Januar-Rückblick: Netzkultur – nein, danke!

Was Cache-Kohärenz, Multi-Threading und asymmetrische Kryptographie ist, das hat man ja nach all den Jahren mitbekommen. Aber was um alles in der Welt ist Netzkultur? Bei der DLD diesen Monat ging’s darum, jedenfalls am Rande.

Über Computerei zu schreiben, ist ein Broterwerb, der sehr viele Annehmlichkeiten mit sich bringt. Man fährt auf Konferenzen, wo kluge Leute reden, und mit denen unterhält man sich dann. Interview nennt sich so was und bringt ein paar Euro.

Mit den Interviewten versteht man sich in der Regel sehr gut, weil man dieselbe Sprache spricht, Englisch – mehr oder weniger halt – als Fremdsprache und weil man sich jederzeit beim Anderen versichern kann, dass man sich gesprächsmäßig auf demselben ISO/OSI-Level bewegt.

Es ist gut, kluge Menschen zu verstehen, weil man da was lernt. Und ein Tag, an dem man etwas gelernt hat, ist ein gewonnener Tag. Das Leben eines IT-Schreibers ist deshalb – ja, Mühe und Last wie das der meisten anderen – aber eben auch voller gewonnener Tage, verbracht im C&A-Anzug auf Konferenzen, wo kluge Menschen über IT sprechen. – Das T steht übrigens für Technik.

Im Januar war auch eine Konferenz, die Digital Life Design in München. Wenn man versucht, hinter den Sinn dieses Namens zu kommen, versteht man, warum es manchmal besser ist, nur in Kürzeln zu reden.

Die DLD also: Der “Schirmherr” Hubert Burda lässt seinen Focus über „hochkarätige“ Teilnehmer schreiben. Die Süddeutsche Zeitung wiederum wählt den geschmeidigeren Begriff “digitale Elite”. – Au Mann, ist die beieinander, diese digitale Elite!

Vorort, im Hypo-Vereinsbank-Forum, lassen sich zwei Fraktionen unterscheiden. Die eine trägt trotz gut beheizter Räumlichkeiten Schal, Mütze oder Hut. Letzterer hat ganz offenkundig schmalkrempig zu sein.

Die Brillengläser wiederum müssen dick umrandet sein so wie die Kassengestelle im letzten Jahrhundert, nur eben teurer. Das unterstreicht die Intellektualität des Trägers, beziehungsweise emuliert sie im Bedarfsfall.

Laut SZ befinden sich “Internet-Checker, Künstler und sonstige Kreative” vor Ort. Um diese Sonstigen muss es sich hierbei wohl handeln.

Die andere – durchweg konventioneller gekleidete – Fraktion bilden “Entrepreneurs”, “Investoren” oder Leute, die – ausweislich ihres Namensschildes – etwas mit “Venture” zu schaffen haben. Also es geht hier ums Geschäft, umrahmt nicht von IT – wo ja diese komplizierte Technik drinsteckt, bei der man sich immer wieder vergewissern muss, auf welchem ISO/OSI-Level man sich befindet – sondern von “Netzkultur”.

Beide Fraktionen haben natürlich ihre Gadgets mit, was sich unter #DLD auf Twitter leicht nachvollziehen lässt. Zusammen bringen es die beiden Gruppen in der feinen Location – Smartphones, Tablets und Notebooks zusammengerechnet – auf eine Apple-Penetrationsquote von weit über 95 Prozent.

Referate, altmodisch gesprochen, gibt’s natürlich auch. Aber die haben mehr den Charakter von Show-Einlagen. Jewgeni Kasperski gibt den denkbar wohlhabendsten Pausenclown zum Thema Cyberwar und wird dafür bei Burda überschwänglich gefeiert. Weniger prominente Vorträge übernehmen die Funktion der Hintergrundmusik.

Denn die eigentliche Show findet in den Foyers und im Atrium statt, dort, wo sonstige Kreative und Investoren aufeinander treffen. Selbst in bayerischen Bierschwemmen nach 22:00 Uhr, wenn die Dimpfl gut drauf sind, wird man nicht so häufig angerempelt wie hier. Der iPhone-gehandicapte Grobmotoriker mit durchtrainiertem Ellenbogen hat halt das Sozialverhalten eines Pitbull, respektive das eines Chihuahuas.

Es war aber trotzdem ein lohnender Tag diese Woche auf der DLD, bevor die – im engeren Sinne – digitale Elite dann weitergeflogen ist nach Davos, zum Weltwirtschaftsforum, um sich dort mit dem Rest, quasi der analogen Elite, zu treffen. Ein langes Interview mit dem Cheftechniker von F-Secure Mikko Hypönnen hat er gebracht, einem, der aussieht, wie man sich auf der DLD einen Nerd vorstellt, der aber trotzdem was drauf hat.

Am nächsten Tag dann, wenn man sich schon wieder über so etwas Gewöhnliches wie Ipv6 Gedanken macht, liest man im Aufmacher des SZ-Feuilletons zur DLD über den “New Yorker Hip-Hop-Star und Rap-Genius” Azealia Banks, der natürlich nicht in München war: “Schlummert in ihren Texten die Zukunft der Internettechnologie?”

Na ja, vielleicht, denkt man sich in deren Unkenntnis. Was aber auf jeden Fall passt, wenn man sich diese Typen auf der DLD vergegenwärtigt, ist dieser alte Stones-Titel: “Hey, you, get out of my cloud!”