World Wide Web – Das kommt nach den ersten 25 Jahren

Sir Tim Berners-Lee. (Bild: w3.org)

In den 25 Jahren seines Bestehens hat das World Wide Web Gräben in der Gesellschaft aufgeworfen, Kommunikationsgewohnheiten und sogar ganze Wirtschaftszweige umgekrempelt. Auch was wir unter Privatsphäre verstehen, hat sich völlig verändert. In den nächsten Jahren kommt aber noch einiges auf uns zu. ZDNet nennt die acht wichtigsten Trends.

Das World Wide Web gehört zu den einschneidenden Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte. An einem ganz normalen Tag kann es uns Zugriff auf ein Meer von Informationen geben – ausgehend von einem simplen Suchfeld. Es zeigt uns Schnappschüsse aus dem Leben von Freunden und Familienmitgliedern weltweit, bietet kostenlos Zugang zu Bildung und macht es möglich, Solarprojekte per Crowdfunding zu finanzieren, die sich nicht einmal ein Staat leisten kann. Das Internet hilft aber auch, Nahrungsmittel neu zu verteilen, die sonst weggeworfen worden wären, und kann dazu beitragen, korrupte Herrscher aus dem Amt zu jagen. Nicht übel, für einen 25-Jährigen.

Es ist jetzt ein Vierteljahrhundert her, dass Tim Berners-Lee das Konzept des World Wide Web vorgestellt hat. Obwohl es auf dem Internet aufsetzt – das seine Ursprünge ein paar Jahrzehnte früher hat -, war es letztlich das WWW, das die Welt verändert hat. Heute werden beide Begriffe praktisch synonym verwendet.

Anlässlich des 25. Geburtstags des WWW stellt das Pew Research Internet Project eine Reihe von Studien vor, die den Einfluss des Netzes deutlich machen – und seine Zukunft skizzieren. Zum Jahrestag von Tim Berners-Lees Vorschlag, das WWW zu entwickeln, hat das Zentrum einen Bericht mit dem Titel “Digitales Leben im Jahr 2025” veröffentlicht.

Dafür wurden zunächst 2558 Technikexperten dazu befragt, wie sich das Internet in den kommenden Jahren weiterentwickeln wird. Diese Aussagen wurden wiederum auf Muster und originelle Kommentare überprüft.

Die Aussagen, die Pew herausgestellt hat, reichen von einer kleinen Nabelschau über Panikmache bis hin zu grenzenlos optimistischem Gesabbel. Es lohnt sich, den vollen Bericht zu lesen, die spannendsten Ideen haben wir aber zusammengefasst.

1. Das Ende des “Online-Gehens”

“Das Internet wird sich von dem Ort, an dem wir Katzenvideos finden, in eine Hintergrundfunktion verwandeln, die sich nahtlos in unseren Lebensalltag einfügt”, sagt Joe Touch, Leiter des Instituts für Informationswissenschaft der University of Southern California. “Wir werden nicht mehr darüber nachdenken, ‘online zu gehen’ oder etwas ‘im Internet nachzuschauen’ – wir werden einfach online sein und einfach nachschauen.”

2. Ein Armaturenbrett des Lebens

“Wenn die Kosten, Informationen über praktisch jede Interaktion zu sammeln, auf Null fallen, verändert das die Schlüsse maßgeblich, die wir aus unserem Verhalten und dem von anderen ziehen. Es verändert auch, wie wir mit anderen in Beziehung treten, mit Institution und der Zukunft selbst”, sagt Patrick Tucker, Autor des Buchs “The Naked Future”. “Wir werden uns über die Konsequenzen unseres Handelns viel bewusster sein; wir werden unser Verhalten schneller und intelligenter anpassen.”

Die Zahl der mobilen Internutzer in Deutschland hat sich 2013 um 43 Prozent erhöht (Grafik: Statista).
Die Zahl der mobilen Internutzer in Deutschland hat sich 2013 um 43 Prozent erhöht (Grafik: Statista).

 

3. Eine Welt aus Datenschichten

“Wir werden uns daran gewöhnen, die Welt durch verschiedene Datenschichten zu sehen”, sagt Daren C. Brabham, Journalismus-Professor an der University of Southern California. “Das wird unser Sozialverhalten verändern: Beziehungen, Bewerbungsgespräche, professionelles Netzwerken, das Spielen von Computerspielen ebenso wie Polizeiarbeit und Spionage.”

4. Mit Störfaktoren umgehen

“Natürlich werden sich einige falsch verhalten, die Schwachstellen organisatorischer Strukturen und Spielsysteme für ihre Zwecke ausnutzen”, sagt Doc Searls, Leiter von ProjectVRM in Harvards Berkman Center for Internet and Society. “Organisationen werden weiterhin versuchen, negative Auswirkungen zu rationalisieren, wie wir es schon heute sehen – wenn es etwa um all die verschwendeten Werbebotschaften geht, die die Internetleitungen verstopfen, oder um Bots, die im selben Geschäft mitspielen wollen. Die Gesellschaft bewältigt Störfaktoren, indem sie Sitten, Normen, Gesetze und Regulierungen entwickelt. Darauf können wir uns in den kommenden Jahren einstellen.”

60 Prozent der Deutschen Internetsurfer mißtrauen dem Datenschutz US-Amerikanischer Anbieter mehr als vor den Snowden-Veröffentlichungen (Quelle: 1&1).
60 Prozent der Deutschen Internetsurfer mißtrauen dem Datenschutz US-Amerikanischer Anbieter mehr als vor den Snowden-Veröffentlichungen (Quelle: 1&1).

 

5. Den Staat zerstören

“Der am meisten vernachlässigte Aspekt der Auswirkungen des Internets ist seine politische Geographie”, sagt Randy Kluver, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Texas A&M University. “Nur sehr wenige Experten beschäftigen sich damit, und doch verspricht der Aufstieg digitaler Medien einen signifikanten Bruch der Beziehungen zwischen und innerhalb von Staaten. Einige der wichtigsten Dimensionen schließen die Entwicklung transnationaler politischer Akteure und Bewegungen ein, ebenso wie den Aufstieg des virtuellen Staates, den Einfluss digitaler Diplomatie, die Rolle von Information, um die Privilegien des Staates zu untergraben (man denke nur an Wikileaks), und die Herausbildung von Cyber-Konflikten symmetrischer und asymmetrischer Natur.”

6. Arbeitsplätze neu erfinden

“Das Internet, Automatisierung und Robotik werden die Wirtschaft, wie wir sie kennen, über den Haufen werfen. Wie werden wir mit Menschen umgehen, die kein Geld mehr durch Arbeit verdienen können?”, fragt Robert Cannon, Experte für Internetrecht. “Die gute Nachricht ist: Mit der Technik, die unsere Welt auf den Kopf zu stellen verspricht, können wir uns eine neue Welt aufbauen. Sie bietet eine uneingeschränkte Möglichkeit, zusammenzuarbeiten, Dinge zu teilen und zu interagieren. ‘Der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie zu erfinden.’, heißt es. Jetzt ist eine gute Zeit, damit anzufangen.”

 

Kursgewinne von US-Internetfirmen am ersten Handelstag im Vergleich (Grafik:<a href="http://de.statista.com/themen/827/boerse/infografik/308/kursgewinne-von-us-internet-unternehmen-am-1.-handelstag/" target="_blank">Statista</a>)
Kursgewinne von US-Internetfirmen am ersten Handelstag im Vergleich (Grafik:Statista)

7. Größere Probleme angehen

“Die Probleme, mit denen die Menschheit zurzeit konfrontiert ist, werden nicht von politischen Grenzen oder ökonomischen Systemen im Zaum gehalten”, sagt JP Rangaswami, Chief Scientist bei Salesforce.com. “Traditionelle Regierungs- und Herrschaftsstrukturen sind deshalb nicht dafür gerüstet, die nötigen Sensoren und Abläufe zu schaffen. Sie sind nicht in der Lage, die Fähigkeit zu entwickeln, Muster zu erkennen, Grundursachen zu identifizieren oder nach den gewonnenen Erkenntnissen zu handeln. Eigentlich sollten sie all das gleichzeitig tun, während sie über Grenzen, Zeitzonen und soziopolitische Systeme und Kulturen hinweg mit anderen zusammenarbeiten. Klimawandel, Krankheitsbekämpfung, Wasserschutz, Nahrungsmittelknappheit, Immundefekte heilen und das wachsende Übergewichtsproblem lösen: Die Antworten auf all diese Probleme liegen in dem, was das Internet in den kommenden Jahrzehnten sein wird. 2025 werden wir zumindest einen guten Einblick haben, wohin die Reise geht.”

8. Existierende Strukturen hinwegfegen

“Das Internet wird systematisch verändern, was wir darunter verstehen, menschlich, sozial und politisch zu sein”, sagt Nishant Shah, Professor an der Leuphana Universität Lüneburg. “Es ist nicht nur ein Werkzeug, bestehende Systeme zu stützen; es ist eine strukturelle Veränderung der Systeme, die wir kennen. Das bedeutet, dass wir uns mitten in einem Paradigmenwechsel befinden – der viel Großartiges mit sich bringt, aber auch Unsicherheit schafft, weil existierende Strukturen an Bedeutung und Wert verlieren. Deshalb braucht es eine neue Weltordnung, um diese neuen Abläufe zu fassen.”

[mit Material von Jason Hiner, ZDNet.com]