Firmennetzwerke: Das bringt 2017

Patrick Molck-Ude (Bild: DTAG)

Damit die Digitalisierung reibungslos voranschreitet, müssen Unternehmensnetze immer mehr Daten zuverlässig und sicher übertragen. 2017 werden Carrier und Unternehmen Netzinnovationen wie programmierbare Netze vorantreiben. Ein Überblick über die wichtigsten Firmennetz-Trends.

In den vergangenen Jahrzehnten hatten sich Unternehmensnetze kaum weiterentwickelt. Schließlich funktionierte die vorhandene Technologie einwandfrei. Heute jedoch stehen lokale Netzwerke (LAN) und Weitverkehrsnetze (WAN) vor einem Umbruch. Der Grund: Die Digitalisierung verändert die Geschäftsmodelle in fast allen Branchen. Immer mehr Unternehmen nutzen Cloud-Dienste, vernetzen Produktionsmaschinen und ermöglichen ihren Mitarbeitern mobiles Arbeiten.

Die Folgen: Der Datenverkehr in den Firmennetzwerken steigt drastisch, und herkömmliche Netzkonzepte stoßen in Sachen Bandbreite, Verfügbarkeit und Sicherheit an ihre Grenzen. Deswegen haben viele Netzanbieter und Unternehmen schon die Grundlagen gelegt, um die Netze zu modernisieren. Im Laufe des Jahres 2017 werden wir erleben, wie wichtige Ideen und Konzepte Realität werden.

Patrick Molck-Ude (Bild: DTAG)
Patrick Molck-Ude, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de, ist Geschäftsführer bei T-Systems und Leiter der Telekommunikations-Einheit (Bild: DTAG)

Mehr Bandbreite, mehr Flexibilität

Der Datenverkehr in den Kommunikationsnetzen nimmt explosionsartig zu. Dem sind die derzeitigen Netze der Carrier mittel- und langfristig nicht gewachsen, weil sie für verschiedene Dienste wie Telefon, Fax und E-Mails verschiedene technische Plattformen verwendet. Deswegen arbeiten Netzbetreiber weltweit bereits daran, ihre Infrastruktur auf Basis des Internet-Protokolls zu vereinheitlichen.

“All-IP” bewältigt nicht nur höhere Netzlasten, sondern trennt auch die Dienste von der Physik und ermöglicht so, diese schneller und ortsunabhängig bereitzustellen – auch im Bereich der Telefonie. So werden zentrale Telekommunikationsanlagen 2017 ihren Siegeszug fortsetzen, weil Unternehmen damit alle Dienste und Endgeräte zentral verwalten und weniger Sprachkanäle benötigen.

Hybrider WAN-Zugang und Multi-Layer-Netze auf dem Vormarsch

Durch Cloud Computing, das Internet der Dinge (IoT) und mobiles Arbeiten werden Anwendungen immer vielfältiger – und damit auch die Anforderungen an die Datenübertragung. Daher kommen multinationale Unternehmen 2017 nicht mehr umhin, in ihrem Corporate WAN verschiedene Netztechnologien zu kombinieren. Nur so können sie die richtige Balance zwischen Übertragungsqualität und Wirtschaftlichkeit finden.

Glasfaserleitungen in der Vermittlungsstelle Stuttgart Schockenriedstrasse (Bild: DTAG)

Leistungsstarke MPLS-IP-VPNs werden zwar weiterhin das Rückgrat standortübergreifender Firmennetze bilden, ihr Einsatz wächst sogar. Aber für den Zugang zur MPLS-Plattform nutzen immer mehr Unternehmen auch kostengünstigere Internet-Verbindungen oder optimierte Internet-Overlays – zum Beispiel für kleinere Standorte.

Gleichzeitig treiben die Trends zum Cloud Computing und zur All-IP-Technologie den Einsatz von Multi-Layer-Netze voran: Für die bandbreitenstarke Vernetzung von Rechenzentren nutzen Unternehmen Ethernet-Verbindungen und optische Layer-1-Services. In Deutschland kündigen sich außerdem die ersten Ethernet-Access-Varianten auf Basis der All-IP-Plattform an: Mit diesen lässt sich erstmals auch bei Ethernet-Access eine garantierte Übertragungsqualität je Anwendung festlegen.

Sprung in die Praxis für software-definiertes WAN

In Rechenzentren kommen die beiden Virtualisierungstechnologien “Software-Defined Networking” (SDN) und “Network Functions Virtualization” (NFV) schon erfolgreich zum Einsatz. Ihre Umsetzung im WAN beschränkte sich bisher aber auf Pilotprojekte.

Ab Mitte 2017 aber wird aus Test Realität – etwa, weil dann die Netzallianz ngena weltweit standardisierte Netzdienste und -funktionen automatisiert bereitstellt, indem sie die Netze verschiedener Betreiber auf Basis von SDN und NFV verknüpft. Die beiden Technologien virtualisieren die Netzsteuerung bzw. Netzfunktionen, die bisher an Spezialhardware gebunden waren. Dadurch lassen sich Netze zentral programmieren und Funktionen wie Firewalls, Gateways und Load-Balancer als Software bereitstellen.

Übertragungsqualität wird wichtigste Anforderung bei der Cloud-Vernetzung

Bisher bezogen die meisten Unternehmen ihre Public-Cloud-Dienste über das Internet. Doch es zeigt sich immer öfter, dass die Übertragungsqualität für anspruchsvolle Anwendungen wie Voice-over-IP, Video und ERP-Systeme auf dieser Basis nicht ausreicht. 2017 wird deshalb die Nachfrage nach durchgehend performanter Vernetzung bei Hybrid-Cloud-Ansätzen steigen.

Bei Private Clouds sind leistungsstarke MPLS-Verbindungen ohnehin Standard. Aber auch mehr und mehr Public-Cloud-Anbieter werden MPLS-Zugangspunkte anbieten. Allerdings sinkt die Qualität der Kommunikation auch, je weiter die Daten transportiert werden müssen. Große Public-Cloud-Provider bieten daher schon regionale Zugangspunkte zu ihrem Netz. Tendenz steigend.

Der Bedarf an mobiler Konnektivität steigt rasant

Mit der stetig steigenden Zahl mobiler Endgeräte wird es besonders für multinationale Unternehmen noch komplexer, die mobilen Netzzugänge in verschiedenen Ländern zu managen. Denn für jedes Land gibt es unterschiedliche Dienste, gelten eigene Verträge und andere Prozesse. Zudem statten immer mehr Unternehmen ihre eigenen Produkte ab Werk an mit mobiler Konnektivität aus.

Mobiles Arbeiten (Bild: DTAG)

Doch manche Produkte müssen hohe, stark schwankende Datenmengen übertragen, zum Beispiel Autos, deren Passagiere Videos streamen, und VR-Kameras, die live Fußballspiele zeigen. Das macht die Abrechnung komplex. Erst recht bei länderübergreifenden Angeboten. Umso mehr werden Unternehmen nach Unterstützung suchen, um ihre mobile Flotte einfacher zu managen und komplizierte Abrechnungsvorgänge abzugeben.

Telekommunikation und IT wachsen noch stärker zusammen

Viele Unternehmen betrachteten Telekommunikation (TK) und IT bisher getrennt voneinander. Doch die beiden Bereiche nähern sich zunehmend einander an. Schon heute gibt es etwa TK-Anlagen als Software und aus der Cloud. Damit wird TK zu IT. Mit dem Umstieg auf All-IP und den ersten SD-WAN-Produkten setzt sich dieser Trend 2017 fort.

Erste Unternehmen werden daher endgültig aus der IT-Strategie eine ITK-Strategie machen. Denn für den Geschäftserfolg ist es künftig ein Muss, Telekommunikation – ebenso wie IT – auf höchster Managementebene zu diskutieren und die Netzmodernisierung langfristig und abgestimmt mit dem Carrier zu planen.

Das Bewusstsein für die Bedeutung von Netzwerksicherheit steigt

Der DDoS-Angriff (Distributed Denial of Service) auf den DNS-Provider von Amazon, Twitter und Netflix im Oktober 2016 war nicht der einzige im vergangenen Jahr. Akamai, Anbieter von Content Delivery Networks (CDN), erfasste im dritten Quartal 2016 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres 71 Prozent mehr DDoS-Attacken. Diese Bedrohung wird 2017 weiter zunehmen – ein Trend, der Unternehmen durchaus bewusst ist.

Schon 2016 lautete dem “State-of-the-WAN Report 2016” zufolge für 42 Prozent der Unternehmen einer der wichtigsten drei Gründe, ihr WAN weiterzuentwickeln: “Sicherheit erhöhen”. Das heißt: 2017 werden besonders Lösungen gefragt sein, die DDoS-Angriffe schon im Backbone des Providers erkennen und abwehren.

Die Netzmodernisierung stellt Unternehmen 2017 also vor eine Vielzahl an technischen, organisatorischen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Um diese zu meistern, benötigen sie einen Partner mit Kompetenzen und Lösungen aus vier Bereichen: Festnetz, Mobilfunk, Security und Internet der Dinge. Denn damit ist der Weg zu einem zukunftsfähigen Netz als Fundament für die Digitalisierung nicht mehr weit.

Der Autor

Patrick Molck-Ude (Bild: DTAG)

Patrick Molck-Ude ist Geschäftsführer bei T-Systems und Leiter der Telekommunikations-Einheit. Er treibt Netzinnovationen wie SDN sowie international einheitliche Angebote mit dem Ziel, T-Systems zum führenden Telekommunikationsanbieter für internationale Geschäftskunden in Europa zu machen. Molck-Ude ist bereits seit 2004 in Führungspositionen im Telekom-Konzern tätig.