Staub – der schleichende Tod im Rechenzentrum

Er ist weitgehend unsichtbar und eigentlich scheint er zumindest in den meisten Rechenzentren kein Problem darzustellen. Dennoch können Staub und Dreck den Betrieb eines Rechenzentrums beeinträchtigen. Aber auch überambitioniertes Reinigen brigt risiken, wie jetzt die Data Center Alliance in einer Untersuchung feststellt.

Der erste nachweislich echte 'Bug' der Geschichte ist eine Motte.

 

In den Frühen Tagen waren es Käfer oder vielmehr Motten, die angeblich an den Leitungen knabberten und damit zu Fehlern führten, die sich anders kaum erklären ließen. Der erste schriftlich dokumentierte Fall dieser Art stammt aus dem September 1947 und ereignete sich im Relais # 70 des Panel F im dem Rechner Mark II Aiken Relay Calculator in der Universität Harvard.

Die Geschichte mag lange her und erfunden sein, doch illustriert sie einen Stolperstein moderner Technik.

Inzwischen sind Filter und Klimaanlagen so gut, dass Ungeziefer, das mit dem bloßen Auge zu erkennen ist, kaum mehr eine Rolle spielt. Doch wie auch die Technik stets feiner wird, so sind es heute Staub, agressive Gase und andere Partikel, die den Betrieb eines Rechenzentrums beeinträchtigen können.

 

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Als Gründe für diese “unsichtbare Bedrohung” nennt die Industrievereinigung Data Centre Alliance (DCA) “unangemessene Designs, mangelnde Sauberkeitsvorkehrungen, fehlerhafte Reinigung oder auch zu viel des Saubermachens”.

Und so hat sich jetzt innerhalb der Data Centre Alliance eine neue Gruppe gegründet, die “Anti-Contamination Steering Group” und die ist auch gleich zu einem ersten Schluss gekommen: “Die Kontamination von Servern, Festplatten, Anschlüssen und Klimatisierung durch Schwebepartikel und Gase können zu verfrühtem Verschleiß von Material, Mehrverbrauch von Energie und auch zu Höheren Ausfallraten von wichtigen Diensten führen. Das zeige sich dann in kürzeren Lebensdauer und auch in höheren Betriebskosten.

“Die einhellige Meinung von auf Rechenzentren spezialisierte Säuberungs- und Dekontiminationsspezialisten, Beratern und Forscher ist, dass die meisten RZ-Designer und auch deren Betreiber sich dieser unsichtbaren aber hinterlistigen Bedrohung für milliardenschwere Computing-Ausrüstung kaum bewusst sind”, erklärt Simon Campbell-Whyte, Director der DCA.

Das Hauptproblem, so Campbell-Whyte, liege in der Klimatisierung der Server. Denn in einem Rechenzentrum muss die Abwärme eben abtransportiert werden. “Wenn nun Staub, menschliche Haare, Hautpartikel, Woll- oder andere Fasern, in die Server gelangen, können sie beispielweise die Kühlkörper auf sensiblen Chips verstopfen und so für lokal begrenzte Überhitzung sorgen.” Das könne zum einem beschleunigten Chip-Tod führen.

 

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“Das ist kein Problem, das kurzfrisitg sichtbar wird, aber viele Unternehmen, die auf die aktuellsten und effizientesten Technologien zurückgreifen, um damit einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, stellen fest, dass über die Zeit, diese Vorteile erodieren”, weiß DCA Technical Council Director und Berater Dr Ian Bitterlin. Das hänge damit zusammen, weil Filter schlechter werden und die Kosten für die Kühlung steigen. “Das können teilweise mehrere Megawatt-Stunden sein”, betont Bitterlin.

Doch damit nicht genug. Auch aggressive Gase greifen die sensiblen Technologien an. Diese könnten etwa über Auspuffgase über die Klimaanlage in das Rechenzentrum gelangen, so David Mclenachan von Initial, einem spezialisierten Reinigungs-Unternehmen für Rechenzentren und ebenfalls Mitglied in der neuen Gruppe. Auch agressive Gase etwa aus Batterien oder andere metallische Partikel in der Luft könnten sich auf Metallteilen im Rechenzentrum anlagern und so empfindliche Verbindungen korridieren. Wenn diese Ablaberungen auf Halbleitern gelangen könnten sie so Ausfälle und Fehler verursachen. Und die Gefahr dieser mikroskopischen Ablagerungen steige natürlich mit jedem Jahr.

Bislang haben die Hersteller von Rechenzentrums-Ausrüstung solche Probleme kaum auf ihrer Agenda, fürchtet die DCA-Gruppe. Doch indem immer mehr wirklich lebenswichtige Bereiche in Rechenzentren geregelt würden, steige auch der Bedarf an Ausfallsicherheit.

 

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Jetzt will die Gruppe zunächst alle verfügbaren Informationen dazu zusammentragen und dann ein Papier formulieren, das den Designern von Rechenzentren dabei helfen soll, diese schleichenden Gefahren so schnell wie möglich in den Griff zu bekommen.

Schon Ende Februar will die DCA ein entsprechendes Dokument veröffentlichen. Dann können Rechenzentrumsspezialisten dieses Papier kommentieren und Ende Mai dieses Jahres soll dann ein Leitfaden allgemein verfügbar gemacht werden.

Dann können auch Betreiber von Rechenzentren von dem neuen Ratgeber profitieren. Denn: “Perverserweise ist es häufig der Fall, dass häufiges Reinigen den größten Schaden arichtet”, erklärt Gary Hall, von dem Rechenzentrumsreinigungsspezialisten 8Solutions. Denn herkömmliche Reinigungsmaschinen wirbelten häufig mehr unsichtbaren Staub auf, oder sorgen mit Abrieb für neue Partikel, die dem Rechenzentrum schaden können.

 

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