Unix-Server-Markt: Es wird nur einen geben

Lange Zeit waren Unix Server mit entsprechenden RISC-Prozessoren die führende Plattform für Mission Critical Anwendungen wie beispielsweise ERP-Systeme. Inzwischen hat aber sowohl Windows Server, als auch Linux, jeweils auf x64 Basis (X64: 64 bit Version der x86 Architektur) deutliche Fortschritte erzielt, ohne jedoch die im Unix Bereich vorgelegten Leistungsparameter zu erreichen.

Im oberen Leistungsbereich bleiben RISC/ Unix Server also das Mittel der Wahl. Wobei die meisten Anbieter auch Linux auf Ihren RISC-Servern unterstützen, was eine Konsolidierung von x64 / Linux Farmen auf RISC/Linux ermöglicht. Insbesondere Kostenbetrachtungen im Hinblick auf Rechenzentrumsplatz und Stromverbrauch für Server und Kühlung, sowie Lizenzkosten und Virtualisierungseffizienz lassen diesen Ansatz sinnvoll erscheinen.

Gleichzeitig haben es Anwender deutlich leichter zu einem späteren Zeitpunkt von RISC/Linux auf x64/Linux oder gleich zu entsprechenden IaaS oder PaaS Cloud angeboten zu migrieren (IaaS: Infrastructure as a Service – Server Hardware + Betriebssystem (meist Linux oder Windows Server auf x64 Basis), Middleware kann inklusive sein; PaaS: Plattform as a Service – Iaas + Anwendungen)

Der UNIX-Server–Markt

Über einen sehr langen Zeitraum war der Unix Server Markt in Europa in einem relativen Gleichgewicht – drei relevante Betriebssysteme – AIX, HP/UX, Solaris – und die damit verbunden vier Server-Anbieter – Fujitsu, IBM, HP, Sun – boten genug Auswahl und Wettbewerb für den Anwender.

Suns wirtschaftlicher Niedergang begann mit dem Versuch Solaris auf AMD-Operton Prozessoren in den breiten Markt zu verkaufen. Dieser Schritt war wirtschaftlich erfolglos und schwächte die interne Entwicklung der Sparc-Prozessoren so sehr, dass im Vergleich zu den Mitbewerbern IBM und HP die Lücke immer größer wurde.

Seit der Übernahme von Sun durch Oracle kann die Sparc-Technologie in Ermangelung von Ressourcen nur langsam weiterentwickelt werden, wenn gleich Oracle eine Roadmap bis 2015 veröffentlicht hat. Experton Group geht trotzdem davon aus, dass Sun/Oracle als Unix-Server Anbieter in den nächsten 5 Jahren bedeutungslos wird.

Mit der Übernahme von Sun durch Oracle hat sich auch Fujitsu (damals noch Fujitsu Siemens) aus dem Unix-Servermarkt verabschiedet und setzt seither auf Standard x86 bzw. x64 Server.

HP stellte im Oktober 1999 den ersten Itanium Prozessor als zukünftige CPU für HP-UX vor. Erst im Juli 2002 brachte HP/Intel mit Itanium 2 eine anfänglich noch leidlich konkurrenzfähige CPU auf den Markt. Allerdings wurde relativ schnell klar, dass die Kooperation von HP und Intel nicht zu weiteren massiven Entwicklungsanstrengungen fähig oder willens war, um im Vergleich zu IBM auf Augenhöhe zu kommen und zu bleiben. Die nächste Version des Itanium mit dem Code Namen Tukwila wurde erst im Februar 2010 vorgestellt – rund 2 Jahre hinter der veröffentlichten Roadmap. Die nächsten Versionen „Poulson“ (2012) und „Kittson“ (2014) sind offiziell angekündigt, es mehren sich aber die Stimmen, dass Kittson wohl der letzte Itanium Prozessor sein wird, den Intel fertigt. Hinzu kommt, dass sowohl RedHat Enterprise Linux als auch Microsoft und letztlich auch Oracle den Support der Plattform einstellen wollen, bzw. dies getan haben. Zwar hat HP gegen Oracle einen ersten gerichtlichen Erfolg erzielt, wonach alle Oracle Produkte die zum Stichtag 20.

September 2010 auf Itanium verfügbar waren auch weiterhin auf Itanium angeboten und gepflegt werden müssen, jedoch ist in diesem Fall noch längst keine finale Entscheidung ergangen. Ausgehend von den Erfahrungen der letzten Jahre und dem aktuellen Zustand der HP Organisation insgesamt, ist davon auszugehen, dass HP als Unix-Server Anbieter in den nächsten 3-4 Jahren bedeutungslos wird.
Wesentlich agiler zeigt sich IBM, die ebenfalls Roadmaps ihrer Power Familie und für AIX veröffentlicht hat und diese auch seit Jahren einhält. Derzeit gewinnt IBM stetig Marktanteile gegenüber den Wettbewerbern und erweist sich technologisch als deutlich überlegen. Entsprechend bewertet Experton Group IBM als den letzten verbliebenen Unix-Server-Anbieter mit einer langfristigen Perspektive, zusammen mit Bull, die Power/AIX Systeme als OEM vertreiben.

Die nachfolgende Tabelle zeigt die Bewertung der Unix-Server-Anbieter im Überblick:

Kriterium

HP

IBM

Sun/Oracle

 

heute

Zukunft

heute

Zukunft

heute

Zukunft

Roadmap-Treue CPU / OS

+

+

Leistungsfähigkeit

o

+

+

o

ISV-Support

+

o

+

+

+

o

Einbettung Unix in eine Hardware-Gesamtstrategie

o

+

+

o

Einbettung Unix in die Unternehmensstrategie

o

+

+

o

Entwicklungsressourcen

o

+

+

o

Marktanteile

+

o

+

+

Gesamtbewertung

o

+

+

o

Tabelle: Bewertung von Unix-Server-Anbietern. Quelle: Experton Group AG, 2012.

UNIX, Linux, Microsoft Windows Server?

Anwender stehen also vor der Herausforderung, die Hardware-/Betriebssystem-Strategie erneut zu überprüfen. Positiv ist, dass es keiner überhasteten Schnellentscheidungen bedarf, da alle 3 relevanten Unix-Anbieter zumindest bis zum Ende der Lebenszeit der aktuell im einsatzbefindlichen Server den Support sicherstellen können und werden. Andererseits sollten potentielle Migrationspfade frühzeitig, d.h. 18 bis 24 Monate vor der Ersatzbeschaffung definiert und geplant werden.

Aus Sicht der Experton Group lassen sich folgende Migrationsmuster definieren:

HP-UX / Itanium und Solaris / Sparc Anwender: Die Zukunft der Itanium CPU ist mehr als fraglich, entsprechend besteht vor einer Ersatzinvestition in diesem Bereich deutlicher Handlungsbedarf. Ähnliches gilt für die Sparc CPU, wobei diese durch den Einsatz in Oracle Appliances wie Exadata noch etwas bessere Überlebenschancen hat. Anwender können entweder Richtung AIX/Power migrieren, was für echte Mission-Critical Anwendungen sicher der sinnvollste Weg ist, oder relativ leicht Richtung Linux. Eine Migration auf Windows Server stellt in der Regel etwas höhere Anforderungen und wird insbesondere mehr Platz im Rechenzentrum benötigen, was teilweise schwierig sein kann.

AIX/Power Anwender: Sowohl die Zukunft der Power CPU als auch des Betriebssystems kann heute als gesichert abgesehen werden. Eine Migration auf neue Versionen im Zuge von Ersatzinvestitionen ist zweckmäßig, eine Migration auf Windows Server oder Linux ist zwar möglich, aber in den seltensten Fällen sinnvoll, da die Betriebskosten dadurch kaum positiv beeinflusst werden können, sondern insbesondere mehr Platz im Rechenzentrum benötigen wird, was teilweise schwierig sein kann. Eine zu betrachtende Option stellt eine derartige Migration nur dann dar, wenn dadurch eine homogene Windows Server oder Linux Umgebung erreicht werden kann und gleichzeitig die Anforderungen nicht im absoluten Highend Bereich liegen.

Linux / x64 Anwender: Die meisten Workloads in diesem Bereich stammen ursprünglich von Unix und Mainframe-Umgebungen und teilweise von Windows Server Umgebungen. Diese wurden zum Teil aufwändig migriert und Anwendungen teilweise neu implementiert. Die meisten Anwender werden deshalb bei Linux / x64 bleiben, auch wenn andere Architekturen, wie Power mit Linux zum Teil ein deutliches Konsolidierungs- und damit Betriebskostensenkungs-Potential aufweisen.
Windows Server / x64 Anwender: In der Regel nutzen Windows Server Anwender auch die entsprechenden Microsoft Server Produkte, was einen Wechsel des Betriebssystems quasi unmöglich, zumindest aber extrem aufwändig machen würde. Entsprechend unwahrscheinlich sind Migrationen hin zu anderen Betriebssystemen.

Die folgende Grafik veranschaulicht die möglichen und gleichzeitig sinnvollen Migrationspfade:

Abbildung: Sinnvolle Migrationspfade Server. Quelle: Experton Group AG, 2012.

Experton Group Bottom Line

Der Unix-Markt wird sich in den nächsten 4 bis 5 Jahren massiv konsolidieren. Experton Group erwartet nur noch einen Anbieter von Unix-Systemen, nämlich IBM. Intel wird sich mangels Masse aus dem Itanium-Geschäft zurückziehen und HP kaum noch einen weiteren Versuch unternehmen, in einem rückläufigen Gesamtmarkt mit einem neuen CPU-Partner Boden zurückzugewinnen. Oracle wird noch am längsten Versuchen mit Sparc und Solaris und wenig Aufwand im Unix Server Markt eine gewisse Rolle zu spielen. Mit Exadata und ähnlichen Appliances positioniert sich Oracle derzeit als „Complete Stack“ Anbieter, d.h. von der Hardware über das Betriebssystem, der Middleware bis zur Datenbank und Anwendungen. Diese Positionierung verliert aber ihre Glaubwürdigkeit, wenn Sparc / Solaris Server nicht weiter angeboten werden und zumindest leidlich wettbewerbsfähig sind.

Nichtsdestotrotz müssen nicht nur HP-UX / Itanium, sondern auch Solaris / Sparc Anwender vor der nächsten Ersatzinvestition einen Migrationspfad für sich definiert haben und die Umsetzung abgeschlossen haben. In den meisten Fällen wird der Migrationspfad Richtung AIX / Power gehen, seltener in Richtung Linux / x64, nur in Ausnahmefällen Richtung Windows / x64.