Optic Nerve: US-Geheimdienste spionieren über Webcams

Alle fünf Minuten hatten Geheimdienste ein Bild aus einem Video-Chat aufgenommen. Anschließend wurden die Aufnahmen mit einer Fahndungsdatenbank abgeglichen. Yahoo erklärt, von den Aufnahmen nichts gewusst zu haben.

Videochats von Millionen Nutzern des Yahoo Messengers haben der britische Geheimdienst GCHQ zusammen mit der NSA abgefangen, gespeichert und ausgewertet.  Dafür nutzten die beiden Geheimdienste das Spionageprogramm Optic Nerve.  Wie die britische Tageszeitung Guardian unter Berufung auf von Edward Snowden stammende Dokumente berichtet sollen die Dienste in den Jahren zwischen 2008 und 2010 – möglicherweise aber auch noch bis 2012 – weitgehend wahllos Bilder von den Webcams Nutzer abgegriffen haben .

Informationen von Edward Snowden private Videochats wahllos ausgewertet haben.
Der Yahoo-Messenger: Der britische und amerikanische Geheimdienst soll laut Informationen von Edward Snowden private Videochats wahllos ausgewertet haben.

Alle fünf Minuten hätten die Geheimdienste demnach ein Bild aufgenommen. Auf diese Weise sollten Gesichter der Personen mit einer Datenbank von Verdächtigen oder Gesuchten abzugleichen werden. Allerdings wurden die Bilder auch dann massenhaft abgespeichert, wenn gegen die Aufgenommenen nichts vorlag. Dem Guardian zufolge wurde allein 2008 binnen sechs Monaten mehr als 1,8 Millionen Bilder von Yahoo-Nutzern weltweit gespeichert.

Yahoo erklärte gegenüber dem Guardian, nichts von dem Spähprogramm gewusst zu haben und beschuldigte die Geheimdienste, damit eine besonders verwerfliche Verletzung der Privatsphäre seiner Nutzer begangen zu haben. Das Unternehmen hat sich bereits früher besonders heftig gegen Schnüffeleien gewehrt und sogar bereits eine Klage angestrengt.

Aus den Dokumenten, die dem Guardian vorliegen, geht auch hervor, dass der GCHQ ständig bemüht war, die offenbar beträchtliche Menge von Bildern mit sexuellen Inhalten von den Mitarbeitern fernzuhalten. An anderer Stelle ist davon die Rede, dass drei bis elf Prozent der Bilder “unerwünschte Nacktaufnahmen” gewesen sind. Herkömmliche Porno-Filter erwiesen sich aber als unpraktikabel, da sie den prozentualen Anteil nackter Haut auf einem Bild messen – was bei Porträtaufnahmen natürlich zum Scheitern verurteilt ist.

Das wuchs sich offenbar zu einem echten Problem für die Schnüffler aus: “Unglücklicherweise … scheint es so zu sein, das seine überraschend große Zahl an Menschen die Kommunikation via Webcam dazu benutzt, der anderen Person den Schambereich seines Körpers zu zeigen. Auch die Tatsache, dass die Yahoo-Software es ermöglicht, einen Webcam-Stream mehr als einer Person zu zeigen, ohne dass ein Rückkanal vorhanden sein muss führt dazu, dass sie manchmal offenbar dafür genutzt wird, Pornographie zu verbreiten”, zitiert der Guardian aus einem Bericht der entrüsteten Geheimdienstler.

Andererseits finden sich nur wenige Hinweise auf Bedenken, diese Bilder unter Verletzung der Privatsphäre von Millionen von Menschen aufzuzeichnen und zu speichern. Der Dienst bemühte sich, möglichst wenig Mitarbeitern die Gesichter der Ausgespähten vor Augen zu führen und begrenzte die Suche auf mit den Bildern verknüpfte Metadaten.

Allerdings seien Geheimdienstmitarbeitern Gesichter von Menschen mit ähnlichen Nutzernamen gezeigt worden, wodurch auch zahllose völlig Unschuldige und Unbeteiligte betroffen waren. Ursprünglich hatte man mit der Schnüffelei, die an den auch sonst von den Geheimdiensten angezapften Netzwerkknoten ansetze, begonnen, da Dokumente nahelegte, das vom GCHQ gesuchte Personen Yahoos Messenger nutzen.

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