Winfried Holz

Winfried Holz ist Chief Executive Officer (CEO) von Atos Deutschland. In zahlreichen Gremien engagiert er sich für den IT- und Wirtschaftsstandort Deutschland.

Wie normal ist die IT-Branche?

Dass die CeBIT sich von einer Partymeile zu einer Fachmesse zurückentwickelt ist in den Augen von Winfried Holz, CEO von Atos Deutschland, kein Schaden. Es zeige sich aber an diesem Beispiel, dass die IT vielmehr auf dem Boden der Tatsachen angekommen ist, was aber nicht bedeute, dass hier keine Innovationen entstehen. Im Gegenteil.

Anfang dieses Jahres hat Atos zusammen mit der Gewerkschaft IG Metall und dem Arbeitgeberverband Metall NRW den ersten Flächentarifvertrag für IT-Dienstleister abgeschlossen. Nicht zuletzt die Integration der Siemens IT Solutions & Services im Jahr 2011 hat die Harmonisierung der unterschiedlichen Arbeitsverträge unserer Mitarbeiter notwendig gemacht. Es handelt sich um eine Herausforderung, die jeden IT-Dienstleister betrifft, der im Rahmen von Outsourcing-Verträgen Mitarbeiter des Kunden übernimmt und im eigenen Unternehmen integriert. Durch Personalübernahmen entsteht häufig ein Flickenteppich an unterschiedlichen Vereinbarungen beispielsweise bei der Wochenarbeitszeit, bei Einkommenskategorien oder der Überstundenvergütung. Diese Rahmenbedingungen haben wir durch den bundesweit geltenden Flächentarifvertrag vereinheitlicht und transparent gemacht. Alle heutigen und künftigen Mitarbeiter bekommen damit eine größere Planungssicherheit. Und auch für unsere Kunden bedeutet dies mehr Verlässlichkeit durch einen soliden und berechenbaren Partner.

Wir sind Vorreiter auf diesem Weg, gehen aber davon aus, dass wir auf Dauer nicht das einzige Unternehmen bleiben werden, das solche Regelungen übernimmt. Denn die IT-Branche ist erwachsen, sprich “normal” geworden. Etwas provokant formuliert: Wir sind nicht mehr die Branche der jungen, hippen Studienabbrecher, die mit ihren autodidaktisch erworbenen technischen Fähigkeiten eine Schneise der kreativen Zerstörung in der Wirtschaft und im Leben der Menschen hinterlassen und sich auf der CeBIT mit ständig steigenden Besucherzahlen feiern lässt.

Die CeBIT ist das beste Beispiel für den Reifeprozess der IT-Branche: Nach den riesen Zuwachsraten bis zum Beginn des Jahrtausends nehmen die Besucherzahlen seit einigen Jahren kontinuierlich ab: In diesem Jahr wird die Messe darüber nicht mehr am Wochenende stattfinden, das heißt, es wird nicht mehr ernsthaft um Endverbraucher geworben. Für die Branche ist das keine negative Entwicklung – im Gegenteil: Diese Leitmesse der Branche wird wieder zu einer richtigen Fachmesse, auf der die IT-Unternehmen praxisnahe Angebote machen, die sich mehr an ihre Kunden richten und weniger an eine sensationssuchende Öffentlichkeit.

Die IT-Branche wird also leiser und „unspektakulärer“ – so wie es viele anderen, etablierten Branchen auch sind. Das ist keine Abwertung, sondern damit werden wir sogar noch besser als wir es bislang schon waren: Indem wir uns viel weniger mit den Fragen beschäftigen, welche öffentlichkeitswirksame, revolutionäre Erfindung wir machen sollen, können wir uns mehr auf die Frage konzentrieren, welche Lösungen unsere Kunden brauchen und zu Recht von uns erwarten. Das bedeutet nicht, dass von der IT keine Innovationen zu erwarten sind. Im Gegenteil, wir werden weiterhin neue Technologien und Konzepte wie Cloud-Lösungen, Analyse-Techniken für große Datenmengen oder neue Server-Systeme entwickeln, teilweise mit großen Auswirkungen auf das Leben der Menschen, aber eben nicht mehr so lautstark wie bisher. Die digitale Vernetzung von Autos sei hier nur als ein aktuelles Beispiel genannt.

Genau vor diesem Hintergrund haben wir den Tarifvertrag abgeschlossen: Wir wollen nicht eine spektakuläre Einzelaktion starten, sondern ein transparenter und berechenbarer Arbeitgeber und Dienstleister in einer normalen Branche sein.  Daher sind wir auch auf einer „normalen“ Fachmesse, nämlich der CeBIT 2014 – auf der Bitkom World 2014. Kommen Sie vorbei!