EU-Kommissarin lobt Münchner LiMux-Projekt

Im Dezember 2011 forderte Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) in einem Brief an EU-Kommissarin Neelie Kroes offene Standards für ganz Europa. Kroes hat München jetzt ermuntert, weiter auf Open Source zu setzen. Das LiMux-Projekt erreichte derweil einen weiteren Meilenstein.

Neelie Kroes, Bild: EU
Kroes, Bild: EU

Kroes ist für die Digitale Agenda der EU zuständig, so auch für das Thema ‘Interoperability and Standards‘. Ude – dem Chancen eingeräumt werden, im Jahr 2013 Ministerpräsident von Bayern zu werden – hatte in seinem Brief argumentiert, die Vielfalt der Dokumentenformate von Office-Paketen erschwere die Kommunikation zwischen den Behörden und gefährdet die langfristige Lesbarkeit von Unterlagen. Offene Standards und quelloffene Software schafften hier Abhilfe.

Kroes solle sich dafür einsetzen, dass in öffentlichen Einrichtungen in der EU die “ausschließliche Nutzung” offener Standards Pflicht werde. Die Aufforderungen einzelner EU-Behörden, ausschließlich Microsoft Office zu nutzen, seien dagegen für eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Behörden hinderlich, so Ude. Zudem sollten die öffentlichen Einrichtungen in der EU auch quelloffene Software einsetzen. Ude lud Kroes nach München ein, damit sie sich die Münchner Projekte ansehen könne.

Die EU-Kommissarin antwortete am 2. Februar, Ende Februar stellte die Stadt München den Brief online. “Ich freue mich, dass die Stadt München auf dem Weg der Entwicklung von IT-Anwendungen und -infrastruktur bereits so weit vorangekommen ist und möchte Sie ausdrücklich ermutigen, diesen Weg weiter zu gehen und Ihre interessanten Ergebnisse mit anderen öffentlichen Verwaltungen in Europa zu teilen”, schrieb sie.

Kroes stimmt Ude demnach zu, dass die Bürger in der Kommunikation mit öffentlichen Stellen nicht zur Verwendung eines bestimmten Produktes gezwungen werden sollten. Entsprechende Maßnahmen gebe es auch auf der EU-Ebene. So habe die EU-Kommission die Plattform Joinup ins Leben gerufen. Öffentliche Verwaltungen könnten hier Erfahrungen austauschen sowie Open Source Software und Lösungen für die Interoperabilität finden und entwickeln. Ude hatte Kroes auch nach München eingeladen – doch darauf ging die EU-Kommissarin nicht ein.

Das LiMux-Projekt hat derweil am 5. März über den aktuellen Projektstand informiert:

  • In der Münchner Verwaltung sind aktuell knapp 10.000 von 12.000 Arbeitsplatzrechnern auf Linux umgestellt.

  • Der weitaus größte Teil der Münchner PC-Arbeitsplätze ist ausschließlich mit einer quelloffenen Office-Suite ausgestattet, aktuell OpenOffice.org Version 3.2.1.

  • Das Open Document Format (ODF) ist das Standarddateiformat im Bereich der Münchner Verwaltung.

  • Das selbst entwickelte Vorlagensystem WollMux stellt optimierte Lösungen für
    alle wesentlichen Text-Verwaltungsaufgaben bereit.

Als jüngstes Teilziel wurde die Makromigration abgeschlossen – die abschließende Stufe der OpenOffice.org-Migration. Die letzten, nicht durch ein Fachverfahren ersetzbaren Microsoft-Office-Makroanwendungen wurden auf zentral wartbare und qualitätsgesicherte OpenOffice.org-Makro- bzw. Webanwendungen umgestellt. Aus zunächst zirka 900 meist undokumentiert produzierten Einzel-Makros entstand dabei ein dokumentiertes und qualitätsgesichertes Makro-Repository mit derzeit 100 Makro-Fachanwendungen und 38 zentral gepflegten Webanwendungen.

Bild: Stadt München
Bild: München

IT-Mitarbeiter der Landeshauptstadt nutzten die Migration, um die vorhandenen Vorlagen, Formulare und Makros zu identifizieren, Redundanzen zu erkennen und Alternativen zur Umstellung abzuwägen. Es galt, die stets wachsende Anzahl umzustellender Makros, Vorlagenobjekte und Formulare zu konsolidieren.

Während erste Erhebungen die Verbreitung von knapp 7000 Makros, Vorlagenobjekten und Formulare zeigten, kam man in späteren Erhebungen zu der Erkenntnis, dass bei der Landeshauptstadt wohl mindestens 21.000 solcher Office-Objekte zu finden waren. Sobald ein Migrationsbereich mit der Office-Umstellung begann, war regelmäßig das Auftauchen so genannter “U-Booten” zu beobachten. Dies waren Makros, Vorlagenobjekte und Formulare, die aus Fachverfahren oder anderen Projektrandbereichen stammten.

Unter diesen U-Booten vermuteten die Spezialisten eine Vielzahl von überflüssigen Office-Objekten, da Anwender Office-Objekte über einen langen Zeitraum ungeprüft und ohne strategischen Rahmen selbst erstellten. Diese Erkenntnis bestärkte die Projektleitung in der Haltung, keine Eins-zu-Eins-Umstellung vorhandener Office-Objekte zu betreiben. Vielmehr sollte die Chance zur Konsolidierung genutzt werden, so wie es bereits Teil der Vorgabe aus dem Stadtratsbeschlusses war.

Zur Bewältigung dieser Aufgabe wurde der auf Migrations-Unterstützung spezialisierte Münchner IT-Dienstleister DBI hinzugezogen. Die Kompetenzen der externen Berater und der internen Fachkräfte wurden in einer zentralen Kundenschnittstelle, dem erweiterten Office-Supportzentrum – kurz eOS – gebündelt, um gemeinsam die technische und organisatorische Office-Umstellung umzusetzen. Die wichtigsten Aufgaben des eOS waren die Steuerung und Koordinierung von Kundenanforderungen, die Unterstützung der internen Kunden bei großen Office-Objekt-Paketen, die beispielhafte Lösung spezifischer Probleme sowie die Anbindung von Makros, Formularen und Vorlagen an Anwendungen von Drittherstellern.

Die Reduktion der Office-Objekte erfolgte durch die funktionale Konsolidierung, durch die Beseitigung von Duplikaten sowie durch den Einsatz des Vorlagenverwaltungssystems WollMux. Allein durch dessen Funktion zum personenspezifischen Vorausfüllen von Briefköpfen konnten zirka 20 Prozent aller Makros eingespart werden. Gemäß der Open-Source-Philosophie ist die Münchner Verwaltung jetzt bestrebt, auch andere Kommunen und Organisationen von WollMux sowie den Vorlagen und Makros profitieren zu lassen.

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