Was geschieht mit gebrauchten Tonerkartuschen?

Trotz immer mehr mobiler Geräte, trotz Cloud-Speicher und trotz Digitalisierung zahlreicher Vorgänge wird auch in Deutschland nach wie vor fleißig gedruckt. In dem Maße, wie Laserdrucker immer günstiger wurden, auch immer mehr per Laser. So fanden etwa 2012 in Deutschland 17,9 Millionen Tonerkartuschen einen Abnehmer – womit sich die Deutschen als fleißige Laserdrucker outen, sind das doch einiges mehr, als in Frankreich und Großbritannien zusammengenommen (15,8 Millionen Stück).

Die Liebe der Deutschen zum Laserdruck belegt auch ein anderer Wert. In den fünf größten europäischen Märkten, also Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien, entfallen vom Umsatz mit Druckerverbrauchsmaterial, das heißt Tinte und Toner, derzeit 53 Prozent auf Tonerkartuschen. In Deutschland sind es dagegen 61 Prozent, Tinte trägt hierzulande nur noch 39 zum Umsatz mit Verbrauchsmaterial bei.

Aus Sicht der Druckerhersteller ist zudem erfreulich, dass sich nur jeder Siebte auf Toner einlässt, der nicht vom Hersteller des Druckgeräts stammt. Das mag auch daran liegen, dass viele Lasergeräte in Firmen im Rahmen von Verträgen ohnehin nicht vom Verbraucher befüllt werden. Die Tonerkartuschen im Markt, die nicht vom Gerätehersteller stammen, werden fast alle von Firmen geliefert, die im Markt verbreitete Modelle klonen oder aufbereiten.

Sie kommen damit zwar auch nur gut 3 Prozent des Marktes, aber bei einem Gesamtvolumen von 1,468 Milliarden sind das immerhin noch 190 Millionen Euro. Das ist eine Summe, die nicht nur bei Trittbrettfahrern Begehrlichkeiten weckt, sondern auch im Druckgeschäft etablierten Firmen den Mund wässrig macht. Beispielsweise will Xerox seit gut einem Jahr mit kompatiblen Tonerkartuschen verstärkt ins Geschäft kommen.

Die sogenannten Re-Manufacturer haben es natürlich bei Toner für Monochrom-Drucker deutlich einfacher, als bei Farblasern. Hier ist ihr Anteil am Markt dagegen auch höher, bei Farblasern dagegen etwas geringer.

Insgesamt sind leere Tonerkartuschen daher ein begehrtes Gut. Die Drittanbieter haben den Vorteil, dass sie – oft mit einem karitativen Anstrich – zum Beispiel in Kindergärten oder sonstigen Einrichtungen Sammelboxen für Geräte aller Hersteller aufstellen können. Dafür bekommt dann der Aufstellort eine kleine Zuwendung, die dort aus- und eingehenden Menschen sollen ihre Verbundenheit mit dem Ort durch ihre Tonerkartuschenspende bekunden.

Brother bereitet seit 2007 in Krupina in der Slowakei Tonerkartuschen wieder auf (Bild: ITespresso).

Aber auch Systemhäuser, die Kunden mit Druckerverträgen betreuen, können Kartuschen sammeln und statt an den Hersteller an möglicherweise großzügigere Dritthersteller verkaufen. Denn wie für so viele Dinge, die der Konsument für Müll hält, existiert auch für gebrauchte Tonerkartuschen ein lukrativer Markt.

Das tun sie auch oft bereitwillig – schließlich ist es ihrer Ansicht nach die bessere Alternative zum Weg in den Hausmüll. Den Weg nehmen allerdings trotzdem die meisten gebrauchten Kartuschen. Beispielsweise werden für Laserdrucker von Brother jedes Jahr in Deutschland rund 2,8 Millionen Kartuschen verkauft. Lediglich rund 480.000 davon finden über das Rücknahmesystem des Herstellers wieder den weg zu ihm zurück. Geschätzte 500.000 können Dritthersteller einsammeln. Damit sind immer noch über 1,82 Millionen Kartuschen übrig, deren Verblieb ungeklärt ist.

Das liegt vielleicht auch daran, dass der Verbraucher selber – eben außer einem guten Umweltgewissen – wenig vom Kartuschenrecycling hat. Dafür muss er sich einige Mühe machen, wenn er sie zum Hersteller zurückschicken will. Beim Beispiel Brother kann er entweder die Umverpackung der neu gekauften Kartusche oder eine über www.brother.eu/recycle anzufordernden Versandkarton nutzen. Die bringt er dann in jedem Fall zur Post – wobei der Hersteller entweder über einen den neuen Kartuschen beiliegenden Paketaufkleber oder den Versandkarton die Kosten des Transports übernimmt.

Anlieferung gebrauchter Tonerkartuschen im Brother-Werk in Krupina (Bild: Brother/Armin Weiler).

Ähnlich gehen hier auch andere Hersteller vor. Und auch sie müssen, wie Brother, die verstreut eingehenden Pakete zunächst zentral sammeln – bei Brother geschieht dies im Depot des Dienstleisters TNT in Rotterdam – bevor sie sie dem Recycling zuführen.

Bei Brother geschieht dies seit 2007 für Europa in einem eigens dafür errichteten Werk in der Slowakei. Zuvor waren damit die Mitarbeiter einer Schreibmaschinenfabrik in Wales befasst, deren angestammtes Geschäft auslief. 2007 hat sich der Hersteller aber entschlossen, den Anteil recycelter Kartuschen deutlich zu erhöhen und dafür ein ehemalige Molkerei in der slowakischen Stadt Krupina erworben und umgebaut. Dadurch wurde die Zahl der recycelten Kartuschen von etwa 500.000 pro Jahr auf 1,7 Millionen im Jahr 2012 erhöht.

Ausschlaggebend für die Ansiedlung in der Slowakei war ausnahmsweise nicht eine staatliche Subvention – dafür, so erklärt Carl Bruce, Leiter der Fabrik in Krupina, mit unterschwelligem Bedauern – sei die Anlage zu klein gewesen, sondern die in Europa zentrale Lage, die vernünftige Verkehrsanbindung sowie die qualifizierten Arbeitskräfte und natürlich auch das moderate Lohnniveau.

Im 8000-Einwohnerort Krupina ist Brother nach fünf Jahren mit 260 Angestellten zwar ein wichtiger Arbeitgeber, aber nicht der einzige: Auch der deutsche Möbelhersteller Lind, die britische Supermarktkette und ein Produzent von Minenräumgeräten haben sich hier niedergelassen.

Herzstück des Recyclingbetriebes ist ein 1450 Quadratmeter großer “Clean Room”. Dort werden die angelieferten und vorsortierten Kartuschen gereinigt, aufbereitet und wieder befüllt. Anschließend werden sie kontrolliert, verpackt, versandfertig gemacht und wieder in den Handel gebracht. Verbraucher haben keine Möglichkeit, eine recycelte von einer neu hergestellten Kartusche zu unterscheiden. Das müssen Sie laut Brother auch nicht – schließlich gibt der Hersteller für die aufbereiteten dieselbe Garantie wie für neu hergestellte.

Blick in den 1450 Quadratmeter großen “Clean Room” im Brother-Werk in Krupina (Bild: Brother/Armin Weiler)

Sein Vertrauen in die eigenen Recyclingfähigkeiten unterstreicht er dadurch, dass in Krupina nicht nur Kartuschen aufbereitet, sondern auch neue zusammengesetzt werden. Sie werden dann beim Befüllen vermischt.

Für Brother erfüllt das Werk in Krupina mehrere Funktionen. Einmal hilft es natürlich, den Drittanbietern das Leben schwerer zu machen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Druckerherstellern, die Kartuschen zwar einsammeln, dann aber lediglich sortenrein trennen, schreddern und dann der Widerverwertung zuführen – sie also dem Markt entziehen -bleibt bei Brother die Kartusche also solche aber erhalten.

Das ist auch ein Beitrag zu dem erklärten Umweltengagement des Herstellers. Das unterstreicht er auch, indem er für eingesandte Kartuschen einen bestimmten Betrag an das Projekt CoolEarth spendet, dass damit in Peru den Regenwald aufforstet. Allerdings ist die Wiederaufbereitung von Kartuschen derzeit noch teurer als die Neuproduktion, erklärt Craig McCubbin, Leiter der Managing Director der Brother-Tonerwerke in Europa.

Allerdings rechnet McCubbin damit, dass nun, da die Anlagen aufgebaut und die Prozesse eingespielt sind, die Kosten sinken. Mittelfristig soll dann die Wiederbefüllung einer Kartusche auch für den Hersteller günstiger sein, als eine neu zu bauen. Dazu könnte auch beitragen, dass in absehbarer Zeit vielleicht nicht nur Refiller, sondern auch Hersteller selber intensiver und koordinierter sammeln.

In Frankreich sind sie dazu seit kurzem per Gesetz bereits verpflichtet. Das hat zu einem Sammelsystem geführt, das Kartuschen herstellerunabhängig einsammeln und dann gezielt verteilen soll. Damit wird ein Kostenfaktor – das Einsammeln – durch das dichtere Netz und die bessere Auslastung schon einmal reduziert. Ob und wann ähnliche Vorgaben auch in Deutschland kommen, ist allerdings noch ungewiß.

Andre Borbe

Andre ist Jahrgang 1983 und unterstützte von September 2013 bis September 2015 die Redaktion von silicon.de als Volontär. Erste Erfahrungen sammelte er als Werkstudent in den Redaktionen von GMX und web.de. Anschließend absolvierte er ein redaktionelles Praktikum bei Weka Media Publishing. Andre hat erfolgreich ein Studium in politischen Wissenschaften an der Hochschule für Politik in München abgeschlossen. Privat interessiert er sich für Sport, Filme und Computerspiele. Aber die größte Leidenschaft ist die Fotografie.

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