Mobilität und Process Mining wachsen zusammen

Im silicon.de-Interview erklärt Julius Ollesch, Business Process Management Consultant bei IBM Was man sich unter dem noch jungen Thema Process Mining auf sich hat und wie man mit Hilfe der Analyse von Daten ein Unternehmen auf Vordermann bringen kann.

silicon.de: BPM und Mobilität sind zwei Bereiche, die man bisher mehr oder weniger getrennt voneinander betrachtet hat. Ist das heute noch zulässig?

Ollesch: Nein, obwohl beide Themengebiete häufig noch getrennt voneinander betrachtet werden. Oftmals ist eine mobile App integraler Bestandteil eines Prozesses, somit können Aufgaben sinnvoll und zeitsparend mobil erledigt werden. Daher sehen wir das Zusammenwachsen auch auf einer fachlichen Seite als sinnvoll an. Technologisch gesehen wachsen die Produkte immer enger zusammen, werden teils miteinander gebündelt und eine Integration Herstellerseitig vorbereitet.

silicon.de: Nutzer verwenden Mobile Geräte, um bestimmte Aufgaben mobil und unterwegs zu erledigen. Doch abgesehen vom mobilen Zugriff – in wie weit verändert heute das Thema Mobilität auch die Geschäfts-Prozesse?

Ollesch: Geschäftsprozesse sind einfach gesagt näher am Kunden, am Mitarbeiter und Geschäftspartner als zuvor. Studien zeigen, das Smartphones oder Tablets heutzutage ständig in unmittelbarer Nähe seines Nutzers sind. Damit können Abläufe beschleunigt werden. Die Daten die durch BPM Apps entstehen, sind strukturiert und machen Weiterverarbeitungen und Analysen (zum Beispiel von Kundenverhalten) einfacher. Ganz allgemein gesprochen werden Medienbrüche noch seltener, weil immer ein digitales Medium genutzt wird. Wir sehen auch, dass die Informationen, die Smartphones und Tablets liefern wie beispielsweise Fotos oder Positionsdaten, viele Prozesse beschleunigen und die Qualität verbessern.

silicon.de: Können Sie uns dafür ein konkretes Beispiel nennen?

Ollesch: Denken Sie zum Beispiel an Servicetechniker, die auch heutzutage noch oft Aufträge auf Papier bekommen. Diese werden durch einen mobil-gestützen Auftragsprozess produktiver. Der Prozess kann optimiert werden, da das BPM System immer den nächsten freien Mitarbeiter zu Vorfällen, mit den jeweils relevanten Informationen schicken kann. Das spart Reisezeit und Sprit, senkt aber auch Wartezeiten aus der Sicht der Prozessmanager.

silicon.de: Ein verhältnismäßig neuer Begriff bei BPM ist das Process Mining. Was darf man sich darunter vorstellen?

Mit Business Process Insight (BPI) liefert IBM ein Toolsetz über die Cloud, über das auch Business Process Mining abgebildet werden kann. Quelle: IBM
Mit Business Process Insight (BPI) liefert IBM ein Toolsetz über die Cloud, über das auch Business Process Mining abgebildet werden kann. Quelle: IBM

Process Mining ist eine Disziplin, die zum Ziel hat, Ereignisse aus Log-Dateien soweit zu analysieren und in Zusammenhang zu bringen, dass tatsächlich durchgeführte Geschäftsprozesse rekonstruiert werden können.

Process Mining kann also dazu beitragen, den tatsächlich gelebten Prozess zu analysieren und zu modellieren. Dabei ist der Ansatz nur auf Log-Dateien angewiesen, die es erlauben Aktivitäten, Zeiten und einzelne Instanzen zu identifizieren.

silicon.de: PM verbindet also BPM und Workflow-Management auf der einen Seite mit modernen Analysetechnologien und damit auch mit Themen wie Big Data. Das klingt vielversprechend, aber was darf man sich hier konkret erwarten?

Ollesch: Zuerst kann Process Mining in der sogenannten „Discovery“ Phase eingesetzt werden. Heute wird typischerweise großer Aufwand getrieben, um über Workshops und Experteninterviews „den Prozess“ wirklich zu definieren. Hier ist Process Mining eine Methode, wirklich handfeste Daten zu nutzen und darauf basierend das Prozessmodell zu erstellen. Zweitens können die Daten genutzt werden, um reale Prozess und Instanzen zu analysieren: wo treten ungewöhnlich lange Wartezeiten auf, warum werden häufig „Schleifen“ zwischen zwei Aktivitäten durchgeführt? Das sind typische Fragen die aus der Prozess Analyse in BPM Systemen bekannt sind und jetzt auch ohne bereits implementiertets BPM System gestellt werden können.

Unternehmen haben so die Möglichkeit hieraus konkrete Verbesserungen ableiten wie etwa Schulungen bzw. Anpassungen im Ablauf. Drittens können die erstellten Modelle die Grundlage bilden, um einen verbesserten Prozess in einem BPM-System umzusetzen.

silicon.de: Natürlich müssen diese Mining-Ergebnisse dann auch wieder in das Prozess-Design zurückgespielt werden, sonst macht das ja alles keinen Sinn.

Ollesch: Ja, dies folgt aus dem ersten Gedanken. Dies ist empfehlenswert, aber keineswegs obligatorisch. Auch auch organisatorische Änderungen, Schulungsmaßnahmen oder eine klarere Richtlinie können Defizite sinnvoll beheben. Andererseits ist Process Mining geradezu prädestiniert um Simulationen zu ergänzen.

silicon.de: PM ist noch recht frisch auf dem Markt?

Ollesch: In der Tat sehen wir dies als neues Thema, welches sich gerade entwickelt. Wir beobachten sehr genau wie sich der Markt entwickelt. Unsere Entwicklung hat hier bereits frühzeitig an Forschungen in dem Bereich Process Mining teilgenommen. Unter anderem besteht eine Kooperation mit Prof. Will v.d. Aalst, welchen auch beim letzten IBM BPM Symposium teilgenommen hat. Ansätze von Process Mining sind so auch schon in IBM Produkten wie dem Business Monitor enthalten.

silicon.de: Welche Szenarien können denn derzeit aus ihrer Sicht besonders von diesem Thema profitieren?

Ollesch: Wir denken das Unternehmen auf ganzer Linie profitieren können. Process Mining vereinfacht das objektive Arbeiten mit Prozesskennzahlen enorm. Aktuell ist eine der größten praktischen Herausforderungen das Finden und Aufbereiten von geeigneten Daten. Hier spielt herein, dass das Thema noch recht unbekannt ist und gegebenenfalls Ressentiments hervorruft – ganz wie Data Mining vor einigen Jahren.

silicon.de: In wie weit spielen beim PM auch mobile Technologien eine Rolle?

Ollesch: Durch mobile Anwendungen wird unser Nutzerverhalten transaktionaler. Es gibt nicht mehr unbedingt den roten Faden in einem System. Vielmehr werden mehrere sog. Systems-of-Record zu Systems-of-Engagement verknüpft. Hierbei den Ende-zu-Ende Geschäftsprozess im Auge zu behalten kann sehr herausfordernd werden. Unternehmen die heute schon mobile Apps einsetzen ohne BPM, werden von der durch Process Mining geschaffenen Transparenz und den abgeleiteten Erkenntnisse definitiv profitieren.

silicon.de: Herr Ollesch, wir danken für das Gespräch.

Tipp: Wie gut kennen Sie IBM? Überprüfen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de