Ist Streaming legal oder illegal? | Dipl.-Jur. Annika Dam

Die Abmahnwelle rund um RedTube wirft einmal mehr die Frage auf, ob die Nutzung von Streaming-Angeboten legal oder illegal ist. Rechtsanwalt Christian Solmecke überlässt in seiner Rechtskolumne es diesmal seiner Kollegin Annika Damm das Wort, die in einer umfassenden Arbeit die Rechtsfragen rund um Streaming beleuchtet.

Ist das Ansehen illegal hochgeladener Streams für den Nutzer legal? Dieser Beitrag zeigt, warum die beim Streaming entstehenden Kopien im Arbeitsspeicher des Nutzers nach § 44 a Nr. 2 UrhG rechtmäßig sind.

Der Text stammt aus der Masterarbeit Urheberrechtliche Bewertung des Streaming – eine Analyse aus Sicht der Werkverwerter und der Nutzer und wurde von Frau Dipl.-Jur. Annika Dam, LL.M. im Rahmen des weiterbildenden Masterstudiengangs Gewerblicher Rechtsschutz an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf verfasst. Die gesamte Arbeit darf unter der Creative Commons Lizenz CC-BY-NC-ND 4.0 genutzt werden.

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Masterarbeit Streaming - Creative Commons Lizenzvertrag
Urheberrechtliche Bewertung des Streaming – eine Analyse aus Sicht der Werkverwerter und der Nutzer von Frau Dipl.-Jur. Annika Dam, LL.M. ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung – Nicht kommerziell – Keine Bearbeitungen 4.0 International Lizenz.


[…]

(Seite 41 ff.)

Streaming – Rechtfertigung nach § 44 a Nr. 2 UrhG

Da § 44 a Nr. 1 UrhG allein den Vermittler, nicht jedoch den Empfänger einer Datenübermittlung privilegiert, kommt nur eine Rechtfertigung der Vervielfältigung von Dateifragmenten im Computer des Nutzers nach § 44 a Nr. 2 UrhG in Betracht. [1]

Zulässig sind demnach vorübergehende Vervielfältigungs-handlungen, die flüchtig oder begleitend sind (a.) und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen (b.) und deren alleiniger Zweck es ist, eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder eines sonstigen Schutzgegenstandes zu ermöglichen (c.), und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben (d.). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.[2]

Dies dürfte bei rechtmäßig hochgeladenen Streams unproblematisch der Fall sein, da dann zum einen die (konkludente) Zustimmung des Rechteinhabers vorliegt,[3] zum anderen eine rechtmäßige Nutzung durch den Konsumenten stattfindet.

Ob eine Rechtfertigung indes auch in Betracht kommt, wenn es sich um illegal hochgeladene Inhalte handelt, wurde von der Rechtsprechung bislang nicht geklärt. In dem Strafverfahren gegen einen der Hintermänner von kino.to hat das AG Leipzig jedoch festgestellt, dass sich die Nutzer von kino.to nicht auf § 44 a UrhG berufen können.[4] Begründet wurde dies relativ knapp damit,   dass keine rechtmäßige Nutzung vorliege und die Verviel-fältigungshandlung eine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung habe.

Nach diesem Urteil befürchteten viele Nutzer, nun auch in das Visier der Rechteinhaber oder Staatsanwaltschaften zu geraten.[5] Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es sich keinesfalls um eine Grundsatzentscheidung, sondern vielmehr um ein obiter dictum handelte.[6] Gegenstand des Urteils war ausschließlich die Strafbarkeit eines Betreibers von kino.to,[7] die von der Strafbarkeit des Nutzerverhaltens völlig unabhängig ist. Die Aussagekraft des Urteils ist daher für die weitere juristische Diskussion als relativ gering einzustufen.[8] Prozesse gegen die Nutzer illegaler Streaming-Dienste sind bislang – soweit ersichtlich – nicht anhängig (gewesen).

Fraglich ist daher, ob Vervielfältigungen von schutzfähigen Dateifragmenten im Computer des Nutzers die Voraussetzungen des § 44 a UrhG erfüllen. § 44 a UrhG setzt Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG (Info-Richtlinie) um, welcher die einzige für die Mitgliedsstaaten zwingende Schranke des Vervielfältigungs-rechts darstellt.[9] Somit ist § 44 a UrhG richtlinienkonform auszulegen. Die Notwendigkeit dieser Schranke ergibt sich daraus, dass das in Art. 2 der Info-Richtlinie geregelte Vervielfältigungsrecht – und dementsprechend auch § 16 UrhG – sehr weit gefasst ist und somit auch vorübergehende Vervielfältigungen erfasst.[10] Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, nicht sämtliche bei einer Online-Übermittlung urheberrechtlicher geschützter Werke entstehenden Vervielfältigungsvorgänge dem Ausschließlichkeitsrecht des Urhebers zu unterwerfen.[11] In Erwägungsgrund 33 der Info-Richtlinie werden ausdrücklich die typischen Nutzungshandlungen im Internet, nämlich „Browsing“[12] und „Caching“,[13] als nach Art. 5 Abs. 1 privilegierte Handlungen genannt.

a. Vorübergehende und flüchtige oder begleitende Vervielfältigung

Es müsste also zunächst eine vorübergehende Vervielfältigung vorliegen, die flüchtiger oder begleitender Natur ist. Eine Vervielfältigung ist vorübergehend, wenn die Daten nach einer nicht in Gewicht fallenden Dauer automatisch wieder gelöscht werden.[14] Flüchtig ist eine Vervielfältigung dann, wenn sie besonders kurzlebig ist,[15] begleitend ist sie, wenn sie lediglich beiläufig während eines technischen Vorgangs entsteht,[16] insbesondere wenn sie nur einen Zwischenschritt zur eigentlich bezweckten Werknutzung darstellt.[17]

Die beim Streaming-Verfahren entstandenen Vervielfältigungen im Rechner des Nutzers werden sowohl beim On-Demand-Streaming in Form des True-Streaming,[18] als auch beim Live-Streaming[19] automatisch wieder gelöscht. Ob die Löschung bereits nach der Wiedergabe, mit Schließen des Browsers bzw. des Abspielprogramms oder erst mit Herunterfahren des Computers erfolgt, ist von der Art der verwendeten Software und den individuellen Nutzereinstellungen abhängig. Legt man hier eine Löschung spätestens mit Schließen des Abspielprogramms zugrunde, fällt die Dauer der Zwischenspeicherung nicht wesentlich ins Gewicht und es erfolgt eine automatische Löschung der Dateifragmente. In diesen Fällen liegt eine vorübergehende Vervielfältigung vor.

Diese ist, soweit sie sehr kurz ist, auch flüchtig, jedenfalls aber ist sie begleitend, da sie nur stattfindet, um die Datei wahrnehmbar zu machen.[20]

Anders könnten die Fälle zu beurteilen sein, in denen die zwischengespeicherten Dateifragmente erst mit Herunterfahren des Computers gelöscht werden.[21] Der EuGH hat in dem Urteil Infopaq/DDL festgestellt, dass die durch Art. 5 Abs. 1 Info-Richtlinie privilegierten Vervielfältigungen nicht über das hinausgehen dürfen, was für das ordnungsgemäße Funktionieren des technischen Verfahrens erforderlich ist.[22] Wird das Abspielprogramm geschlossen, sind die zwischengespeicherten Dateifragmente nicht mehr für das ordnungsgemäße Funktionieren des technischen Verfahrens, nämlich die Wiedergabe des Streams, erforderlich. Wird eine Streaming-Software verwendet, bei welcher eine Speicherung über diesen Zeitpunkt hinaus erfolgt, liegt daher keine vorübergehende Vervielfältigung vor.[23]

Auch in den Fällen des progressiven Downloads liegt keine vorübergehende Vervielfältigung vor.[24] Hier bleibt die zwischengespeicherte Datei auch nach Schließen des Abspielprogramms dauerhaft erhalten, sodass das Vorliegen einer vorübergehenden Vervielfältigung schon begrifflich ausscheidet.[25]

b. Integraler und wesentlicher Bestandteil eines technischen Verfahrens

Die Vervielfältigung stellt dann einen integralen und wesentlichen Bestandteil eines technischen Verfahrens dar, wenn sie – als eine Art Nebenprodukt[26] – während des technischen Verfahrens anfällt, wobei nicht erforderlich ist, dass sie technisch unabdingbar ist.[27] Sie darf jedoch nicht durch ein völlig anderes technisches Verfahren entstehen, z.B. durch ein zusätzliches Programmfeature.[28]

Die beim Streaming-Verfahren entstehenden Vervielfältigungen sind sogar technisch unabdingbar, da ohne sie eine Wiedergabe nicht möglich wäre.[29] Sie stellen somit einen integralen und wesentlichen Bestandteil des Streaming-Verfahrens dar.[30]

c. Werkgenuss als rechtmäßige Nutzung

Sehr problematisch ist dagegen, ob es alleiniger Zweck der Vervielfältigungshandlung ist, eine rechtmäßige Nutzung des Werkes oder eines sonstigen Schutzgegenstandes zu ermöglichen.

Dies hängt davon ab, wie man den Begriff der „rechtmäßigen Nutzung“ definiert. Entscheidend ist, ob man den Werkgenuss generell – d.h. auch bei rechtswidrig zugänglich gemachten Werken –  als rechtmäßige Nutzung ansieht.

In der Begründung zum Entwurf des § 44 a UrhG wird auf Erwägungsgrund 33 der Info-Richtlinie verwiesen.[31]Danach ist eine Nutzung rechtmäßig, wenn „sie vom Rechtsinhaber zugelassen bzw. nicht durch Gesetze beschränkt ist“.

Da erstere Alternative mangels Zustimmung des Rechteinhabers ausscheidet, kommt nur eine rechtmäßige, im Sinne einer nicht durch Gesetze beschränkten, Nutzung in Betracht. Ob hierunter auch der rezeptive Werkgenuss, d.h. das Ansehen des Streams durch den Nutzer fällt, wird unterschiedlich beurteilt.

aa. Eingreifen einer Schranke

Nach einer Auffassung, soll die Formulierung „nicht durch Gesetze beschränkt“ gleichbedeutend sein mit „durch Schranken gedeckt“.[32] Dies hätte zur Folge, dass der rezeptive Werkgenuss als von vorneherein urheberrechtsfreie Handlung keine rechtmäßige Nutzung i.S.d. § 44 a Nr. 2 UrhG darstellen würde.

Gegen dieses Verständnis wird eingewendet, dass die Regelung dann keinen eigenständigen Anwendungsbereich hätte, da es bei Eingreifen einer Schrankennorm nicht mehr auf § 44 a UrhG ankäme.[33] Dies kann vom Richtlinien- und Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein.

Folge dieser Auslegung wäre zudem, dass der Internetnutzer bei jedem Aufrufen einer Webseite, die urheberrechtswidrige Inhalte enthält, eine Urheberrechtsverletzung durch unerlaubte Vervielfältigung begehen würde.[34] Gerade diese typische Nutzungshandlung des „Browsing“ sollte jedoch privilegiert werden.[35] Zumal der Nutzer vor dem Aufrufen der Seite nicht erkennen kann, ob dort urheberrechtsverletzende Inhalte bereitgehalten werden oder nicht.[36] Häufig wird er dies nicht einmal in Ansehung des Inhalts der Webseite erkennen können.

bb. Generelle Freiheit des rezeptiven Werkgenusses

Andere gehen daher davon aus, dass der rezeptive Werkgenuss immer eine rechtmäßige Nutzung darstellen müsse, da er nicht den Ausschließlichkeitsrechten des Urhebers unterfällt. Der rezeptive Werkgenuss sei daher ebenfalls „nicht durch Gesetze beschränkt“.[37]

Hierfür spricht zunächst die Negativformulierung.[38] Wäre der Begriff der rechtmäßigen Nutzung in den Erwägungsgründen positiv definiert worden (z.B. als „durch Gesetze gestattet“), läge eine Auslegung im Sinne der erstgenannten Ansicht nahe. Da der Richtliniengeber jedoch die Formulierung „nicht durch Gesetze beschränkt“ gewählt hat, ist es gerechtfertigt, auch von vorneherein urheberrechtsfreie Handlungen hierunter zu subsumieren.

Diese Ansicht scheint auch der EuGH zugrunde zu legen.[39] In dem Urteil FAPL/Murphy hat er die Schranke des Art. 5 Abs. 1 lit. b der Info-Richtlinie auf flüchtige Vervielfältigungen angewendet, die beim Empfang von Satellitensendungen für das ordnungsgemäße Funktionieren des Satellitendecoders bzw. des Fernsehbildschirms erforderlich sind.[40]Dort heißt es: „der bloße Empfang dieser Sendungen als solcher, (…) stellt aber keine durch die Regelung der Union oder die des Vereinigten Königreichs beschränkte Handlung dar (…) diese Handlung ist demzufolge rechtmäßig.“ Alleiniger Zweck dieser Vervielfältigungshandlungen sei es daher, eine „rechtmäßige Nutzung” der Werke i.S.v. Art. 5 Abs. 1 lit. b   zu ermöglichen. Diese Argumentation lässt sich auf die                 beim Streaming-Verfahren entstehenden vorübergehenden Vervielfältigungen übertragen.[41] Auch hier ist der Empfang des Streams nämlich nicht durch Gesetze beschränkt und somit rechtmäßig.

Für diese Auslegung wird auch angeführt, dass die Rezeptionsfreiheit auf einem „Stufensystem zur mittelbaren Erfassung des Endverbrauchers“[42] beruhe, welches dem Urheber Vergütungsansprüche gegen die Verwerter zusichert, die die Kosten hierfür wiederum an die Endverbraucher weitergeben.[43]

Hiergegen wird eingewendet, dass sich der Grundsatz der Freiheit des Werkgenusses nur aus einem funktionierenden Stufensystem ableiten kann. Dieses liege jedoch im digitalen Bereich häufig nicht vor, da der Urheber vorgelagerte Verwertungstatbestände, wie etwa die öffentliche Zugänglichmachung, mangels Greifbarkeit des Anbieters praktisch nicht durchsetzen kann.[44]

Dieses Argument offenbart die Schwäche der Auffassung, die eine generelle Freiheit des rezeptiven Werkgenusses annimmt. Wenn der rezeptive Werkgenuss nämlich immer eine rechtmäßige Nutzung darstellt, hätte der Urheber keine Möglichkeit, rechtsverletzende Online-Streams zu unterbinden. Die Anbieter verstecken sich hinter .to-Domains und ausländischen Servern, der Nutzer handelt rechtmäßig. Dennoch kann dieses Durchsetzungsdefizit nicht dazu führen, nun „ersatzweise“ den Nutzer in die Haftung zu nehmen.[45]

Letztlich muss auch die Parallele zum analogen Werkgenuss gezogen werden.[46] Wenn das Anhören einer rechtwidrig kopierten CD keine Urheberrechtsverletzung darstellt, muss dies auch für das Anhören eines rechtwidrig zugänglich gemachten Streams gelten.[47] Auch dies spricht dafür, den rezeptiven Werkgenuss immer als rechtmäßige Nutzung zu qualifizieren.

cc. Parallele zu § 53 Abs. 1 S. 1 a. E. UrhG

Um den Urheber bei der Verteidigung gegen rechtswidrige Online-Streams nicht faktisch rechtslos zu stellen, zieht eine weitere Ansicht einen Vergleich zu § 53 Abs. 1 S. 1 a. E. UrhG heran. So soll bei offensichtlich rechtswidrigen Vorlagen keine rechtmäßige Nutzung mehr vorliegen, sodass eine Rechtfertigung nach § 44 a Nr. 2 UrhG ausscheidet.[48]

Diese Auffassung hat freilich etwas für sich, da sie versucht, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Urhebers und denen des Nutzers zu finden. Der Nutzer ist bei offensichtlich rechtswidrigen Angeboten auch nicht schutzbedürftig.

Dennoch gibt die geltende Rechtslage eine solche Übertragung nicht her. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG knüpft ausdrücklich an die Rechtmäßigkeit der Vorlage; § 44 a Nr. 2 UrhG dagegen an die Rechtmäßigkeit der Nutzung an.[49] Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Freiheit des Werkgenusses auch in anderen Fällen nicht von der Rechtmäßigkeit der verwendeten Quelle abhängig gemacht.[50] Für eine Übertragung des Rechtsgedanken des § 53 Abs. 1 S. 1 auf § 44 aNr. 2 UrhG lässt sich daher kein Anhaltspunkt im Gesetz finden.[51]

dd. Zwischenergebnis

Nach der geltenden Gesetzeslage ist der rezeptive Werkgenuss generell, also auch bei rechtswidrig zugänglich gemachten Werken, als rechtmäßige Nutzung zu qualifizieren.[52] Ob dieses Ergebnis aus rechtspolitischer Sicht wünschenswert ist, ist eine andere Frage.[53]

d. Keine eigene wirtschaftliche Bedeutung

Die Vervielfältigung dürfte darüber hinaus auch keine eigene wirtschaftliche Bedeutung haben. Zweck dieses Tatbestandsmerkmals ist es, das Partizipationsinteresse des Urhebers angemessen zu berücksichtigen.[54] Eine eigene wirtschaftliche Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn durch die Vervielfältigung ein zusätzlicher wirtschaftlicher Vorteil geschaffen wird, der über den Vorteil hinausgeht, der durch die an sich erlaubte Nutzung besteht.[55] Die Vervielfältigung darf somit keine neue, eigenständige Nutzungsmöglichkeit eröffnen.[56]

Die beim Streaming-Verfahren entstehenden Zwischen-speicherungen sollen nach teilweise vertretener Ansicht bereits deshalb eine eigene wirtschaftliche Bedeutung haben, da es ohne sie nicht möglich ist, den Inhalt verzögerungsfrei anzubieten.[57]

Dieses Argument kann jedoch nicht überzeugen. Die eigene wirtschaftliche Bedeutung kann nicht allein damit begründet werden, dass durch die Vervielfältigung eine Zugangsmöglichkeit zum Werk entsteht.[58] Hierfür spricht auch die Argumentation des EuGH in dem Urteil FAPL/Murphy.[59] Dort heißt es in Bezug auf flüchtige Vervielfältigungen, die für den Empfang von Satellitensendungen erforderlich sind: „Da diese Werke einen wirtschaftlichen Wert besitzen, hat der Zugang zu ihnen zwangsläufig eine wirtschaftliche Bedeutung. Um jedoch der Ausnahme des Art. 5 Abs. 1 der UrheberrechtsRL nicht ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen, muss die wirtschaftliche Bedeutung in dem Sinne eigenständig sein, dass sie über den wirtschaftlichen Vorteil, der durch den bloßen Empfang einer Sendung mit geschützten Werken entsteht, d.h. über den Vorteil, der sich aus der bloßen Erfassung der Sendung und ihrer visuellen Darstellung ergibt, hinausgeht.“[60] Somit hat nach der EuGH-Rechtsprechung allein der Zugang zum Werk keine eigene wirtschaftliche Bedeutung.

Andere sehen die eigene wirtschaftliche Bedeutung darin, dass der Inhalt – zumindest beim On-Demand-Streaming – beliebig vor- und zurückgespult oder neu gestartet werden kann.[61] Auch diese Begründung ist aus o.g. Gründen abzulehnen. Das Vor- und Zurückspulen bzw. Neustarten des Streams ist als natürlicher Bestandteil der Wiedergabe des Werkes anzusehen und kann daher keine eigene wirtschaftliche Bedeutung begründen.[62]

Ein weiteres Argument, welches für das Vorliegen einer eigenen wirtschaftlichen Bedeutung angeführt wird, ist, dass ein Kopieren der Datei aus dem Arbeitsspeicher möglich ist, die auch nach Schließen des Browsers oder Herunterfahren des Computers bestehen bleibt und beliebig weiterverwendet werden kann.[63] Dies ist allerdings lediglich im Fall des progressiven Downloads[64] technisch zutreffend und berücksichtigt darüber hinaus nicht, dass die Kopie aus dem Arbeitsspeicher an einen anderen Speicherort eine erneute Vervielfältigung voraussetzt, deren urheberrechtliche Zulässigkeit separat zu betrachten ist.[65] Allein die Möglichkeit, dass der Nutzer durch eine weitere urheberrechtlich relevante Handlung eine Urheberrechtsverletzung begehen könnte, reicht daher nicht aus, um die eigene wirtschaftliche Bedeutung der Vervielfältigung zu begründen.[66] Eine Rechtfertigung nach § 44 a Nr. 2 UrhG scheitert im Fall des progressiven Downloads ohnehin schon daran, dass keine vorübergehende Vervielfältigung vorliegt.[67]

Für das Fehlen einer eigenen wirtschaftlichen Bedeutung spricht auch der Vergleich zu dem in Erwägungsgrund 33 der Info-Richtlinie formulierten  Zweck des Art. 5 Abs. 1, das „Browsing“ zu privilegieren.[68] Dem Richtliniengeber ging es offensichtlich darum, die effiziente Nutzung von Internetinhalten zu ermöglichen.[69] Aus diesem Grunde ist nicht ersichtlich, warum temporäre Vervielfältigungen im Arbeitsspeicher, die beim Surfen auf einer Internetseite (sog. „Browsing“) entstehen, anders behandelt werden sollen als solche, die beim Streaming einer Mediendatei entstehen.[70] In beiden Fällen steht eine effiziente Nutzung von Medieninhalten im Vordergrund, sodass eine unterschiedliche Behandlung angesichts der Wesensähnlichkeit beider Nutzungshandlungen nicht zu rechtfertigen ist.[71]

Die vorübergehenden Vervielfältigungen im Nutzerrechner haben somit auch keine eigene wirtschaftliche Bedeutung und sind insgesamt nach § 44 a Nr. 2 UrhG gerechtfertigt.[72]


[1] Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170, 172; Busch, GRUR 2011, 496, 501.

[2] Vgl. EuGH GRUR 2009, 1041, Tz. 55 – Infopaq I; EuGH MMR 2013, 45, Tz. 26 – Infopaq II; Spindler, GRUR 2002, 105, 111.

[3] S.o. S. 34 f.

[4] AG Leipzig, Urt. v. 21.11.2011 – 200 LS 390 JS 184-11.

[5] http://www.golem.de/news/premiumnutzer-nutzern-von-kino-to-drohen-strafverfahren-1202-89727.html (zuletzt abgerufen am 30.07.2013).

[6] Vgl. auch Spielkamp unter: http://irights.info/2011/12/23/verletzen-nutzer-von-streaming-plattformen-das-urheberrecht/3386 (zuletzt abgerufen am 30.07.2013); so auch Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170.

[7] Dazu unter D.

[8] So auch Stadler unter: http://www.internet-law.de/2011/12/sreaming-von-urheberrechtswidrigem-content-strafbar.html (zuletzt abgerufen am 30.07.2013).

[9] Wandtke/Bullinger/v. Welser, § 44 a UrhG Rn. 1; Dreier/Schulze/Dreier,       § 44 a UrhG Rn. 1.

[10] Wandtke/Bullinger/v. Welser, § 44 a UrhG Rn. 1.

[11] Dreier/Schulze/Dreier, § 44 a UrhG Rn. 1.

[12] Wiedergabe von Webseiten beim Surfen im Internet.

[13] Zwischenspeicherung von Daten im Nutzerrechner (Client-Caching) oder auf einem Proxy-Server (Proxy-Caching).

[14] Dreier/Schulze/Dreier, § 44 a UrhG Rn. 4; Radmann, ZUM 2010, 387, 390.

[15] Busch, GRUR 2011, 496, 501; Stolz, MMR 2013, 353, 355 f.; Wandtke/Bullinger/v. Welser, § 44 a UrhG Rn. 2.

[16] Wandtke/Bullinger/v. Welser, § 44 a UrhG Rn. 2.

[17] Busch, GRUR 2011, 496, 501; Stolz, MMR 2013, 353, 355.

[18] Vgl. B./II./2.

[19] Vgl. B./I.

[20] Stolz, MMR 2013, 353, 356; Busch, GRUR 2011, 496, 501.

[21] So Stieper, MMR 2012, 12, 15.

[22] EuGH GRUR 2009, 1041, Tz. 61 – Infopaq/DDL.

[23] Stieper, MMR 2012, 12, 15; a.A. Busch, GRUR 2011, 496, 501 der auch eine Speicherung über mehrere Tage noch als vorübergehend ansieht.

[24] Vgl. zum progressiven Download B./II./1.

[25] Stieper, MMR 2012, 12, 15; Busch, GRUR 2011, 496, 501; Radmann, ZUM 2010, 390.

[26] Vgl. Wandtke/v. Gerlach, GRUR 2013, 676, 679.

[27] Wandtke/Bullinger/v.Welser, § 44 a UrhG Rn. 7; Schricker/Loewenheim,       § 44 a UrhG Rn. 6; Spindler, GRUR 2002, 105, 111.

[28] Dreier/Schulze/Dreier, § 44 a UrhG Rn. 6; Wandtke/v. Gerlach, GRUR 2013, 676, 679.

[29] Stolz, MMR 2013, 353, 356; Busch, GRUR 2011, 496, 501; Wandtke/v. Gerlach, GRUR 2013, 676, 679.

[30] Gercke, ZUM 2012, 625, 635; Busch, GRUR 2011, 496, 501; Stolz, MMR 2013, 353, 356; Wandtke/v. Gerlach, GRUR 2013, 676, 679; Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170, 173.

[31] BT-Drucks. 15/38, S. 18.

[32] In diesem Sinne: Dreier/Schulze/Dreier, § 44 a UrhG Rn. 8; Fromm/ Norde-mann, § 44 a UrhG Rn. 5; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 420; Radmann, ZUM 2010, 387, 391.

[33] Busch, GRUR 2011, 496, 502; Stolz, MMR 2013, 353, 356; Mitsdörffer/ Gut-fleisch, MMR 2009, 731, 733;Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 681.

[34] Busch, GRUR 2011, 496, 502.

[35] Vgl. Erwägungsgrund 33 der Informationsrichtlinie (2001/29/EG).

[36] Busch, GRUR 2011, 496, 502.

[37] Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 681; Mitsdörffer/Gutfleisch, MMR 2009, 731, 733.

[38] Vgl. Mitsdörffer/Gutfleisch, MMR 2009, 731, 733.

[39] Stieper, MMR 2012, 12, 15; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, § 44 a UrhG Rn. 15.

[41] Stieper, MMR 2012, 12, 15; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Dreyer, § 44 a UrhG Rn. 15; a.A. Wandtke/v. Gerlach, GRUR 2013, 676, 681.

[42] Vgl. BVerfG NJW 1971, 2167 – Private Tonträgervervielfältigung.

[43] Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 681.

[44] Busch, GRUR 2011, 496; in diese Richtung argumentieren auch Wandtke/v. Gerlach, GRUR 2013, 676, 680 ff.

[45] Stolz, MMR 2013, 353, 357.

[46] Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 681; auch  Wandtke/v. Gerlach, GRUR 2013, 676, 681 ziehen dies in Erwägung, lehnen aber eine Vergleichbarkeit letztlich mit dem Argument des enormen Ausmaßes rechtswidriger Nutzungen im digitalen Bereich ab.

[47] Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 681.

[48] Busch, GRUR 2011, 496, 502 f.

[49] Stolz, MMR 2013, 353, 356; Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170.

[50] Stieper, MMR 2012, 12, 15; als Beispiel kann auch hier das Anhören einer rechtswidrig kopierten CD genannt werden.

[51] Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170, 174.

[52] So i.E. auch: Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 681; Mitsdörffer/ Gutfleisch, MMR 2009, 731, 733; Stolz, MMR 2013, 353, 355 f.; Stieper, MMR 2012, 12, 14.

[53] Dazu sogleich unter E.

[54] Dreier/Schulze/Dreier, § 44 a UrhG Rn. 9; Mitsdörffer/Gutfleisch, MMR 2009, 731, 733.

[55] Dreier/Schulze/Dreier, § 44 a UrhG Rn. 9 m. Verweis auf EuGH MMR 2011, 817, Tz. 177 – FAPL/Murphy.

[56] Dreier/Schulze/Dreier, § 44 a UrhG Rn. 9; Radmann, ZUM 2010, 387, 390; Wandtke/v. Gerlach, GRUR 2013, 676, 682; Stolz, MMR 2013, 353, 356; Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 680.

[57] Bott/Conrad/Joachim/Nordemann/Pilla, GRUR Int. 2011, 905, 912.

[58] Stieper, MMR 2012, 12, 16.

[59] EuGH MMR 2011, 817 – FAPL/Murphy.

[60] EuGH MMR 2011, 817, Tz. 174 f. – FAPL/Murphy.

[61] Radmann, ZUM 2010, 387, 390 f.

[62] Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170, 174; so auch Stieper, MMR 2012, 12, 16.

[63] Radmann, ZUM 2010, 387, 391.

[64] Vgl. B./II./1.

[65] Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170, 174.

[66] Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170, 174; Stieper, MMR 2012, 12, 16.

[67] Vgl. unter D./II./2./a.

[68] Stolz, MMR 2013, 353, 356.

[69] In diesem Sinne auch: EuGH MMR 2011, 817, Tz. 164 – FAPL/Murphy.

[70] Busch, GRUR 2011, 496, 502.

[71] Stolz, MMR 2013, 353, 356; Busch, GRUR 2011, 496, 502.

[72] So i.E. auch: Stolz, MMR 2013, 353, 356; Fangerow/Schulz, GRUR 2010, 677, 680 f.; Stieper, MMR 2012, 12, 16;Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170, 174.