Digitalisierung in der Logistik: Im Kampf gegen die Frachtpapiere

Pie Mapping will Logistikabläufe optimieren (Grafik: Pie Mapping)

Das Londoner Start-up Pie Mapping arbeitet an der Disruption der Logistikbranche durch die Automatisierung der Logistikflotte. Im “Techhub” der British Telecom erklärt Gründer und CEO Freddie Talberg die Strategie dahinter.

Einer der wichtigsten Orte für Touristen weltweit sind die Southbanks der Themse. Fast jeder London-Besucher kommt während seines Aufenthaltes zum “London Eye” oder läuft den Fluss hinunter zur Modern Tate Gallery. Genau hier ist eine der größten Baustellen der englischen Hauptstadt. Bereits im vergangenen Jahr wurden die Gebäude rund um den Shell-Centre-Tower gegenüber dem London Eye abgerissen.

Jetzt werden an derselben Stelle acht Häuser mit tausenden Arbeitsplätzen errichtet. Dutzende Baufahrzeuge kurven täglich durch die engen Straßen hinter dem Bahnviadukt der Waterloo Station. Die Baustelle ist lediglich mit zwei kleinen Straßen an das Verkehrsnetz angebunden. Hier essen Touristen Eis, sie suchen die U-Bahn-Station oder machen Fotos. Alles ist eng und wimmelig.

Deshalb ist das Managen des Baustellenverkehrs für die Bauherren sehr aufwändig. “LKWs und Baufahrzeuge vertragen sich nicht mit dem Tourismus”, erklärt Freddie Talberg, Gründer des Start-ups Pie Mapping. “Entscheidend ist, dass die Logistik trotzdem in der Lage ist, das Baumaterial pünktlich und komplett durch dieses enge Nadelöhr zu bringen.”

Pie Mapping will Logistikabläufe optimieren (Grafik: Pie Mapping)
Das britische Start-up Pie Mapping will Logistikabläufe optimieren (Grafik: Pie Mapping)

Freddie Talberg hatte Pie Mapping im Jahr 2009 gegründet und gemeinsam mit seinem Team mehrere große Projekte gestemmt – unter anderem die Routenplanung für die Logistik der Olympischen Spiele im Jahr 2012.

Ich traf Freddie Talberg, Gründer und Director Pie Mapping im “Techhub” der British Telecom. In dem grauen Bürohochhaus aus den siebziger Jahren arbeiten einige von der BT unterstützten Start-ups. Der Konferenzraum sieht aus wie eine Mischung aus Hightech-Ausstellung und Kuriositäten-Kabinett. Er ist vollgestopft mit allerlei Erfindungen, die hier im Haus entstanden sind und sich in der wirklichen Welt bewähren. In der Ecke flackert ein beinahe kinoleinwandgroßer Fernseher, der in einer Dauerschleife über seine eigenen Vorteile und Alleinstellungsmerkmale berichtet.

Talberg hat mehrere Präsentationen mitgebracht. Logistik ist das Thema seiner Firma. Das Ziel ist es, alle Prozesse auf eine Plattform zu bringen. “Wir sehen sehr große Möglichkeiten für die Disruption in diesem Industriezweig.”

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Insbesondere die Vernetzung von Flotten sei unwirtschaftlich und aus technischer Sicht sehr schlecht umgesetzt. Deshalb versucht Talberg das Geschäftsmodell so zu verändern, dass Pie Mapping Software als weltweite Mobilitätsplattform arbeiten kann. Und das Geschäftspotenzial ist aus seiner Sicht riesig.

“Denken Sie an die Versandseiten im Internet. Der gesamte Einkauf scheint schneller, einfacher und reibungsloser zu laufen als früher”, erklärt er. “Aber das stimmt nicht. Die Disruption hat nur im Handel stattgefunden. Die Logistik befindet sich im manuellen Zeitalter.”

Die Maschinerie hinter dem Internet sei weit von einer durchgängigen Digitalisierung entfernt. “Paketdienste arbeiten typischerweise mit mehreren IT-Systemen, die keine Schnittstellen miteinander haben. Um die Informationen von einem in das andere System zu transportieren brauchen diese Unternehmen große Mengen Papier”, sagt Talberg. “Alle diese Papiere, Formulare, Zettel und Quittungen – die meisten Prozesse sind für Außenstehende kaum durchschaubar.”

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Effektive Meeting-und Kollaboration-Lösungen

Mitarbeiter sind heute mit Konnektivität, Mobilität und Video aufgewachsen oder vertraut. Sie nutzen die dazu erforderlichen Technologien privat und auch für die Arbeit bereits jetzt intensiv. Nun gilt es, diese Technologien und ihre Möglichkeiten in Unternehmen strategisch einzusetzen.

Das Management dieser Komplexität sei einer der Schlüssel zum Erfolg. Hierfür hören die Pie-Mapping-Experten ihren Kunden zu, versuchten die Probleme zu verstehen und die Prozesse auf einer Plattform digital umzusetzen.

Pie Mapping kann auch die Bedürfnisse der Fahrer abbilden

Der zweite, neue Gedanke ist, die Bedürfnisse der Fahrer abzubilden. “Ich denke zufriedene Fahrer sind ein weiterer Schlüssel zum Erfolg in der Logistikbranche. Sie sollten gerne für ihr Unternehmen arbeiten, sich respektiert fühlen. Heute leiden sie aber unter der Komplexität und der schlechten Organisation ihrer Auftraggeber. Deshalb sind aus unserer Sicht die Fahrer die wichtigen Kunden. Sie nehmen den Pie-Mapping-Service in Anspruch.”

Auf dem Fernseher fängt die Dauerschleife von vorne an. Vor uns liegt jetzt ein gigantisches Paket mit Sandwiches aus einem Deli um die Ecke. Büchsen mit Cola, Limo und Wasser stehen in einer Reihe. Meine Gastgeber scheinen sich auf einen langen Nachmittag einzurichten. Ich bekomme eine frische Tasse Tee, Milch, Zucker, nehme mir ein Thunfisch-Sandwich, dann startet Talberg die nächste Präsentation.

Olympia als Feuerprobe

Pie Mappings erstes großes Projekt war die Logistiksteuerung der Olympischen Spiele im Jahr 2012. Das Stadion und die wichtigsten Spielstätten befanden sich im Norden der Stadt. “Denken sie ein paar Jahre zurück. Als sich London um die Olympischen Spiele beworben hat, musste die Stadt beweisen, dass sie ihre Verkehrsprobleme in den Griff bekommt”, erklärt Sandeep Raithatha, Head of Innovation Central, BT Technologies. Raithatha ist bei BT für den Techhub und die Betreuung der Start-ups zuständig.

“Die Londoner haben gezeigt, wie sie diese Probleme managen. Zum Beispiel indem sie Straßen komplett für den ‘Nicht-Olympia-Verkehr’ gesperrt haben. So konnten alle Lieferanten gleichzeitig ihre Waren bringen. London konnte die Spiele veranstalten, weil die Logistikunternehmen mit Informationen in Echtzeit versorgt wurden.”

Canary Wharf (Bild: Christian Raum)
Canary Wharf im Osten Londons war einst ein Zentrum der britischen Handelsschifffahrt. Heute ragen dort die Türme und Zentralen der großen britischen Bankhäuser auf (Bild: Christian Raum)

Die Leistung Pie Mappings während der Spiele war die Verbindung unterschiedlichster Verkehrsinformationssysteme auf einer Big-Data-Plattform. Pie Mappings IT-Experten projizierten diese Informationen auf eine Karte von London. Darüber bauten sie als ihre Dienstleistung eine Routenplanung für die logistische Versorgung der Olympischen Spiele – “auf welchem Weg gelangt ein Lieferant am besten und schnellsten zu seinen Lieferadressen, welche Wege sind sinnvoll und in welcher Reihenfolge soll er oder sie die Orte anfahren”, führt Raithatha aus. “Das war der Service hinter den Echtzeitinformationen.”

Damals hatte Pie Mapping sieben Mitarbeiter und gerade einmal eine Million Pfund Umsatz. Also eine gute Größe, um die aktuelle Position noch einmal zu überprüfen und den Kurs zu wechseln. “Mapping und Routenplanung ist heute kein gutes Geschäft mehr. Hier müssen wir mit den großen Playern konkurrieren – Amazon, Google, Uber und alle anderen wollen Routenplanung anbieten”, analysiert Talberg und klickt auf eine neue Präsentation. “Deshalb haben wir unser Geschäftsmodell geändert.”

Lieferverkehr und Flottenmanagement optimieren

Wir bedienen uns aus der Sandwichbox. Wir wechseln von Tee zu Cola und Smalltalk. “Was ist dies für eine Erfindung, wozu ist das Gerät dort hinten nützlich?“ Zu jedem Gegenstand gibt es ein oder zwei Geschichten. Aber der Fernseher ist der Star des Konferenzraums. Unbeirrt startet er seine Dauerschleife neu. Alle loben das gigantische, scharfe Bild, den schnellen Bildaufbau, die extrem schnelle Datenübertragung.

An den Southbanks auf dem Gelände rund um das Shell-Hochhaus ist die Canary-Wharf Group – ein Pie-Mapping-Kunde, mit Unterstützung des Start-ups sein neuestes Projekt angegangen. (Bild: Christian Raum)
An den Southbanks auf dem Gelände rund um das Shell-Hochhaus ist die Canary-Wharf Group – ein Pie-Mapping-Kunde, mit Unterstützung des Start-ups sein neuestes Projekt angegangen. (Bild: Christian Raum)

Talberg klickt auf die nächste Präsentation. “Wir haben zwar das Wort ‘Mapping’ in unserem Firmennamen, aber mit Karten hat unser Business heute nicht mehr viel zu tun.” Nach der Teilnahme an den Olympischen Spielen hat Pie Mapping unter anderem die Canary Wharf Group als Kunden gewonnen. Canary Wharf war der Name der Hafenanlagen im Osten Londons und ein Zentrum der britischen Handelsschifffahrt. Heute ragen dort die Türme und Zentralen der großen britischen Bankhäuser in die Wolken. Sie sind auf der nördlichen Seite der Themse errichtet – auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses steht das Observatorium von Greenwich.

“Wir organisieren den gesamten Lieferverkehr und das Flottenmanagement”, berichtet Talberg. Offensichtlich war nicht nur Pie Mappings Olympia-Teilnahme erfolgreich, sondern auch das Verkehrsmanagement im früheren Hafen. Denn von den alten Docks war es nur ein kleiner Schritt die Themse aufwärts zur Baustelle an den Southbanks. Hier endet unser virtueller Rundgang durch London. Auf dem Gelände rund um das Shell-Hochhaus baut die Canary Wharf Group – ein Pie-Mapping-Kunde, der mit der Unterstützung des Start-ups sein neuestes Projekt angegangen ist.

“Natürlich ist Mapping ein wichtiger Faktor für jedes Unternehmen”, Talberg beendet seine Präsentation und schließt das Notebook. “Aber viel wichtiger ist es, die Komplexität von Flotten, Fracht und Mitarbeitern zu managen. Das ist unser Weg zum Erfolg.” Wir essen jeder noch ein Thunfisch-Sandwich, trinken eine Cola und dann mahnt Raithatha zum Aufbruch. Es gibt noch zwei andere Start-ups mit anderen Präsentationen und anderen großen Geschichten, die er dem Besucher aus Deutschland vorstellen möchte.

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