Große Sprüche zu Big Data

Holm Landrock musste viele Präsentationen über Big Data über sich ergehen lassen. Gott sei Dank, hat er in den richtigen Momenten die besten Worthülsen für die Nachwelt festgehalten. Zum Start ins neue Jahr machen wir aus silicon.de daher heute nochmal einen kleinen Ausflug in die bunte Welt von Berater-Sprech und Präsentationslyrik, die auch vor großen Themen wie Big Data nicht halt machen.

Als Advisor halten wir im Jahresverlauf eine Vielzahl von Vorträgen zu den unterschiedlichsten Themenbereichen. Zu unserer Analyse- und Research-Tätigkeit gehören aber auch Analyst Briefings und Veranstaltungen u.a. von Big-Data-Anbietern, bei denen wir wichtige Erkenntnisse und Informationen erhalten.

Es gibt aber eben auch Präsentationen und Statements, die wesentlich zur Erheiterung beitragen …

Sicherlich hatte jeder schon einmal das Gefühl, nichts von dem zu verstehen, was bei einem Briefing an die Leinwand gebeamt wird (auch einige Analystenvorträge vermitteln manchmal wahrscheinlich ein solches Bild – wir wollen uns da gar nicht ausnehmen). Manchmal hat man tatsächlich aber auch das Gefühl, man solle gar nichts verstehen. Aber wir sind da nicht allein. Denn auch die Vortragenden wissen mitunter nicht, worum es auf den Folien geht. Und es gibt Momente, in denen dem Publikum ganz offen gesagt wird, was Sache ist.

Dann heißt es:

„This chart is not for you to understand.
It just says we spent a lot of money into this.“

Wir wissen ja, dass einige Foliensätze mit der heißen Nadel gestrickt sind und mitunter geht es einem auch so. Lustig wird es, wenn dann Folien gezeigt werden, die entweder gar nicht gezeigt werden sollen oder zu denen der Vortragende mangels Sachkundigkeit nichts zu sagen hat.

Das Streben nach Profit ehrt jedes Unternehmen. Und deshalb kann in einem Analystenbriefing ruhig auch mal Tacheles gesprochen werden. Warum also einen Rückzieher machen wie dieser Präsentator:

„We want to upsell products – wait, no, uhm, uh, ah –
we want to improve customer satisfaction.“

Immer lässig, immer cool, nicht immer souverän.

Es gibt aber auch andere Kuriositäten: So berichtete ein australischer IT-Service-Anbieter, dass seine Rechenzentren für große, unternehmenskritische Aufgaben trotz der gelegentlich auftretenden schweren Überschwemmungen in der Region (Dank der Technik eines bestimmten ICT-Herstellers) keine Downtime hätten durchmachen müssen. Nicht erklärt wurde, wieso kritische Rechenzentren überhaupt in den Überschwemmungsgebieten gebaut werden. Das ist natürlich auch eine Anregung für Anwender hierzulande, wo sich Hochwasser in Gegenden häufen, die lange Zeit verschont blieben (zum Beispiel an der Elbe, wo u.a. die industrielle Nutzung des Flusswassers deutlich zurückgegangen ist).

Eine nette Anmerkung brachte der australische Anbieter dann auch noch:

„Because of the desasters we allowed BYOD“.

Auch das dient als Anregung: Wo die IT-Infrastruktur katastrophengefährdet ist, verlagere man also die Verantwortung für die Geschäftsfähigkeit des Unternehmens auf die Mitarbeiter. Pragmatischer Ansatz von „Down Under“.

Manchmal versteigen sich einige Anbieter auch zu abenteuerlichen Aussagen. So sagte ein weltweiter Anbieter von Kommunikationslösungen auf seiner Jahresanwenderkonferenz sinngemäß, dass die Welt den arabischen Frühling seiner hervorragenden Netzwerktechnik zu verdanken hätte. Solche Aussagen gipfeln dann auch schon einmal in globalen Erkenntnissen wie:

„Mit durchschnittlichen (ICT-)Lösungen kann Deutschland
im Weltmarkt nicht vorankommen.“

Auch sprachlich stehen einige Sprecher noch vor Herausforderungen. So hat ein Big Data Customer-Testimonial (um es mal auf Neudeutsch zu formulieren) in seinem Vortrag folgenden Kalauer postuliert:

„Wir haben dazu ein Buch geschrieben,
wo im Handel nicht erhältlich ist.“

Das ist sicherlich eine gute Idee.

Auch in Gleichnissen verrennen sich manche Experten, wenn es um die Komplexität von Big-Data-Szenarien geht. Da gibt es dann auch schon einmal Nervenzellen, die auf dem Schaubild offensichtlich „atmen“, wobei der stolze Kommentar dazu lautet:

„Aus Nervenzellen werden Universen!“

Das ist eine Theorie, die in der Physik allerdings noch nicht so richtig angekommen zu sein scheint.

Gern erläutert man auch Statistiken – ein glattes Parkett:

„Deutschland ist die robusteste Wirtschaft weltweit.
China ist nur größer, weil sie dort mehr Köpfe haben.“

Derzeit sind es übrigens 16,75 mal soviele Köpfe. Immerhin. Statistik kann man auch ganz einfach vermitteln. Man muss auch nicht immer Äpfel mit Birnen vergleichen. Das geht viel größer, beispielsweise wenn es um die Komplexität von Projekten geht:

„Ab Fehler Nummer 50 muss man einen Case aufmachen.
Aber bei welchem Produktpreis – das ist doch eine komplexe Sache,
ob es sich um den 50. fehlerhaften Flugzeugträger oder
um die 50. fehlerhafte Butterdose handelt.”

Ja, das ist nicht nur eine Sache des Produktpreises, sondern auch der Losgröße.

Auch das Enterprise-IT ganz klar in den Investitionsgüterbereich gehört, ist den Beteiligten klar. Doch wenn man ein Bundle aus Hardware und vordefinierter Software als “Appliance” anbietet, sind die Anwender oft an einem Preispunkt interessiert. Aber da hilft teilweise kein Bohren beim Produktmanagement und kein Nachfragen bei der Geschäftsführung. Die Antwort des Geschäftsführers lautete im Zweifelsfalle:

„Es ist mir egal, wieviele achtzig- oder
hunderttausende Euro das kostet.”

Da fragen sich die Anwender zu Recht, ob die Preise an der Brieftasche des Anwenderunternehmens bemessen werden. Wie auch immer: Auch wenn die Preisregionen für diese Lösung heute bekannt sind, bleibt die Ermittlung oft immer noch kryptisch, auch wenn eine klare Referenzarchitektur benannt wird.

Ein schönes Schlusswort für diesen letzten Newsletter-Beitrag für 2013 zum Thema „Big Data” liefert dann ein Manager eines anderen ICT-Konzerns:

„Wenn wir auf die Consultants hören, merken wir,
dass wir uns von unseren Kernkompetenzen entfernen.
Ich will neue Ideen auf dem Tisch.“