SAP-Anwender fordern mehr Offenheit bei HANA

SAP versucht natürlich die eigene Datenbank-Technologie im Markt zu positionieren. Dennoch wollen vielen Nutzer die Investitionen in Oracle, DB2 oder andere Datenbanken nicht einfach über Bord werfen müssen.

Die DSAG, die Deutschsprachige SAP Anwendergruppe, will rund um die Datenbank-Technologie von SAP mehr Offenheit. SAP, so die SAP-Nutzer, erkläre, dass sich die Leistungspotentiale von SAP-Anwendungen nur noch durch eine tiefe Integration von SAP HANA voll ausschöpfen lassen.

In dem nach wie vor konservativen ERP-Umfeld aber haben Unternehmen häufig bereits in anderen Datenbanken und Plattformen investiert und Unternehmen können und wollen häufig diese Investments aufkündigen.

Und nicht alle Anwender sehen immer Vorteile durch die Umstellung auf In-Memory. Wie auch Gartner-Analyst Alexander Drobik in einem Gespräch mit silicon.de erklärte, bedeutet die Umstellung auch mehr Abhängigkeit von einem Anbieter. Auch er kritisiert SAP dahingehend, dass der Hersteller nach wie vor zu wenig über Use-Cases spricht, in denen ein klarer Mehrwert durch In-Memory erzielt wurde.

“Daher fordert die DSAG aus technologischer Sicht mehr Offenheit bei den Systemen. Es müssen Alternativen zugelassen werden ohne Einbußen im Funktionsumfang und in der Leistung”, so Hans-Achim Quitmann, Vorstand Technologie bei der DSAG. “Dafür bedarf es Standards und der Offenlegung von Spezifika, damit auch andere Datenbankhersteller die Möglichkeit haben, im SAP-Kontext eingesetzt zu werden.”

Ganz neu ist diese Forderung indes nicht. Schon bei der Vorstellung von S/4HANA erklärte Sven Denecken, GVP Co-Innovation und Strategie S/4HANA, dass SAP hier offene Standards biete. Allerdings schränkt er auch ein, dass derzeit leider keine Datenbanktechnologie am Markt verfügbar ist, die die von SAP gesetzten Spezifikationen erfüllen könnte.

Für Drobik ist auch klar, dass eine Migration auf die Technologie eines Drittanbieters damit mehr oder weniger ausgeschlossen ist. “Die Suite ist auf HANA optimiert und getunt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass man hier einfach die Datenbank austauschen kann.”

Wie auch Gartner-Analyst Drobik sieht auch die DSAG, dass durch die Verschiebungen im Markt der Druck auf die IT stärker wird und der Fokus immer mehr auf der Bereitstellung von Flexiblen Prozessen liegt.

Auch bei der DSAG sieht man das etablierte Vorgehen in der IT durch “neue Geschäftsmodelle auf den Prüfstand gestellt”, was sich vor allem in neuen Anforderungen an Applikationen und Anwendungslösungen zeige.

Drobik: “Selbst wenn man einen einzigen Hersteller wie SAP hat, bekommt man häufig ein Integrationsproblem.” So sei es vielfach nicht mehr möglich, die Fülle von Produkten wie Ariba oder Successfactors gleichzeitig zu synchronisieren. Und in dieser Hinsicht mache SAPs neue Suite auch aus der Perspektive des Analysten Sinn.

“Vieles spricht dafür, dass die nachhaltige, schnelle und gewinnbringende Umsetzung einer digitalen Transformation nur auf Basis einer Neubewertung der Rolle der IT in den Unternehmen und ihrer Leistungsbeiträge möglich sein wird”, so Gerhard Göttert, Vorstand Anwendungsportfolio bei der DSAG. Und hier könne S/4HANA tatsächlich eine Antwort auf die Anforderungen im Bereich der Applikationen liefern, erklärt Göttert. Doch offenbar sind die Hilfestellungen, die SAP hier den Anwendern in Form von zielgerichteten Informationen über die Vorteile von S/4HANA und dem Transformationsprozess nicht ausreichend. Auch hier fordert die DSAG mehr Initiative von SAP.

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“Es bedarf einer Roadmap für die digitale Transformation und nicht nur für die Ausrichtung auf S/4HANA”, fordert Gerhard Göttert, Vorstand Anwendungsportfolio bei der DSAG. (Bild: DSAG)

Mit dem Übergang von der ERP-Welt auf S/4HANA rückt auch das Thema Upgrades in den Vordergrund. “Es bedarf einer Roadmap für die digitale Transformation und nicht nur für die Ausrichtung auf S/4HANA. Das bedeutet, auch die bestehende Business Suite muss gleichberechtigt zu S/4HANA und vor allem vollständig weiterentwickelt werden”, lautet eine Forderung von Andreas Oczko, Vorstand Operations/Service & Support.

Denn auch wenn viele SAP-Kunden von der digitalen Transformation betroffen sind, wechseln sie nicht zwangsläufig auf S/4HANA. “Sie erwarten, dass die Systeme weiter gepflegt werden, in deren Wartung sie regelmäßig investieren”, so Andreas Oczko. Hat sich doch der Kunde mit seiner Investition strategisch mit SAP positioniert. Demzufolge erwartet er eine Preispolitik, die in angemessener Weise Innovationen in die Zukunft ermöglicht, und dass über die Wartung (Softwarepflege) die Lösungen technisch und inhaltlich aktuell gehalten werden. Darin sieht Andreas Oczko eine wichtige Aufgabe für SAP, um ihrer Rolle als strategischer Partner der Kunden gerecht zu werden.

Bereits im Vergangenen Jahr hatte SAP Mainstream Support für die On-Premises-Version der Business Suite bis 2025 zugesagt. Das bedeutet Investitionsschutz für bestehende Anwendungen, jedoch nicht, dass SAP auch mit der gleichen Verve die klassischen Suiten weiterentwickelt wie das neue S/4HANA.

Auch die Frage, welche Geschäftsprozesse und -modelle S/4HANA für die Trendthemen Industrie 4.0 und Internet of Things unterstützt, sei laut DSAG vielfach noch offen. Klar hingegen ist für Otto Schell, Fachvorstand Branchen/Geschäftsprozesse, dass mit S/4HANA eine End-to-End-Sicht auf die Geschäftsprozesse möglich sein muss. Gerade weil sich viele Branchen in der Transformation befinden, erwartet er die Integration neuer intuitiver Anwendungen unter Berücksichtigung der bestehenden. Gleiches gilt auch für die Integration von hybriden On-Premise- oder auch Cloud-Lösungen und deren Zusammenspiel. Andernfalls müssten notwendige Zusatzprodukte einfach und reibungslos einzubinden sein, so die Forderung von Otto Schell.

Über alle Bereiche hinweg betrachtet wird deutlich: Der Einsatz neuer Technologien ist nur Mittel zum Zweck. Wichtiger für die Unternehmen ist es, individuelle Strategien für die digitale Transformation zu entwickeln oder über neue Geschäftsmodelle nachzudenken. Möglichkeiten gibt es viele – man sollte sich nur nicht von äußeren Faktoren abhalten lassen und vielmehr Denkanstößen in allen Richtungen nachgehen.

 

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