Paralympics: IT-Dienstleister Atos in der Kritik

Das Sponsoring der Paralympischen Sommerspiele 2012 durch der IT-Dienstleister Atos hat in Großbritannien einen Proteststurm von Behindertenverbänden ausgelöst. Der Konzern erstellt im Auftrag der britischen Regierung medizinische Gutachte, die über die Arbeitsunfähigkeit von Behördenmitarbeitern entscheiden.

Atos wurde schon 2008 von der Labour-Regierung mit dieser Aufgabe betraut und soll dafür jährlich 112 Millionen Britische Pfund erhalten. Vor dem Hintergrund, dass Atos aktuell einer der Hauptsponsoren der Paralympischen Sommerspiele 2012 ist, spricht Paddy Murphy vom Verband “Disabled People Against Cuts” (DPAC) gegenüber der britischen Zeitung Guardian von einem schlechten Witz. “Sie erhalten Hunderte von Millionen Pfund von der Regierung, während viele behinderte Menschen gezwungen sind, aufgrund ihrer Entscheidungen in bitterer Armut zu leben.”

Dem Zeitungsbericht zufolge nahm Atos im letzten Finanzjahr rund 738.000 Prüfungen vor, um zu evaluieren, ob und bis zu welchem Grad Antragsteller arbeitsunfähig sind. Seit 2008 legten Hunderttausende Betroffene Einspruch gegen die Entscheidungen ein, von denen soziale Beihilfen abhängig sind. Rund 40 Prozent der Einsprüche waren erfolgreich. Durch das Einspruchsverfahren und die erneute Evaluierung sollen dem Steuerzahler weitere Kosten von 50 Millionen Britischen Pfund entstehen.

Demonstranten protestierten vor der Niederlassung von Atos. Sie werfen dem IT-Dienstleister vor, viele Behinderte in die Armut und teilweise sogar zum Suizid zu treiben. Aktivisten trugen einen Sarg, der die Einschnitte in Unterstützungsleistungen symbolisieren sollte, zur Atos-Zentrale in der Londoner Innenstadt.

Ein Regierungsbericht nannte die Atos-Tests zur Feststellung von Arbeitsunfähigkeit im Juli “fehlerhaft”. Im Mai forderte eine Konferenz der Hausärzte einhellig, die computergestützte Evaluierung der Arbeitsfähigkeit abzuschaffen, um Schaden von “einigen der Schwächsten und Verwundbarsten in der Gesellschaft” abzuwenden. Unbeliebt machte sich Atos zudem vor rund einem Jahr gemacht, als es Kritiker in Websites und Foren der Verleumdung bezichtigte und mit Klagen drohte.

Atos argumentiert, dass es weder Grundsätze noch Richtlinien selbst bestimmt und auch keine Entscheidungen über Leistungsansprüche einzelner Antragssteller trifft. Es führe vielmehr nur Überprüfungen der Arbeitsfähigkeit entsprechend der von der Regierung bestimmten Vorgehensweise durch.

“Wir respektieren das Recht der Menschen auf friedlichen Protest, und wir verstehen, das es ein äußerst emotionales Thema ist”, erklärte ein Atos-Sprecher gegenüber TechWeekEurope. “Wir treffen keine Entscheidungen über die Anspruchsberechtigung von Menschen oder über Sozialpolitik. Aber wir werden weiterhin sicherstellen, dass unsere Dienstleistung so hochprofessionell und teilnahmsvoll wie nur möglich ist.”

Fotogalerie: Atos mit der Olympia-IT unterwegs

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[mit Material von Bernd Kling, ZDNet.de und Tom Jowitt, TechWeekEurope]