Open Source: Warum Offenheit die Basis für Innovationen ist

Open Source (Bild: Shutterstock / Bildagentur Zoonar GmbH)

Der Beschluss der Stadt München, statt Linux wieder Windows einzusetzen, hat die Debatte um Open-Source-Software neu entfacht – nicht nur auf dem Desktop. Befürworter sehen quelloffene Software auch als einzig sinnvolle Basis für Digitalisierungstechnologien wie Machine Learning und Künstliche Intelligenz.

Windows statt LiMux – diese Entscheidung des Münchner Stadtrats von Mitte Februar 2017 schlägt weiter hohe Wellen. Rund 14 Jahre nach Einführung der Linux-Version auf den Rechnern der städtischen Bediensteten soll nun wieder Windows zum Zuge kommen. Der Grund: Nach Ansicht des Stadtparlaments und von Oberbürgermeister Dieter Reiter muss die desolate IT-Technik Münchens grundlegend erneuert werden. Mitverantwortlich für die Situation sei, dass sich viele Fachanwendungen nicht von Windows auf Linux hätten portieren lassen.

Aber weit über die Grenzen der Stadt hinaus hat Münchens Abschied von Linux auf dem Desktop eine lebhafte Debatte ausgelöst. Ein Streitpunkt ist, inwieweit sich insbesondere staatliche und kommunale Einrichtungen an einzelne IT-Unternehmen binden sollten und wie quelloffene Software Abhängigkeiten vermeiden können.

Große Unternehmen setzen auf Open Source

Für Peter Ganten, Geschäftsführer des Bremer Software-Hauses Univention und Vorstandvorsitzender der Open Source Business Alliance (OSBA), ist jedoch die Frage, welches Betriebssystem auf Desktops läuft, zweitrangig: “Schon heute wird ein Großteil der Anwendungen über private und zum Teil auch öffentliche Cloud-Plattformen in Form von Web-Applikationen bereitgestellt, unabhängig vom Client-Betriebssystem. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken.”

Peter H. Ganten  ( Bild: Univention)
Peter H. Ganten, Geschäftsführer von Univention, einem Anbieter von Open-Source-Lösungen, und Vorstandvorsitzender der Open Source Business Alliance: “Offenheit ist die Grundlage dafür, dass öffentliche Einrichtungen und Unternehmen innovative Lösungen entwickeln können.” ( Bild: Univention)

Er verweist darauf, dass große Unternehmen und Cloud-Service-Provider bereits heute auf diesen Ansatz setzen – und dass sie vorzugsweise Software auf Open-Source-Basis verwenden. “Für solche Unternehmen ist es wichtig, dass sie Zugang zum Quellcode der Anwendungen haben”, so Ganten. “Dies zum einen deshalb, weil Entwickler dann die Software an individuelle Anforderungen anpassen können, zum anderen aus Sicherheitsgründen. Denn nur wenn eine Software offen ist, lassen sich potenzielle Sicherheitsrisiken zeitnah erkennen und unabhängig vom Hersteller beheben.”

Öffentliche Verwaltung in Deutschland hinkt hinterher

München ist jedoch kein Einzelfall. Bis auf eine wachsende Zahl von Ausnahmen im Bildungssektor setzt ein Großteil der öffentlichen Einrichtungen hierzulande noch auf proprietäre Softwarelösungen. Anders sieht es laut Open Source Observatory Annual Report 2016 (PDF) beispielsweise in Frankreich, den Niederlanden, Spanien, Skandinavien und den baltischen Staaten aus. Dort wird der Einsatz von Open-Source-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung vorangetrieben. Davon profitieren wiederum lokale Unternehmen in diesen Ländern, die solche Lösungen aktiv nutzen oder für andere bereitstellen.

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Die Europäische Kommission hat bereits 2014 eine Open-Source-Strategie vorgelegt, die bis 2017 gilt. Sie sieht vor, dass Open-Source-Lösungen bei Ausschreibungen dieselben Chancen wie proprietäre Lösungen haben. Allerdings tut sich auch die Kommission selbst mit der Umsetzung dieser Strategie schwer. So sind auf 60 Prozent der Client-Rechner der Mitarbeiter der Kommission proprietäre Betriebssysteme im Einsatz; auf weiteren 30 Prozent kommt solche Software ab und zu zum Einsatz.

Die Europäische Kommission hat zwar eine Open-Source-Strategie definiert. Die Mitarbeiter der Kommission setzen aber bislang überwiegend Client-Rechner mit Windows und MacOS ein, also proprietäre Betriebssysteme (Grafik: Open Source Observatory Annual Report 2016)
Die Europäische Kommission hat zwar eine Open-Source-Strategie definiert. Die Mitarbeiter der Kommission setzen aber bislang überwiegend Client-Rechner mit Windows und MacOS ein, also proprietäre Betriebssysteme (Grafik: Open Source Observatory Annual Report 2016)

“Offenheit ist die Grundlage dafür, dass öffentliche Einrichtungen und Unternehmen innovative Lösungen entwickeln können“, betont Peter Ganten. Auch können öffentlichen Einrichtungen viel einfacher Innovationen und Weiterentwicklungen nutzen, die ursprünglich in anderen Behörden gemacht worden sind, weil keine komplizierten Absprachen und Lizenz-Agreements notwendig sind.

Nicht zuletzt in puncto Sicherheit müsse der Anwender dem Anbieter quasi “blind” vertrauen. Ob beispielsweise eine proprietäre Software „Hintertüren“ für Behörden und Geheimdienste enthält, lässt sich bei herstellerspezifischer Software kaum nachprüfen.

Schule und Ausbildung: Open Source fördert das “Selbermachen”

Apropos Umsetzung neuer Ideen: Jungen Leuten dabei zu helfen, eigene Wege zu entwickeln und auszuprobieren, ist eine zentrale Aufgabe von Schulen und Universitäten. Open-Source-Software kann auch in diesem Bereich einen wichtigen Beitrag leisten. Und das in zweierlei Hinsicht.

Zum einen als technische Basis der IT-Umgebung: “In Bremen wird beispielsweise unser Univention Corporate Server, der zu 100 Prozent Open Source ist, bereits seit zehn Jahren eingesetzt, um Schulen mit IT-Services zu versorgen. Diesem Beispiel folgt eine schnell wachsende Zahl von Städten im gesamten deutschsprachigen Raum”, erläutert Peter Ganten.

Open Source im Schulwesen: In Bremen ist der Univention Corporate Server (hier das App Center) bereits seit mehr als zehn Jahren im Einsatz. (Bild: Univention)
Open Source im Schulwesen: In Bremen ist der Univention Corporate Server (hier das App Center) bereits seit mehr als zehn Jahren im Einsatz. (Bild: Univention)

Zum anderen bieten offene Softwarelösungen die Möglichkeit, Schülern und Studierenden Themen wie etwa die Software- und App-Entwicklung näher zu bringen – ein wichtiger Faktor in einem Land wie Deutschland, das auf sein Know-how auf technologischem Gebiet angewiesen ist.

Mindestens ebenso bedeutsam ist aus Sicht von Michael Wilmes, der seit 2014 das SAP-ERP-Kompetenzzentrum der Technischen Universität Berlin leitet, jedoch ein weiterer Faktor. In einem Interview, das in dem Buch “Open Source und Schule” veröffentlicht wurde, stellt Wilmes fest: “Es gibt einen Zusammenhang zwischen Open Access, also dem freien Zugang zu Inhalten und Bildung, Open Content, der möglichst freien Nutzbarkeit von Lerninhalten, und Open-Source-Software als einer Art digitalem Bindeglied.”

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Ebenso wie bei Open-Source-Software sei es auch bei Wissen und Bildung wichtig, keine “Besitzverhältnisse” zu etablieren, sondern Ergebnisse weiterzugeben und kontinuierlich daran zu arbeiten. Dies funktioniert laut Wilmes mit Open-Source-Lösungen deutlich besser als mit geschlossenen Systemen.

Für und Wider neuer Techniken wie Künstlicher Intelligenz

Solche geschlossenen Ansätze können sich sogar zu einer Gefahr entwickeln, etwa in Verbindung mit einer Technologie, die derzeit verstärkt zum Zuge kommt: Künstlicher Intelligenz. “KI und Deep-Learning-Verfahren ermöglichen es, Vorhersagen über das künftige Verhalten von Menschen zu machen“, sagt Peter Ganten. “Der Schlüssel dazu sind Rechenkapazitäten, wie sie Cloud-Datacenter bereitstellen, und die gigantischen Datenmengen, die Suchmaschinen wie Google und Microsoft Bing, Online-Verkaufsplattformen wie Amazon und soziale Netzwerke wie Facebook liefern.”

Offenheit als Grundprinzip (Bild: OSBF)

Auf Basis von Informationen wie dem Kaufverhalten, eingegebenen Suchbegriffen, der “Likes” auf Facebook oder dem Standort können KI-Systeme erschreckend präzise Persönlichkeitsprofile erstellen – und die Kaufabsichten und Wünsche von Nutzern von Software und IT-Diensten ermitteln. Doch nicht nur im Business-to-Consumer-Bereich kommen KI-Techniken zum Zuge. Microsoft hat beispielsweise KI-Funktionen in seine ERP-Software Microsoft Dynamics 365 integriert. Sie bewerten die Risiken von Geschäftstransaktionen und ermitteln, wie sich aus einem Interessenten ein Kunde machen lässt und welche Kunden möglicherweise Abwanderungsgedanken hegen.

Auch vor der Schule macht KI nicht Halt. Es ist unstrittig, dass sich entsprechende Techniken dazu einsetzen lassen, um neue, effiziente Lernmethoden zu entwickeln. Problematisch ist jedoch, dass KI-Systeme tiefgreifende Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Lernenden gewinnen – sei es über Interessen oder verwendete Endgeräte. Solche Daten sind für die Hersteller von enormem Wert, denn sie erlauben Unternehmen beispielsweise, Schülern (oder deren Eltern) maßgeschneiderte Produktangebote zu unterbreiten und Kaufentscheidungen möglicherweise zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Auch für politische und weltanschauliche Gruppierungen sind solche Informationen höchst wertvoll, etwa um gezielt neue Mitglieder zu werben. Insbesondere im Bildungsbereich ist diese Form Datengewinnung deshalb kritisch zu bewerten.

Künstliche Intelligenz durch Open Source “zähmen”

Doch was hat all dies mit Open Source zu tun? Ganz einfach: KI-Systeme dürfen sich nicht in der Hand weniger Unternehmen oder Regierungen befinden. Vielmehr müssen viele KI-Instanzen vorhanden sein, die miteinander in Konkurrenz stehen und deren Ergebnisse sich vergleichen lassen. Das ist unter anderem das Ziel von Open-Source-Projekten wie OpenAI.

Ein Beispiel: Werden die KI-Algorithmen einer Suchmaschine oder eines personalisierten Newsfeeds so manipuliert, dass bestimmte Ergebnisse nicht auftauchen, dürfte das dem Nutzer im Normalfall kaum auffallen. Kommen jedoch mehrere Suchmaschinen und Feeds zum Einsatz, fallen solche Manipulationen relativ schnell auf. Open-Source-Lösungen stellen somit sicher, dass dieses Prinzip der Replizierbarkeit konsequenter umgesetzt werden kann.

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Ein weiterer Aspekt ist die Nachprüfbarkeit. Software-Produkte und Cloud-Dienste müssen transparent sein. Das heißt, Nutzer sollen nachvollziehen können, was solche Lösungen mit ihren Daten “anstellen”. Das setzt voraus, dass es, wie bei Open-Source-Lösungen, Möglichkeiten gibt, die Funktion von Programmen und Cloud-Services zu überprüfen. Nur das kann verhindern, dass Software-Anbieter ihre Produkte so auslegen, dass entweder sie selbst oder Dritte ohne Wissen der User nutzerbezogene Informationen sammeln. Hier kommt zudem der Faktor Verantwortlichkeit mit ins Spiel: Daten, die Menschen im beruflichen und privaten Alltag sowie während der Aus- und Weiterbildung generieren, dürfen nur mit Einwilligung der Betreffenden genutzt werden.

Fazit: Ohne Open Source keine Innovationen

Eine der wichtigsten Funktionen von Open-Source-Lösungen ist sicherlich, dass sie Alternativen zu geschlossenen Softwareprodukten großer Hersteller bieten. Das gilt nicht nur für Desktop- und Server-Betriebssysteme, sondern auch für Lösungen, mit denen sich IT-Umgebungen und digitale “Identitäten” verwalten lassen. Wahlfreiheit bedeutet, dass nicht ein einzelner Hersteller vorgibt, wie und mit welchen Tools Anwender Herausforderungen bewältigen können. Auch die Politik täte gut daran, sich mit Open Source zu beschäftigen, Technologien in ihren eigenen IT-Abteilungen kritisch auf den Prüfstand stellen und quelloffene Software zu fördern.

Es gibt es genügend Beispiele dafür, dass mangelnde Wahlfreiheit zu Stillstand führt. Das gilt nicht nur für die Software-Sparte. Man denke nur an die überschaubaren und dazu kostspieligen Angebote von Unternehmen in Branchen wie TV, Musik und dem Finanzsektor. Erst als Services wie die Streaming-Dienste Netflix und Spotify sowie FinTechs auf der Bildfläche erschienen, bewegten sich die “Großen”. Übrigens setzen sowohl Netflix als auch Spotify Open-Source-Lösungen ein.