Unternehmen machtlos gegen ‘Shitstorms’

Sie kommen so schnell, wie sie vorüber ziehen. Aber die massenhaften Entladungen und Unmutsbekundungen in sozialen Netzen und Kommentarfunktionen können bei betroffenen Unternehmen erheblichen Schaden anrichten.

Denn viele Unternehmen sind nur unzureichend auf massenhafte öffentliche Kritik, so genannteShitstorms, in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter vorbereitet. Das hat eine Umfrage des Branchenverbands Bitkom unter Kommunikationsverantwortlichen aus 172 Unternehmen der ITK-Branche ergeben. Demnach verfügen nur 42 Prozent der befragten Firmen über einen Krisenplan für die Kommunikation auf Facebook, bei der Mehrheit von 45 Prozent ist das nicht der Fall.

“Bei einer Krise werden die Facebook-Seiten von Unternehmen in der Regel zum zentralen Anlaufpunkt für öffentliche Kritik”, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. “Organisationen sollten strukturell und personell auf einen Shitstorm vorbereitet sein, sonst droht ihnen erheblicher Schaden für Image und Reputation.” Nach den Ergebnissen der Umfrage nutzen derzeit 60 Prozent der IT-Unternehmen Facebook für die Kommunikation mit Kunden und anderen Interessengruppen.

Das Phänomen des Shitstorms tauchte vor einigen Jahren mit der Verbreitung sozialer Netzwerke wie Facebook, Xing oder Google+ auf. Im deutschsprachigen Raum waren unter anderem Unternehmen wie der Nahrungsmittelkonzern Nestlé, die Deutsche Bahn oder die Direktbank ING DiBa betroffen. “Die Anlässe für einen Sturm der Kritik im Social Web sind vielfältig und reichen von Problemen der Kunden mit dem Service über Preiserhöhungen bis zu weltanschaulichen Gegensätzen”, erklärt Rohleder. So hatten sich auf der Facebook-Seite der ING DiBa als Reaktion auf einen Werbespot der Bank Fleischesser und Fleischverächter gestritten.

In solch einem Fall empfehlen Kommunikationswissenschaftler und Social-Media-Experten, die Situation durch einen direkten Dialog mit den Kritikern zu entschärfen, also die eigene Sichtweise eines Sachverhalts darzustellen, Fragen zu beantworten oder konkrete Lösungsvorschläge anzubieten. Um das zu gewährleisten, müssen sich Unternehmen laut Bitkom organisatorisch und personell gut vorbereiten.

Nach den Ergebnissen der Umfrage haben aber ein Viertel der Firmen mit einer Facebook-Präsenz nicht einmal einen festen Mitarbeiter, der sich um die Seiten kümmert. Bei 29 Prozent ist ein Mitarbeiter für den Facebook-Auftritt zuständig, bei 41 Prozent sind es zwei oder mehr.

Ein weiterer Indikator für die Krisenfestigkeit auf Facebook ist die Reaktionsgeschwindigkeit auf relevante Kommentare, da sich Kritik in sozialen Netzwerken sehr schnell verbreitet. Laut Umfrage gibt es nur bei 37 Prozent der befragten Unternehmen feste Vorgaben, innerhalb welcher Zeit auf Beiträge von Nutzern reagiert werden soll, bei 50 Prozent ist das nicht der Fall. Unter den Unternehmen mit einer Zeitvorgabe gilt bei 29 Prozent eine Reaktionszeit von 6 Stunden und bei 21 Prozent von 12 Stunden. Bei 50 Prozent sind sogar Reaktionszeiten von 24 Stunden oder länger vorgegeben, was im Fall einer Krise oft zu lang ist.

Eine mangelnde Dialogorientierung vieler Unternehmen zeigt sich auch bei weiteren Ergebnissen der Umfrage: Nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) stimmen der Aussage zu, dass “der Dialog mit den Nutzern bei Facebook ein zentraler Bestanteil der Kommunikation” ist. Bei immerhin 47 Prozent ist das nicht der Fall. Dagegen stimmen 69 Prozent der Aussage zu, dass es ihnen auf Facebook in erster Linie darum geht, Informationen zu verbreiten. Und 54 Prozent meinen, dass ein Shitstorm auf Facebook keine ernste Gefahr für die Reputation des Unternehmens darstellt. Rohleder: “Im Social Web ist die einseitige Verbreitung von Informationen ein Auslaufmodell. Wer für Krisenfälle gewappnet sein will, muss sich dem Dialog mit den Nutzern stellen.”

[mit Material von Björn Greif, ZDNet.de]

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