ITIL: Allheilmittel im IT-Service-Management?

Zahnrad Automatisierung (Bild: Shutterstock/Jaromir Chalabala)

Schäden oder Störungen der IT werden aufgrund der gestiegenen Bedeutung IT-gestützter Prozesse für Firmen immer bedrohlicher. Effektives IT-Service-Management ist daher das Gebot der Stunde. Im Gastbeitrag für silicon.de beschreibt Martin Beims, Fachbuchautor und Consultant, was gutes IT-Service-Management auszeichnet.

Die zuverlässige Unterstützung der Unternehmensprozesse durch innovative IT-Services und wirksame IT-Systeme gewinnt seit vielen Jahren rasant an Bedeutung: Kaum ein Unternehmensprozess kann noch ohne die Unterstützung von IT-Services effizient bewerkstelligt werden. IT-Systeme sorgen für die optimale Nutzung der vorhandenen Ressourcen und ermöglichen so eine möglichst hohe Produktivität. Viele Geschäftsmodelle haben sich sogar so weiterentwickelt, dass sie ohne funktionierende IT vollständig zum Erliegen kommen würden.

Daraus ergeben sich Abhängigkeiten. Die Geschäftsprozesse verlassen sich immer mehr auf die IT-Services. Hieraus erwächst eine paradoxe Situation – IT-Services sollen leistungsfähiger werden und das bei immer geringeren Kosten. Gleichzeitig steigt durch die Bedeutungszunahme von IT-Services der mögliche Schaden bei auftretendem Systemausfall enorm an.

Martin Beims, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de, ist geschäftsführender Gesellschafter der aretas GmbH und Autor des Fachbuchs "IT-Service Management in der Praxis mit ITIL". (Bild: aretas)
Martin Beims, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de, ist geschäftsführender Gesellschafter der aretas GmbH und Autor des Fachbuchs “IT-Service Management in der Praxis mit ITIL”. (Bild: aretas)

Während die stets sinkenden Kosten für die Bereitstellung der Services positive Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen haben, stellen sich Schäden oder Störungen der IT als immer bedrohlicher heraus. Effektives IT-Service-Management ist daher das Gebot der Stunde. Was zeichnet gutes IT-Service-Management aus? Lösen Werkzeuge wie ITIL die Herausforderungen in der IT?

Der Service Lifecycle als Rahmen für den IT Service

In der aktuellen Version der IT Infrastructure Library, kurz ITIL, werden die Prozesse, Rollen und Aktivitäten in einem durchgängigen Lebenszyklus beschrieben. Dieser spannt sich von der Ausrichtung der Service-Organisation über die Erfassung der Anforderungen, die Gestaltung, Implementierung und den Betrieb bis hin zur kontinuierlichen Anpassung der Servicequalität. Im Mittelpunkt steht also nicht mehr der Prozess als solcher, sondern der zu liefernde Service.

Dieser Rahmen beeinflusst den Umgang mit Ereignissen in der Serviceerbringung und somit auch die Qualität und vor allem Kontinuität der IT-Services. Die klare Struktur ermöglicht es, gezielt aus Erfahrungen zu lernen, Verbesserungen zu identifizieren und diese durch konkrete Maßnahmen zur Service-Verbesserung umzusetzen. Der Service Lifecycle gliedert sich in fünf Phasen, die sich auch in den fünf ITIL Hauptveröffentlichungen widerspiegeln:

  • Service Strategie stellt sicher, dass sich der komplette Service Lifecycle an den Vorgaben und Bedürfnissen des Business, den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und dem Marktumfeld orientiert. Liefert den strategischen Rahmen für die IT Service Organisation und für das Service Portfolio.
  • Service Design setzt die Portfolio-Vorgaben der Service Strategie um und liefert Vorgaben und Vorlagen für die IT Services. Übersetzt Anforderungen in Service-Definitionen und stellt sicher, dass nötige Fähigkeiten und Ressourcen sinnvoll genutzt und gesteuert werden.
  • Service Transition plant und überwacht Änderungen an bestehenden Services sowie Planung, Test und Überführung neuer und angepasster Services in den Regelbetrieb. Verantwortlich für die strukturierte Dokumentation der Betriebsumgebung und die Bereitstellung von Informationen.
  • Service Operation regelt den effizienten Umgang mit Ereignissen, Störungen und Anwenderanfragen im Tagesgeschäft und stellt sicher, dass Störungen nachhaltig und effizient beseitigt werden. Das Buch “Service Operation” beschreibt darüber hinaus mögliche Optionen für den organisatorischen Aufbau der beteiligten IT-Fachbereiche.
  • Continual Service Improvement (CSI) sammelt Rückmeldungen aus allen Phasen des Lifecycle und stellt die kontinuierliche Verbesserung der Services und der Service-Prozesse sicher.

Effektives IT-Service-Management

Um die Qualität und Quantität von IT-Services zu planen, zu überwachen und zu steuern ist ein gut organisiertes IT-Service-Management unabdingbar. Effektives Service-Management orientiert sich immer an definierten und messbaren Zielen. IT-Services sind nur sinnvoll, wenn sie die Geschäftsprozesse des jeweiligen Kunden bestmöglich unterstützen und gleichzeitig den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben im Unternehmen gerecht werden.

Der ITIL® Lifecycle im Zusammenspiel (Grafik: Martin Beims)
Der ITIL® Lifecycle im Zusammenspiel (Grafik: Martin Beims)

Die Herausforderung besteht darin, die Zielsetzungen zu erreichen und gleichzeitig den betriebenen Aufwand in einem angemessenen Rahmen zu halten. Neben der Bereitstellung der richtigen Services in der vereinbarten Qualität ist es von entscheidender Bedeutung, die individuelle Wahrnehmung der Services durch die Anwender zu kennen und positiv zu beeinflussen. Benutzerfreundlichkeit und Akzeptanz durch die Anwender sowie letztlich durch die Kunden ist für erfolgreiche IT-Services ebenso wichtig wie ihre Servicelevel-konforme Bereitstellung.

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Effektive Meeting-und Kollaboration-Lösungen

Mitarbeiter sind heute mit Konnektivität, Mobilität und Video aufgewachsen oder vertraut. Sie nutzen die dazu erforderlichen Technologien privat und auch für die Arbeit bereits jetzt intensiv. Nun gilt es, diese Technologien und ihre Möglichkeiten in Unternehmen strategisch einzusetzen.

Ein erfolgreiches Service-Management organisiert die vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen so, dass die Gestaltung und Präsentation der IT-Services genau auf die Anforderungen der Kunden ausgerichtet ist. Spezielle Werkzeuge, wie beispielsweise ITIL, unterstützen die Gestaltung der notwendigen Prozesse.

ITIL – Lösung für alle Probleme?

Eine strukturierte Methode wie ITIL kann ein Fundament für Unternehmen bilden, in denen die IT eine Rolle spielt. ITIL versucht Erfahrungen und Bewährtes zu beschreiben und so Hinweise zu geben, welche Aspekte bei der Gestaltung von IT-Services zählen. Das Werkzeug hilft bei der Identifizierung des Kundenbedarfs und der entsprechenden Gestaltung von Services. Mithilfe der Methode lassen sich die Services auf die Business-Anforderungen abstimmen und regelmäßig auf optimale Unterstützung der Geschäftsprozesse überprüfen.

Aus Fähigkeiten und Ressourcen werden Services (Grafik: Martin Beims)
Aus Fähigkeiten und Ressourcen werden Services (Grafik: Martin Beims)

So sehr solche Werkzeuge dem Service-Management nützen: Primäres Ziel eines effektiven Managements darf es nicht sein, “ITIL einzuführen”, denn damit würde das Mittel zum Zweck. Darüber hinaus ergibt es keinen Sinn, eine Methode wie ITIL mit der Intention zu implementieren, damit alle Herausforderungen der IT-Organisation zu lösen. Solche Vorhaben haben keinen Erfolg.

Das Werkzeug hat auch gar nicht den Anspruch, sämtliche Probleme des IT-Service-Managements zu beheben. ITIL nimmt es keinem Unternehmen ab, klare, am Business orientierte Ziele für die IT-Organisation zu definieren. Es kann niemals ein sinnvolles Ziel sein, lediglich ein bestimmtes Werkzeug zu nutzen. Wenn ein Loch gebohrt werden soll, wie ist der Erfolg messbar? Daran, welche Bohrmaschine zum Einsatz kommt, oder daran, ob das Bild am Ende genauso an der Wand hängt, wie gewünscht?

Werkzeuge wie ITIL ersetzen keine klare Zielsetzung (Grafik: Martin Beims)
Werkzeuge wie ITIL ersetzen keine klare Zielsetzung (Grafik: Martin Beims)

Ausgangspunkt für die Definition von Zielen sind immer die Vorgaben des Managements, die aus den Zielsetzungen des Unternehmens hervorgehen. Die Ausprägung der IT-Ziele kann entsprechend der Vorgaben variieren. ITIL kennt diese Vorgaben nicht und kann daher nur Erfahrungswerte liefern.

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Die Antworten auf die folgenden Fragen helfen dabei, die richtigen Ziele für die IT Organisation zu finden: Müssen die Kosten gesenkt werden? Ist es nötig, die Transparenz zu erhöhen? Soll die Marktposition verbessert werden? Oder scheint es angebracht, einfach nur die Qualität der Services erhöhen? Zielsetzungen sollten immer ausformuliert vorliegen und messbar sein. Denn nur so kann das Management nach der Umsetzung feststellen, ob sich die Methoden für die Realisierung als erfolgreich herausstellen. Für eine vollständige Zielformulierung hat es sich bewährt, nach dem SMART-Prinzip vorzugehen. SMART steht dabei für:

  • Spezifisch – Was soll gemessen werden?
  • Messbar – Wie kann die Zielerreichung quantifiziert werden?
  • Attraktiv – Haben die Stakeholder ein Interesse an diesem Ziel?
  • Realistisch – Ist das Ziel erreichbar?
  • Terminiert – Wann soll das Ziel erreicht werden?

Kostendruck und Innovation

Die aktuelle Herausforderung lautet in vielen Unternehmen, dem Megatrend der Digitalisierung gerecht zu werden. Dabei gilt es, IT-Services in immer höherer Qualität und auch Quantität bereitzustellen. Oft wird gleichzeitig erwartet, die Ausgaben dabei nicht zu erhöhen, oder diese sogar weiter zu senken. Dieser Herausforderung stellen sich immer mehr Unternehmen, indem sie IT-Services innerhalb der gewachsenen Strukturen analysieren und Maßnahmen zur Verbesserung dieser Services ergreifen. Der Spagat zwischen steigenden Anforderungen und Kostendruck kann nur durch konsequente Standardisierung, unterstützt durch kontinuierliche Innovation gelingen.

ITIL und auch andere Werkzeuge wie COBIT oder das aktuell vieldiskutierte Wertschöpfungsketten-orientierte Referenzmodell IT4IT können dabei einen wertvollen Beitrag leisten, sind jedoch sicher kein Allheilmittel.

Gemeinsamer Kern

Unabhängig von den gewählten Methoden und Werkzeugen helfen folgende grundlegende Kriterien bei der erfolgreichen Gestaltung des IT- Service -Managements:

  • Zielorientiert: Grundlage für alle Entscheidungen und Aktivitäten sind am Business orientierte Zielsetzungen für die IT Organisation. Alle Ergebnisse werden an diesen Zielen gemessen.
  • Anwenderorientiert: Der Anwender steht im Zentrum aller Aktivitäten des IT-Service-Management. Neben der objektiven Qualität der Services spielt die Wahrnehmung eine entscheidende Rolle.
  • Services müssen nicht nur hochwertig sein, sondern auch durch die Anwender und damit letztlich durch den Kunden (Vertragspartner der IT) akzeptiert sein.

  • Geschäftsprozessorientiert: IT-Services unterstützen die Geschäftsprozesse des Unternehmens und die IT trägt als Innovationstreiber in zunehmendem Maße zur Weiterentwicklung ganzer Geschäftsmodelle bei.
  • Wirtschaftlich: Neben der zuverlässigen Lieferung der vereinbarten Services, der Effektivität, spielt der verantwortungsvolle Umgang mit den vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen, die Effizienz, eine wichtige Rolle für die Akzeptanz von IT-Services.

Über den Autor

Martin Beims ist geschäftsführender Gesellschafter der aretas GmbH. Der Schwerpunkt der servicebetontne Unternehmensberatung mit Sitz in Aschaffenburg liegt auf effektivem IT-Service-Management. Zu den Klienten zählen IT-Verantwortliche großer Konzerne, Service-Leiter mittelständischer Maschinenbau-Unternehmen, Prozess-Manager oder Service-Mitarbeiter. Mit dem von aretas konzeptionierten “Service Kompass” erhalten sie Orientierung für die Gestaltung zuverlässiger, wirtschaftlicher und innovativer IT-Services. Im Mittelpunkt steht ein dabei nachhaltiges Veränderungsmanagement, Service-Strategie, Service-Innovation, Service-Marketing und Service-Management.