Roter Stern Untertürkheim

Wenn ich auf diese Woche zurückblicke, komme ich nicht umhin, mich an den Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG persönlich zu wenden: Zetsche!

Ich bin sauer auf Sie! Wegen Ihnen hab’ ich verloren.

Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht? – Nichts, ist schon klar. Aber ein bisschen Rücksicht nehmen hätten Sie wenigstens können, darauf, dass andere nachdenken, wenn’s um Geld geht.

Beispielsweise, wenn man unter Kollegen wettet, wer mal wieder die lächerlichste Keynote hält. – Da setzt doch jeder vernünftige Mensch auf Steve Ballmer. Der ist in solchen Fällen schließlich immer eine sichere Bank.

Aber dann mussten ja unbedingt Sie auch noch nach Las Vegas zur Consumer Electronic Show. Und diese Woche macht ihr alberner Auftritt dort Schlagzeilen in der US-Presse. Negative natürlich! Die Exil-Kubaner sind stinkig auf Sie. Zetsche, das gönn’ ich Ihnen.

Ein so melancholisch dreinblickender junger Mann eignet sich doch ganz prima als Daimler-Model in Sachen Nachdenklichkeit, haben Sie wohl gemeint. Und dann sind Sie vor einem Che-Guevara-Poster herumgehampelt, auf dem auch noch “Viva la Revolution!” stand.

Zetsche, das ist keine Werbeslogan! Und Leute, die Ihre Autos kaufen, machen sich auch nicht ständig Gedanken über Gleichheit und Brüderlichkeit.

Gut, Che Guevara war mal Industrieminister, aber keiner, der sich den Kopf über die Standortprobleme zerbrochen hätte, die Sie und Ihresgleichen ständig erfinden. Und wenn der von Klassen sprach, dann meinte er weder die B-, die C-, noch die S-Klasse.

Haben Sie das verstanden, Sie Zetsche? – Nein? Also, dann noch einmal ganz einfach, dass selbst Sie das kapieren: Der Mann war gegen das Kapital, obwohl – jetzt wird’s doch ein bisschen schwieriger – obwohl er natürlich bei weitem nicht so viel davon vernichtet hat wie Ihre Vorgänger Reuter und Schrempp.

Zetsche, Sie haben doch studiert und das auch noch in den 70ern. – Jaa, ich weiß, bloß Elektrotechnik und nicht Soziologie oder Sozialpädagogik. Und außerdem lag Karlsruhe etwas ab vom Schuss. Da konnte man sich selbst damals voll auf’s Studium konzentrieren.

Aber über Ihrer Streberei werden Sie doch sicherlich gelegentlich verstohlenen in Richtung der T-Shirts ihrer Kommilitoninnen geblickt haben. – Genau. Und mit großer Wahrscheinlichkeit müssten Sie dann dieses Bild gesehen haben, das von diesem melancholisch dreinblickenden jungen Mann. Das war damals nämlich immer auf T-Shirts drauf. Zumindest dass die Mädels unheimlich auf diesen Typen abgefahren sind, müssen Sie doch mitbekommen haben. Und die standen damals nicht so auf Macker, die einem Daimler brauchen, um zu zeigen, wie toll sie sind.

Zetsche, Sie tun mir leid. Und deshalb helfe ich Ihnen, natürlich auch, damit Sie mir beim nächsten Albernheits-Contest nicht wieder meinen Favoriten Steve Ballmer outperformen und sich an Revolutionsklassikern vergreifen.

Das Kommunistische Manifest, schreiben Sie sich das auf, Zetsche, das eignet sich ebenfalls ganz schlecht für Powerpointen. Wenn es darin nämlich heißt: “Proletarier aller Länder, vereinigt euch”, dann bedeutet das nicht, dass das unter der Ägide von Leuten wie Ihnen geschehen solle. Denn damit ist nicht die Bildung eines Weltkonzerns gemeint.

Und wenn in der Internationale danach gerufen wird: “Uns aus dem Elend zu erlösen”, rekurriert das nicht auf die Zahnarzt-Gattin, die ihren R-Klasse-Mercedes nicht mehr aus der etwas engen Parklücke an der Grünwalder Straße bekommt.

Darin heißt’s nämlich weiter, dass wir das “nur selber tun” können. Und wenn das geschehen ist, Zetsche, dann müssen auch andere, also Leute wie Sie, Zetsche, feste arbeiten – und sparen, bevor sie sich einen Daimler kaufen können.

Und wenn auch nicht Ihnen direkt ins Stammbuch, so doch ins Poesie-Album des gnadenlosen Marketiers sei ein Merksatz von Wilhelm Liebknecht geschrieben, des Vaters der Arbeiterbildungsbewegung: “Lernen, lernen, lernen!”