Provider reicht Klage gegen Vorratsdatenspeicherung ein

Datenschutz (Bild: Shutterstock)

Damit soll unter anderem geklärt werden, ob die verlangte anlasslose Datenspeicherung mit EU-Recht vereinbar ist. Außer der Sorge um die Grundrechte treibt die Provider auch die Furcht vor Kosten in Höhe von 600 Millionen Euro um. Zu einer Verfassungsbeschwerde soll es noch im Mai Neuigkeiten geben.

Der in München beheimatete Internetprovider SpaceNet hat mit Unterstützung des eco – Verband der Internetwirtschaft e. V. eine Klage gegen die durch ein Ende vergangenen Jahres in Kraft getretenes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung bedingte Speicherverpflichtung eingereicht. Mit der Klage vor dem Verwaltungsgericht soll letztendlich die Vorlage “wichtiger Fragen” beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) erreicht werden. Dazu zählt beispielsweise, ob die verlangte anlasslose Datenspeicherung überhaupt mit EU-Recht vereinbar ist.

SpaceNet und eco kritisieren aber nicht nur die Verletzung von Bürgerrechten, sondern sind auch davon überzeugt, dass die Vorschriften für die Vorratsdatenspeicherung sowohl die Berufsfreiheit als auch die unternehmerische Freiheit verletzen. Zudem bürdeten sie Providern letztlich Kosten in dreistelliger Millionenhöhe auf. Kritisiert wird überdies, dass viele dieser Kosten kleinere Anbieter relativ stärker als große treffen. Das sei ein “völlig unnötiger Eingriff in den Markt”. Schließlich stünden die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen der Vorratsdatenspeicherung. Ersten erhöhe sich die Aufklärungsquote kaum, zweitens seien die Daten bisher hauptsächlich für die Aufklärung von Diebstahl- und Betrugsdelikten verwendet worden.

Oliver Sueme eco-Vorstand Politik und Recht (Bild: eco)
Oliver Süme, eco-Vorstand Politik und Recht (Bild: eco)

“Die Bundesregierung hat mit der Vorratsdatenspeicherung ein Gesetz erlassen, das viele Verlierer hervorbringen wird, ohne das damit ein Mehrwert für Sicherheit und Verbrechensbekämpfung verbunden ist”, kritisiert Oliver Süme, eco-Vorstand Politik & Recht. Seiner Schätzung nach belaufen sich die Kosten auf 600 Millionen Euro, die für die Einrichtung angemessener Speicherinfrastruktur aufgewendet werden müssten. Süme bezeichnet das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung daher erneut als “netzpolitische Fehlentscheidung”, die vermeidbar gewesen wäre, “wenn sich die Bundesregierung sorgfältiger mit den Einwänden der Wirtschaft auseinandergesetzt hätte.”

Ähnlich hatten sich bereits im Vorfeld der Verabschiedung des Gesetzes auch der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) und der AK Vorrat geäußert. Der BITMi bemängelte zudem, dass “völlig unklar” sei, welche Firmen betroffen sind und letztlich ein “unverantwortliches Risiko von Datenmissbrauch, Datenverlust und Datenklau” entstehe. Der Verein Digitale Gesellschaft befürchtet schlichtweg ein “grundrechtliches Fiasko”.

Als Verfasser der Klageschrift haben die Beschwerdeführer Professor Matthias Bäcker, Leiter des Zentrums für Angewandte Rechtswissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gewonnen. Er erklärt in einer Pressemitteilung: “Die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung wird sich jetzt sowohl am Grundgesetz als auch an den Unionsgrundrechten messen lassen müssen. Ich bin davon überzeugt, in der aktuellen Fassung widerspricht das Gesetz den Grundrechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens und informationelle Selbstbestimmung, außerdem ist es ein rechtswidriger Eingriff in die unternehmerische Freiheit und Berufsfreiheit der betroffenen Internetprovider.”

Sebastian von Bomhard, Vorstand der SpaceNet AG (Bild: SpaceNet)
Sebastian von Bomhard, Vorstand der SpaceNet AG (Bild: SpaceNet)

Nach Ansicht von Sebastian von Bomhard, Vorstand der SpaceNet AG, sind insbesondere die vom EuGH in einem Urteil bereits 2014 geforderten, hohe Anforderungen an den Schutz von Berufsgeheimnisträgern, durch die deutschen Regeln nicht gewährleistet: “Das Gesetz verpflichtet uns, alle Verbindungsdaten unserer Kunden vorzuhalten und Polizei, Staatsanwaltschaft oder Verfassungsschutz darüber Auskunft zu geben. Das ist ein Vertrauensbruch, zu dem wir genötigt werden sollen. Dabei ist es auch egal, ob es sich um Seelsorger, Journalisten, Rechtsanwälte oder Mediziner handelt – es beschädigt in jedem Fall unsere Geschäfts- und Kundenbeziehungen.”

Schon kurz nach Verabschiedung des “Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten” im Oktober vergangenen Jahres im Bundestag hatten der Verein Digitalcourage e.V. und die FDP unabhängig voneinander angekündigt, Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einlegen zu wollen. Digitalcourage e.V. hatte dazu eine Website eingerichtet, über die er Unterstützerunterschriften und Spenden bat. Dem Aufruf haben inzwischen knapp 26.500 Menschen Folge geleistet.

Die FDP hatte 15 Beschwerdeführer aus unterschiedlichen Segmenten der Gruppe der Berufsgeheimnisträger und anderer Betroffener gesammelt. Mehrere davon gehören dem “Verein für liberale Netzpolitik LOAD e.V.” an, der den Gesetzentwurf und auch das Gesetz wiederholt und vehement kritisiert hatte. Wie Julia Hesse, Beschwerdeführerin für LOAD e.V., auf Anfrage von silicon.de mitteilte, hat man sich inzwischen der Klage von Digitalcourage angeschlossen. Der Verein wiederum erklärte silicon.de gegenüber, dass voraussichtlich zum Tag des Grundgesetzes am 23. Mai Einzelheiten zur geplanten Verfassungsbeschwerde veröffentlichen werden. Einen Zwischenbericht über die Fortschritte, in dem auch die zu bewältigenden Aufgaben erklärt wurden, hatte es bereits Ende März gegeben.