Das steckt hinter IBMs Mainframe-Strategie

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IBM wirft in schöner Regelmäßigkeit neue Mainframes auf den Markt. So mancher fragt sich, warum sich der Konzern das heute noch antut, wo sich doch handelsübliche Server per Virtualisierung zu großen Einheiten zusammenschließen lassen und Cloud-Angebote wie Pilze aus dem Boden schießen. Doch es sind weder Starrsinn noch Wahnsinn, die IBM zu dieser Strategie treiben.

Vielmehr sind die oft als Dinosaurier belächelten Mainframes moderner als man denkt – und haben Eigenschaften, für die manche gerne die geforderten Beträge bezahlen. Denn es immer noch genug Kunden, die sich genau die Leistungsmerkmale wünschen, die ihnen die Großrechner liefern können – und zwar ohne das Gezerre, das zwischen HP und Oracle um die Itanium-Rechner ausgebrochen ist.

Seit fast 50 Jahren sind IBM Mainframes als “Hochleistungspferde” für Aufgaben der Unternehmens-IT im Einsatz. Mainframes verarbeiten bei vielen großen Unternehmen, aber auch beim wirtschaftlich starken Mittelstand, als Super-Verwaltungsrechner einen großen Teil der zentralen Betriebsdaten und Geschäftsprozesse auf der Basis relationaler Datenbanken. Mit dem legendären System/360 kam 1964 das erste Modell auf den Markt. Heute werden die Mainframes als “System z” vermarktet. Die jüngste Mainframe-Generation zEnterprise EC12 wurde erst im Spätsommer angekündigt.

Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der IT-Branche stehen die Großrechner nicht. Ihre Berechtigung haben sie dennoch. Denn derzeit kämpfen praktisch alle Unternehmen mit einem starken Anstieg der Datenmengen und suchen daher neue Wege, aus Geschäftsinformationen wie Finanz-, Kunden- und ERP-Systemen rasch Erkenntnisse für strategische Entscheidungen zu gewinnen.

Um diese zu unterstützen, hat IBM nach eigenen Angaben eine Reihe neuer technologischer “Erstanwendungen” in das neue Mainframe-Modell eingebaut. Sie sollen die Schlüsselrolle der Mainframe-Plattform unterstreichen, den wachsenden Bedarf bestimmter Großkunden in puncto sicherer Verarbeitung sensibler und wichtiger Unternehmensdaten zu bedienen.

An der Entwicklung des Prozessors des zEC12-Kerns (mit 5,5 GHz) war das IBM Labor Böblingen maßgeblich beteiligt. Die ersten Modelle werden seit dem 9. September ausgeliefert. Die Preise dürften wie bei dem vor zwei Jahren vorgestellten Modell z196 bei etwa einer Million Dollar beginnen und bis in den zweistelligen Bereich vorstoßen.

Höchstmögliche Sicherheit für sensible Informationen

Das neue IBM zEC12-System soll ein besonders hohes Maß an Sicherheit und hohe Bandbreiten für den Analytic-Betrieb bieten, wenn es darum geht, sehr große Rohdatenmengen zu verarbeiten und in Bereichen mit scharfen Wettbewerb in vorteilhaftes Wissen zu transformieren, sagt IBM. Das ist der eine Aspekt. Der andere ist die hohe Sicherheit. IBM System z-Server sind die einzigen kommerziellen Serversysteme, die für die Sicherheitsklassifizierung Common Criteria Evaluation Assurance Level 5+ entworfen sind. Das prädestiniert sie für den Einsatz in der Regierungsverwaltung und beim Militär.

Für die Absicherung von Transaktionen und sensiblen Daten soll ein manipulationsresistenter, kryptografischen Coprozessor (Crypto Express 4S) sorgen. Er enthält eine von IBM Research entwickelte Firmware, die die Sicherheitsanforderungen verschiedener Branchen und Regionen variabel abdecken kann. Er lässt sich so konfigurieren, dass er digitale High-Quality Signaturen unterstützt, die für Anwendungen im Umfeld intelligenter Pässe, Ausweise und gesetzlicher Onlineanwendungen eingesetzt werden. Damit lassen sich bisherige handschriftliche Unterschriften ersetzten, wie sie noch heute von der EU oder anderen Bereichen des öffentlichen Sektors gefordert werden.

Als kommerzielles Beispiel wurde bei der Präsentation das US-Unternehmen SC Data Center Inc. genannt, das als Dienstleister einem der weltweit größten und erfolgreichsten Katalogfirmen Colony Brands hilft, seine E-Commerce-Plattform zu schützten. Hier wird IBM System z für alle Vertriebs- und Kreditkartentransaktionen eingesetzt.

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Blick ins IBM Mainframe-System zEnterprise EC12. Quelle: IBM.

Monitoring und Betriebsanalytik

Das Modell zEC12 ist mit einer neuen, IBM zAware genannten Systemanalytik ausgerüstet, die aus der IBM-Forschung kommt. Sie analysiert interne Systembotschaften und erlaubt eine annähernde Echtzeit-Sicht auf den Systembetrieb, auf eventuell entstehende Engpässe oder potenzielle Probleme. Sie erkennt Muster, vermerkt jegliche Abweichungen, identifiziert ungewöhnliches Systemverhalten und versucht, mögliche Schäden zu vermeiden.

Gegenüber dem Vorgänger erlaubt das zEC12-System so eine um 30 Prozent höhere Leistung bei der Analyse von Workloads. Zusätzlich sorgt der IBM DB2 Analytics Accelerator, eine Netezza-Data-Warehouse-Anwendung dafür, komplexe Geschäfts- und Betriebssystemanalysen auf derselben physischen Plattform, dem zEC12-Kern, laufen zu lassen.

Private-Cloud-Einsatz in großem Stil

Die bekannten Virtualisierungseigenschaften des Mainframes – sie stammen von dort und werden dort seit fast 50 Jahren eingesetzt, prädestinieren das zEC12-System auch für den Einsatz in Private-Cloud-Umgebungen. Kunden können dabei tausende verteilter Linux-Systeme auf einem zEC12-System konsolidieren und ihre IT-Betriebskosten bei Strom, Fläche, Softwarelizenzen, Systemmanagement deutlich senken. Nach internen Untersuchungen von IBM kann ein einzelnes zEC12-System die Kapazität eines Multiplattform-Rechenzentrums abdecken – ist sozusagen die noch einmal eingedampfte und komprimierte Form der vor einiger Zeit so viel bestaunten “Rechnezentrumscontainer”. Dass das nicht nur Wunschvorstellungen sind, sondern IBMs Angebote auf fruchtbaren Boden fallen, zeigen die Verkaufszahlen: Beim System z im Einsatz für Cloud-Computing konnte IBM im zweiten Quartal 2012 im Jahresvergleich ein zweistelliges Umsatzwachstum verzeichnen.

Als Vorzeigekunden nennt IBM unter anderem den US-Verwaltungsbezirk “Miami-Dade County”, einen der größten Countys (Landkreise) in Florida. Dieser hat eine Private-Cloud-Analytik-Plattform auf IBM zEnterprise mit IBM Cognos Business Intelligence aufgebaut. Als Betriebssystem kommt Linux zum Einsatz. Die Lösung erlaubt es der dortigen Verwaltung, Mitarbeitern und Bürgern Echtzeit-Informationen zu wichtigen öffentlichen Diensten und der Verwendung öffentlicher Gelder sicher und kostengünstig über das Internet bereitzustellen.

Branchenlösungen für System z

Auch das Angebot an branchenspezifischen Lösungen für System z wächst nach Angaben von IBM kontinuierlich. Dabei werden Lösungen von ISV-Partnernmit denen von IBM Global Business Services kombiniert. Dazu gehören aktuell solche rund um die IBM Intelligent Operations Center for Smarter Cities, das IBM Health Plan Integration Hub sowie zwei IBM Smarter Analytics-Themen, nämlich Anti-Betrugs- und Abfall-Lösungen sowie Missbrauchüberwachung für die Gesundheits- und die Versicherungsbranche – sowie die IBM Genelco Versicherungsverwaltungslösung. Das Programm soll systematisch ausgebaut werden.

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