Fujitsu-Werk Augsburg: Vom Mainboard zum Komplett-System

Silicon.de hat sich einen Tag im Augsburger Fujitsu-Werk umgesehen. Die Japaner produzieren dort Mainboards, PCs, Workstations, Notebooks, Server und Speichersysteme. (Bild: Fujitsu)

Im Werk in Augsburg produziert Fujitsu täglich bis zu 21.000 Units. Darunter sind 950 Server- und Storage-Systeme sowie 8000 System-Boards. Für die Produktion eines vollständigen PC-Systems braucht das Werk etwa 6 Tage. Dabei nimmt es auch Aufträge von nur einem System an. Silicon.de hat sich einen Tag lang im Werk umgesehen.

Nach eigenen Angaben ist Fujitsus Produktionsstandort in Augsburg die einzige verbliebende PC-Fertigung in Deutschland. silicon.de hat sich einen Tag im Augsburger Werk umgesehen. Trotz der hohen Kosten hierzulande lohne sich laut Fujitsu die Produktion. Denn für das Siegel “Made in Germany” sind die Kunden bereit, auch mehr zu bezahlen. Fujitsu fertigt und entwickelt in Augsburg nicht nur für sich selbst, sondern auch für andere Unternehmen.

Silicon.de hat sich einen Tag im Augsburger Fujitsu-Werk umgesehen. Die Japaner produzieren dort Mainboards, PCs, Workstations, Notebooks, Server und Speichersysteme. (Bild: Fujitsu)
Im Augsburger Fujitsu-Werk arbeiten mehr als 1500 Angestellte. (Bild: Fujitsu)

In Augsburg befinden sich aber nicht nur Produktionsstätten, sondern auch die Bereiche Forschung und Entwicklung. Aktuell sind an dem Standort 160 Projekte in Arbeit und im ersten Geschäftsquartal hat Fujitsu Augsburg 66 Patente angemeldet. Der Hersteller entwickelt vom Mainboard über das Gehäuse-Design bis zum fertigen System.

Forschung und Entwicklung

Die Entwickler in Augsburg brauchen für ein PC-Mainboard etwa vier bis fünf Monate. Ein Server-Mainboard ist rund 18 Monate in der Entwicklung. Dabei versucht Fujitsu interne Standards zu entwickeln, die für alle Mainboards verwendet werden können.

Am Anfang steht die Budgetplanung. Das Entwickler-Team setzt sich für ein neues Mainboard einen Target-Preis, der selbstverständlich eingehalten werden muss. Damit das aber auch funktioniert, verwendet dafür eine eigene Kalkulations-Software. Mit Design-to-Cost legen die Entwickler fest, welche Bauteile zu welchen Kosten verbaut werden. Diese werden in einer Excel-Tabelle gespeichert und addiert. Dabei beachtet das Programm die Preisentwicklung der Komponenten über 12 Monate. Somit bleibt das Budget immer im Auge.

Zudem steht Fujitsu in engem Kontakt mit Bauteile-Herstellern wie Intel in engen Kontakt, um stets über kommende Entwicklung informiert zu sein. In einem Standard-Mainboard werden rund 1000 Teile verbaut. Ein Server-Board kann sogar bis zu 10.000 Komponenten umfassen.

Aus bis zu 10.000 einzelnen Bauteilen kann ein Server-Board bestehen. (Bild: Andre Borbe)
Aus bis zu 10.000 einzelnen Bauteilen kann ein Server-Board bestehen. (Bild: Andre Borbe)

Liegt das Grundkonzept vor, simulieren die Entwickler die Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) des Mainboards am Computer. Dabei überprüfen die Entwickler, wo potentiell elektromagnetische Strahlungen auftreten, die andere Geräte beeinträchtigen könnten. Die Simulation der EMV kann mehrere Tage dauern. Währenddessen wird per 3D-Druck-Verfahren ein erstes, einfaches Modell der Platine hergestellt.

Mehrere Mitarbeiter beschäftigen sich mit dem Layout des neuen Mainboards. Im Grundkonzept sind nur die benötigten Bauteile beschrieben worden, diese müssen nun samt Leitungen und Verbindungen auf der Platine positioniert werden. Der Layouter sieht sich am Computer zu Beginn einem Chaos an Linien gegenüber, dieses muss er entflechten oder wie es Neudeutsch heißt rooten.

Ein weiterer Layouter positioniert die Bauteile und muss beispielsweise bei einem All-in-One-PC auch das Design des Gehäuses beachten. Sollte aber aus technischer Sicht eine Komponente an einer Stelle platziert werden müssen, an der aber das Gehäuse im Weg steht, wird direkt mit dem Designer über Änderungen gesprochen und diese sofort umgesetzt. Das Gehäuse wird dabei nicht nur nach optischen Werten entwickelt, sondern auch nach der möglichen Wärmeentwicklung sowie Luftströme designet.

Die Fujitsu-Designer erstellen dafür ein Modell am Computer und simulieren den Betrieb. Dabei wird versucht, die optimale Position der Bauteile für eine gute Belüftung zu finden. Ziel ist es, einen geräuschlosen Betrieb (Zero-Noise) zu erreichen. Beispielsweise finden die Festplatten nun auf dem Boden des Gehäuses ihren Platz und nicht mehr untereinander an der Frontseite.

Labortests

In der 10-Meter-Kammer teste Fujitsu die Elektromagnetische Verträglichkeit. (Bild: Andre Borbe)
In der 10-Meter-Kammer teste Fujitsu die Elektromagnetische Verträglichkeit. (Bild: Andre Borbe)

Nach dem Entwickeln und Designen stehen Tests der Prototypen auf der Agenda. Dafür verfügt Fujitsu über eigene Labore. Neben den klassischen Funktionstests überprüfen die Mitarbeiter, ob wirklich ein Zero-Noise-Betrieb erreicht wurde oder die EMV-Simulation sich auch im fertigen Gerät als richtig erweist. Für den Zero-Noise-Test stehen im Augsburger-Werk reflexionsarme Räume bereit. Dort liegt der Grundgeräuschpegel zwischen 15 und 17 Dezibel. In einem ruhigen Zimmer werden beispielweise 20 bis 30 Dezibel erreicht. Im gleichen Gebäude steht auch die sogenannte 10-Meter-Kammer. Fujitsu testet in ihr die EMV.

Dabei entfallen rund 30 Prozent der Tests auf Geräte von anderen Unternehmen. Neben der EMV-Überprüfung bietet Fujitsu auch Hilfe beim Beseitigen von übermäßiger Abstrahlung.

Sind die Tests abgeschlossen, startet die Produktion. Im Augsburger Fujitsu-Werk entstehen täglich bis zu 21.000 Units. Im Detail sind es 12.000 Client Computing Devices, 8000 Systemboards, 950 Server- sowie Storage-Systeme und 50 Racks. Die tägliche Produktion ist im Vergleich vor 10 Jahren zwar zurückgegangen, soll aber nun vermehrt auf qualitativ hochwertigere Geräte abzielen.

Produktion und Montage

Für die Herstellung und Montage eines kompletten Systems benötigt Fujitsu etwa sechs Tage. Die Produktion im Augsburger Werk beginnt bereits bei Losgröße 1. Dafür sorgen über 1500 Mitarbeiter. Sie arbeiten in drei Schichten und jedem Angestellten stehen bis zu fünf Pausen am Tag zu. Ein Prämiensystem belohnt Arbeiter für besonders gute Leistungen. Auf diesem Weg lässt sich der Lohn aufstocken. Die Produktion wird in unterschiedlichen Linien unterteilt. Dabei stellt jede ein anderes Mainboard her. Die Umrüstung einer Linie auf ein anderes Board-Modell dauert zwischen 10 und 15 Minuten und die Herstellung eines Mainboards etwa zwei Stunden. Am Ende der Kette steht die Qualitätskontrolle. Die Automatic Optical Inspection (AOI) überprüft die Boards auf Fehler. Diese können in der Regel noch vor Ort behoben werden.

Fujitsu setzt bei der Montage auf die U-Linie. (Bild: Fujitsu)
Fujitsu setzt bei der Montage auf die U-Linie. (Bild: Fujitsu)

Haben die Mainboards die Kontrolle überstanden kommen sie in den sogenannten Supermarkt, die Lagerhalle. Dort warten sie rund vier bis acht Stunden auf die Weiterverarbeitung. Damit die Mitarbeiter Bauteile schneller finden können, sind die Regale mit einem Barcode ausgestattet. Wird dieser nach einer bestimmten Komponente gescannt, leuchtet ein Licht an der Lagerposition auf. Anschließend werden die Bauteile in Blöcken gesammelt und zur Montagehalle transportiert. Dort arbeiten die Angestellten in einer U-Linie. Das bedeutet, dass sie von Anfang bis Ende am selben Gerät arbeiten. Die U-Linie verbessert die Kommunikation der Mitarbeiter, da diese näher zusammenarbeiten und erleichtert die Bedienung von mehreren Maschinen.

Das Fujitsu-Werk in Augsburg verfügt außerdem über eine eigenen Recycling- sowie Kläranlage für die Wasserwiederaufbereitung. Für den weiteren Schutz der Umwelt setzt es keine alkoholbasierten Lötmittel ein. Anfang des Monats hat das Werk eine Zertifizierung nach DIN EN ISO 50001. Diese bescheinigt eine besonders umweltfreundliche Produktion. Aber das Werk dient auch als Back-up für die Server-Produktion in Japan. Nach dem Tōhoku-Erdbeben 2011 in Japan verlagerte Fujitsu die Produktion nach Augsburg, um Lieferengpässe zu vermeiden.