Monatsrückblick: Der Oktober als App

#Aufschrei, Hashtag, Rainer Brüderle Edward Snowden Prism

Es muss wohl sein. Schließlich hat jeder andere IT-Journalist so einen Artikel auch schon mal geschrieben: Die schönsten Apps für Smartphones und Tablets. Der Oktober nun hat neue Releases der bekanntesten Nostalgie-Software gebracht, einer Spiritualitäts- und Wellness-App, eines Mathematik-Programms und eines Stealth-Virus.

Wohlan! Bei menschlichen Legacy-Systemen immer noch weit verbreitet ist die Microsoft-App, eine Emulation längst vergangener Macht und Herrlichkeit. Die darunter liegende Hardware ist bei den Usern deshalb so beliebt, weil sie sich nicht nur mit mehreren Fingern – meist deren zehn – konfigurieren lässt (Multitouch), sondern häufig sogar unter Zuhilfenahme eines Schraubenziehers.

Das Oktober-Update nun emuliert (neu!) auch den beliebten Start-Button. Gerüchte aus einem nicht mehr ganz so angesagten IT-Zentrum – also aus Redmond, nicht aus Cupertino – besagen, dass Microsoft mit dem nächsten Main-Release ebenfalls die Buttons für Alt, Control und Delete simulieren werde. Seine Einnahmen aus Android-Lizenzen möchte das Unternehmen in eine Kampagne unter dem Motto “Usability for late Adopters” investieren.

Die Systemvoraussetzungen für die Microsoft-App allerdings sind anspruchsvoll: ein mindestens Intel-kompatibler Prozessor bis höchstens 80286, Kommandozeilen-Kompetenz sowie Backslash- und Affengriff-Skills. Die Roadmap aus Redmond sieht vor, die App auch auf moderne, mobile Systeme zu portieren wie Mainframes, die Zuse-Z3 und den Abakus.

Neu auf den Markt gekommen ist die Tebartz-van-Elst-App, benannt nach dem beliebtesten Kirchenmann seit Rodrigo Borgia. Es handelt sich dabei um einen äußerst flexiblen Baukostenrechner. Sollte das Ergebnis allzu sehr skalieren, gibt die App statt dessen ein Bibel-Zitat aus: “Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein” (Johannes, Kap. 7, Vers 8).

Die Nutzungsbedingungen sehen diesbezüglich vor, dass, sollte – wider Erwarten – jener vor gut 2000 Jahren geborene Mann, der diese Systemvoraussetzungen erfüllt, noch geistig in seiner Community weilen, er wenigstens einen hochwertigen Marmor-Stein nehmen möchte. Ansonsten setzt der erfolgreiche Einsatz des Programms noch eine vieljährige K-Gruppen-Experience voraus.

In die gleiche Kategorie fällt die SPD-App, ebenfalls ein klassischer Schönrechner. Das aktuelle Update setzt denn auch voll auf den Presentation-Layer. Den bislang zweitniedrigsten Input, den das Logfile seit der Erfindung des Computers verzeichnet, stellt es – ganz im Sinne des modernen Marketings – als Success-Story dar. Dazu implementiert es hochperformant die Spieltheorie: Sollten die im Nanobereich angesiedelten Unterschiede zwischen Rot und Schwarz im Koalitions-Cluster vom Signalrauschen überdeckt werden, können mehrere Joker in Form von Ministerposten gespielt werden.

Die aktuelle NSA-App wiederum stellt die erste vollständige Implementierung des ubiquitous Computing dar. Ort-, Zeit- und Plattform-übergreifend zieht sie Back-ups kritischer Daten und sourcet sie in ein wirklich hochsicheres Rechenzentrum aus – so jenes denn gerade über Strom verfügt.

Und das Ganze geschieht völlig transparent, wie das Bundesinnenministerium zertifiziert. Von der National Security Agency hat sich unser Minister Joachim Friedrichs eigens bestätigen lassen, dass eine Behörde dieses Namens nun wirklich nicht existiert, wie überhaupt irgendetwas hierzulande, was mit dem Kürzel NS zu tun hätte. Seine Geheimdienste jedenfalls – und das muss man diesem integren Mann abnehmen – haben ihm nie etwas anderes gemeldet.

Die Systemvoraussetzungen der NSA-App sind denn auch niedrig. Nur Google, Facebook und all die anderen einschlägigen sozialen Trojaner sollten vorab installiert werden, sonst stößt die national Security-Cloud unter Umständen an ihre Grenzen.

OK. Hat jetzt vielleicht doch nicht so ganz geklappt, der Artikel über die schönsten Apps. Man kriegt das einfach nicht so recht hin, wenn einem das Negative näher liegt.

Deshalb noch ein wirklich positiver Vorschlag: Wie wär’s denn mal mit einer App, die die gute alte Wählschreibe emuliert. Für die Jüngeren: Das war das User-Interface, als auf Telefonen noch überhaupt keine App lief.