmen heute im Markt genießen.”