Gartner: IT verursacht soziale Unruhen

Ungewöhnlich pessimistisch sind Garnters Prognosen für die von IT und Digitalisierung geprägte Gesellschaft. Nach einen Rundumschlag über die Zukunft der Informationsverarbeitung, zu dem Gartners Research-Chef Peter Sondergaard zur Eröffnung des diesjährigen Symposiums in Orlando ausgeholt hatte, erläuterten die Analysten in den folgenden Tagen, wie sich Gartner eine IT-Zukunft ohne wirksamen Datenschutz im Detail vorstellt.

Gartner warnt beim IT-Symposium in Orlando auch vor einem gesellschaftlichen Wandel, der durch die Digitalisierung und dem damit einhergehenden Arbeitsplatzabbau einher geht. Im Bild: Peter Sondergaard, Research-Chef bei Garnter. Quelle: H. Weiss
Gartner warnt beim IT-Symposium in Orlando auch vor einem gesellschaftlichen Wandel, der durch die Digitalisierung und dem damit einhergehenden Arbeitsplatzabbau einher geht. Im Bild: Peter Sondergaard, Research-Chef bei Garnter. Quelle: H. Weiss

Drei Präsentationen begannen in diesem Jahr mit den Worten: “Die zehn wichtigsten …” Den Anfang machten die zehn wichtigsten strategischen Prognosen. Gartner-Analyst Daryl Plummer teilte diese in vier Kategorien auf: Digitales Business, digitale Industrie-Revolution, smart Machines und alles rund um das Internet of Everything (IoE). Beeindruckend waren vor allem seine Prognosen beim Business.

So werden die Arbeitsplatzverluste durch eine zunehmende Digitalisierung zu erheblichen sozialen Spannungen und Unruhen führen. “Bis 2020 müssen für die etablierten Wirtschaftssysteme neue Funktionsmodelle gefunden werden”, lautet seine Warnung an die Vokswirtschaftler. So rechnet er beispielsweise damit, dass es bereits im nächsten Jahr zu einer Neuauflage von “Occupy Wall Street” oder ähnlichen Protestbewegungen kommen wird.

 

 

Der Grund für diese Unruhen ist seiner Ansicht nach, dass durch die Digitalisierung mehr Arbeitsplätze abgebaut werden, als durch den Produkttivitätsgewinn neue hinzu kommen. Hierbei verwies er auf den Niedergang von Kodak, wo 130.000 Arbeitsplätze verloren gingen. “Instagram hat nur noch 13 Mitarbeiter”, lautete sein Vergleich. Im Rahmen dieser Kategorie sehen die Gartner-Analysten auch das Ende des Datenschutzes auf uns zukommen.

“Im Jahr 2020 werden weder Unternehmen noch Behörden in der Lage sein, den heutigen Datenschutzbestimmungen nachzukommen, 75 Prozent aller sensitiven Daten werden dann einfach offen und frei zugänglich sein”, sagte Plummer über die Zukunft der personenbezogenen Daten. Als Grund für diese Prognose verweist er auf die rasant ansteigen Datenmengen und den geringen Fortschritten bei den zugehörigen Schutzprogrammen. “Es wird in wenigen Jahren schlichtweg unmöglich sein, die entstandenen Datenberge ausreichend sicher abzuspeichern”, lautet seine Prognose.

Im Bereich der digitalen Industrie-Revolution geht es vor allem um den 3D-Druck. So wird es bereits in drei Jahren eine lebhafte politische Debatte über das Drucken von menschlichen Organen geben. Als Folge wird es zu Verboten oder drastischen Auflagen kommen. Ein weiterer Problembereich des 3D-Druckens ist das Copyright auf Gegenstände. “100 Milliarden Dollar wird der Schaden sein, den die Industrie im Jahr 2018 durch illegal nachgedruckte Objekte beklagen wird”, so seine düstere Vorahnung.

Mit “Smart Machines” meint man bei Gartner vor allem IBMs Supergehirn Watson und alle ähnlichen Produkte, wie Googles autonome Autos und die neuen Service-Roboter. Diese Systeme bedrohen vor allem die Arbeitsplätze der Knowledge-Worker. “Bis 2020 werden mindestens zehn Prozent der Knowledge-Worker in ihrer Arbeit mit Smart Machines konfrontiert sein; das kann sowohl positive wie negative Folgen für sie haben. Im letzteren Fall werden viele ihren Arbeitsplatz verlieren”, prognostiziert Plummer.

Mobile ist der Toptrend für 2014

Was die aktuellen Trends angeht, so gab es die alljährliche Präsentation der “zehn wichtigsten technologischen Trends für 2014”. Das Managen der vielen unterschiedlichen mobilen Endgeräte sowie mobile Apps und Applikationen führen die Liste an. Auch die Konsequenzen für die IT-Architektur sieht man bei Gartner als einen aktuellen Trend. In Anlehnung an den früher beliebten Begriff der “Client-Server-Architektur” spricht man bei Gartner jetzt von einer kommenden “Cloud-Client-Architektur”, auf die sich die IT-Chefs vorbereiten müssen.

Hierzu gehört auch der Trend einer “persönlichen Cloud”, bei der sich der User seine bevorzugten Clouddienste individuell auf seinem mobilen Endgerät konfigurieren kann. Neu ist in diesem Jahr der Trend zum “Software-definierten Irgendwas” (SDx). “Netze, Storage, Server, Infrastruktur und sogar ganze Rechenzentren werden in Zukunft nur noch über Software und APIs gesteuert und die Anbieter, die sich nicht schnell genug auf diesen Trend einstellen, werden sehr schnell vom Markt verschwinden”, sagte Gartner-Analyst David Cearley in seiner Präsentation. Weitere Trends für 2014 sind bereits der Einsatz von Smart Machines und 3D-Drucken. “Beides ist zwar gegenwärtig noch in den Kinderschuhen, doch die Wachstumsraten sind riesig, alle IT-Manager sind gefordert sich schnellstens damit vertraut zu machen”, lautet sein dringender Rat an die CIOs.

Die dritte Topten-Präsentation befasste sich dann mit den Auswirkungen der oben erwähnten Prognosen und Trends im Hinblick auf die IT-Infrastruktur und dem IT-Betrieb. David Cappuccio sieht dabei auf den obersten Plätzen Software-definierte Netze (SDN), Software-definierte Storage (SDS) und die Hybrid-Cloud. Bei SDN wiederholte er die schon mehrfach aufgeführten Vorteile von Kosteneinsparungen und einer einfachen Administrierbarkeit. Diese Vorzüge treffen auch auf SDS zu, doch gibt es hier einen gewaltigen Unterscheid zu SDN: Die heterogene Storagestruktur.

“Noch fehlen die Mangement-Konsolen, mit denen man heterogene Storage-Einheiten auf der Kontroll-Ebene verwalten kann und die Daten regelbasiert auf der Daten-Ebene gespeichert werden, aber das wird bald kommen”, lautet seine Einschätzung. Der Druck zu SDS kommt seiner Meinung nach aus zwei Richtungen. Zum einen gibt es ein unverkennbaren Trend zum Software-definierten Rechenzentrum (SDDC), was nur mit SDS erreicht werden kann. Zum anderen erfordert der Mix aus strukturierten und unstrukturierten Daten neue Speicher-Strategien die mit herkömmlichen proprietären Storage-Management-Programmen nicht bewältigt werden können. “Das Aufbrechen der Hersteller-gebundenen Speicherlandschaften ist der nächste Infrastruktur-Durchbruch in den Rechenzentren”, sagt er über die Auswirkungen Software-definierten Komponenten und Systeme.

Interessant war sein siebenter Punkt: Das “Open Compute Project” (OCP). Diese von Facebook vor drei Jahren ins Leben gerufene Initiative erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei Anbietern und RZ-Betreibern. Vor allem die von Intel beigesteuerte Photonics-Technologie wird die Struktur der Rechenzentrums-Komponenten völlig neu gestalten. “Intels Photonic-Architektur löst die enge physische Anbindung von Prozessoren, Memory und I/O-Komponenten auf. In Zukunft wird es separate Boards für die Prozessoren und den Hauptspeicher geben, die über Photonic verbunden sind. Das ermöglicht das Austauschen von Prozessoren unabhäng vom Rest des Servers”, erläuterte Cappuccio die Vorzüge der Standardisierungsarbeiten des OPC, an dem bereits über 50 Anbieter mitwirken.

Ballmers Abschied

Zu den Gastrednern gehörte in diesem Jahr zum zehnten Mal Microsofts Noch-CEO Steve Ballmer. Er redete so, als ob er noch für die nächsten zehn Jahre Microsofts CEO sein wird. So sprach er von seiner Vision, in der Microsoft ein System-Integrator ist, der geschlossene End-zu-End-Produkte anbietet. Auch für Windows sieht er eine rosige Zukunft: “Ein einheitliches Windows für alle Geräte bedeutet eine einheitliche Benutzerführung, gleiche Sicherheitsfunktionen, standardisierte Schnittstellen und eine wesentlich einfachere Softwareentwicklung”, gab er als Grund für sein Festhalten an der althergebrachten System-Familie an. Doch wie relevant diese Äußerungen noch sind, ist fraglich, schließlich ist er nur noch solange Chef, bis ein Nachfolger gefunden ist. Gartner Analystin Tiffani Bova hakte deshalb nach und wollte von ihm wissen, welche Pläne er denn für die Zeit nach Mircosoft habe? – “Keine”, war seine knappe Antwort, was ein weiterer Hinweis darauf ist, dass sein Ausscheiden weder freiwillig noch geplant war.