IRQ 12-3: Facebook und die alten Männer

Prism, Ströbele und Edward Snowden

Facebook ist jung. Seit Monaten regt es die Phantasie der Börsianer an. Aber jene sind meist alt. Und es sind Altherrenphantasien.

Wenn man in die Jahre gekommen ist, dann fragt man sich ja bei allem: Hatten wir das nicht schon einmal? Etwa der Facebook-Börsengang – da war doch mal…

Genau! Im letzten Jahrhundert war’s. Firmen, die keiner kannte, und die machten, was keiner verstand, die sammelten viel Geld von jenen ein, die sie nicht kannten und nicht verstanden.

Das waren damals quasi die Briefkastenfirmen des frühen Informationszeitalters. Aus viel mehr als einer Adresse – im Web mit der Endung .com, sprich: dot com – bestanden sie meist nicht. Dementsprechend endete die Geschichte denn auch: mit dem Platzen der Dot-com-Blase.

Nun gibt’s mittlerweile aber ja das Web 2.0. So nennt man Sites wie die von Facebook. Und deshalb ist’s offenkundig auch Zeit für die zweite Version des Cybercrash.

Was Facebook so attraktiv erscheinen lässt, ist weniger die Jugend als die Phantasie älterer Herren, mit dessen Hilfe sich an selbige heranmachen zu können. Es gibt denn auch kaum ein Ereignis in jüngster Zeit, bei dem Hochbetagte nicht im Web 2.0 gebaggert hätten.

Vor einer Woche etwa gab der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer seine Facebook-Party in der einstmals angesagten Münchner Nobeldisco P1. Ganz locker war der 62jährige da – ohne Krawatte – und postete anschließend an seine neuen Freunde: “Es war grandios. Ihr habt euch in die Geschichtsbücher eingeschrieben. HS.” Ein “Gefällt mir” kriegt er dafür aber trotzdem nicht.

Auch der Vorsitzende der hiesigen Piraten war anwesend und überreichte dem Landesvater einen Mitgliedsausweis seiner Partei. Diese Partei eignet sich besonders für Annäherungsversuche durch Vertreter altehrwürdiger Institutionen, weil dem keine Inhalte entgegenstehen. Und in Stilfragen ist HS ja sogar noch flexibler als beim Inhaltlichen.

Ausweislich der Süddeutschen Zeitung vom nächsten Tag soll sich dort ein anderer Pirat aus dem Alpenvorland beim ebenfalls anwesenden Innenminister Joachim Herrmann (55) beschwert haben, weil er wegen Drogenbesitzes verurteilt worden sei und “wegen einer Tüte” 800 Euro habe bezahlen müssen. JH – so muss man ihn jetzt wohl nennen – sei aber hart geblieben und habe auf die Gefahren von Cannabis hingewiesen.

Das “Gefällt mir”. Der Innenminister des Freistaats hat, wie es zu seinen verfassungsgemäßen Aufgaben gehört, Grenzen aufgezeigt. Nein, nicht nur in der Tüten-Frage, sondern auch in jener, wie weit man sich an Youngsters heranwanzen darf.

Apropos: Franz Josef Wagner, 66, Bildkolumnist, hat sich vom Thema vergangene Woche zu einem Gedicht anregen lassen. Das Werk ist dergestalt, dass – wenn aus anderer Feder stammend – es ausreichen würde, um den Verfasser wegen massiven Tüten-Rauchens für den Rest seiner Tage in die JVA Straubing zu schicken. Franz Josef Wagner allerdings ist dessen völlig unverdächtig. Einer wie er schafft das auch ohne.

“Liebes Facebook” sind seine zarten Zeilen überschrieben. Weiter: “Da klickt es.” Und: “Die Maus ist das neue Händchenhalten.” Schließlich die Schlüsselphantasie: “Ich stelle mir ein Facebook-Mädchen vor, das mit übereinandergeschlagenen Beinen flinker und flinker tippt.”

Welch feinfühlige Lyrik alte Männer doch auszuschwitzen vermögen, wenn beim Gedanken an die sozialen Kontakte Jugendlicher ihre Körpersäfte in Wallung geraten. 77 Bild-Leser haben dafür den “Gefällt-mir”-Button gedrückt.

Überhaupt regt Facebook ganz massiv die geriatrisch interessante Produktion von körpereigenen Säften an. Anfang des Monats wurde ja in Schleswig-Holstein gewählt. Und ohne Facebook hieße der Verlierer nicht Jost de Jager, sondern Christian von Boetticher.

Dieser alte Herr – der Studentenverbindung “Landsmannschaft Slesvico-Holsatia v. m. L! Cheruscia zu Kiel” – hat sich unvergesslich gemacht, als er bei seiner Rücktrittserklärung schniefend nach einem Taschentuch verlangte. Ihm war nämlich bei so einem Facebook-Mädchen geglückt, wovon viele Altchen nur träumen können.

In die 16jährige hatte er sich nach eigenen Angaben verliebt, weil sie so intelligente Kommentare gepostet hatte, der Gute. Laut Wikipedia hat sie dann aber – über Facebook, versteht sich – Kontakte zu einigen von Boettichers Parteifreunden oder – was bei solchen Organisationen meist ja dasselbe ist – zu innerparteilichen Gegnern aufgenommen.

Und deshalb ließ der Oberleutnant der Reserve dann seinen Tränen öffentlich freien Lauf. Ein “Gefällt mir” bekommt er dafür nicht. Er hat ja schon im letzten Jahr ein Taschentuch gekriegt.

Und dann ist da noch Warren Buffet (81). Der ist seriös. Der muss gar nicht erst betonen, dass er sich nicht bei Jugendlichen im sozialen Netz anbiedert. Denn das würde ihm eh niemand unterstellen.

Warren Buffet umgibt sich statt dessen lieber mit alten Säcken. Die meisten Youngsters haben schließlich kein Geld, das sie in der Bubble 2.0 verblasen könnten.

Laut FAZ hat er erklärt, er werde die Finger von Facebook-Aktien lassen. Und das: “Gefällt mir”!

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