Fachkräftemangel mit E-Recruiting überwinden

Arbeitnehmer (Bild: Shutterstock)

In der IT-Branche ist die Anzahl der unbesetzten Stellen für IT-Fachkräfte auf über 50.000 gesprungen, meldete der Bitkom vor Kurzem. Digitalisierungsprojekte verschärfen die Lage noch. Mögliche Auswege sind der Einsatz von IT-Freelancern sowie neue Formen des Recruiting.

Der aktuellen Lünendonk-Studie “Der Markt für Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern in Deutschland” zufolge wird der Umsatz der Personalvermittlungsagenturen in diesem Jahr um 14,6 Prozent und 2018 um 15,2 Prozent wachsen. Die größten zehn Agenturen erreichten letztes Jahr einen Umsatz von mehr als 2,0 Milliarden Euro in Deutschland.

Im vergangenen Jahr haben viele Anwenderunternehmen ihre Compliance-Richtlinien für die Vergabe externer Dienstleistungen verschärft, um mit dem Inkrafttreten des “Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze” am 1. April 2017 rechtssicher aufgestellt zu sein. Die größte Kundengruppe für Anbieter von Rekrutierung, Vermittlung und Steuerung von IT-Freelancern sind laut Lünendonk Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern.

Große Bedeutung der Freelancer in der IT-Branche

Eine Studie von Bitkom Research im Auftrag des Personaldienstleisters Etengo belegt, dass IT-Freelancer in vielen Unternehmen unentbehrlich sind. So bestätigen 70 Prozent der befragten Unternehmen, dass IT-Freiberufler für sie von großer Bedeutung sind. 24 Prozent stufen Freiberufler sogar als “sehr wichtig” ein und 53 Prozent gehen davon aus, dass der Anteil von Freiberuflern an ihren Projekten steigen wird.

Der Etengo-Freelancer-Index (EFX) im Vergleich der Jahre 2016 und 2017. (Grafik: Bitkom Research)
Der Etengo-Freelancer-Index (EFX) im Vergleich der Jahre 2016 und 2017. (Grafik: Bitkom Research)

In den vergangenen sechs Monaten übernahmen Frrelancer ein Fünftel der Projekt-Arbeitsstunden, in den nächsten sechs Monaten wird erwartet, dass sie 25 Prozent des Projektvolumens übernehmen werden. Bei der Beauftragung von Freiberuflern müssen Unternehmen jedoch viel Zeit und Ressourcen investieren, bis ein passender Kandidat für das Projekt gefunden ist.

Die größten Hindernisse beim Einsatz von IT-Freelancern liegen im Budget und in der Verfügbarkeit der Freelancer. (Grafik: Bitkom Research)
Die größten Hindernisse beim Einsatz von IT-Freelancern liegen im Budget und in der Verfügbarkeit der Freelancer. (Grafik: Bitkom Research)

So werden im Durchschnitt vier Termine mit verschiedenen Kandidaten benötigt, bis der Richtige gefunden ist. Besonders schwierig gestaltet sich die Suche, wenn es nur wenige Kandidaten mit den erforderlichen Kenntnissen gibt, wie 59 Prozent der befragten Unternehmen bestätigen.

Empfehlungen der Personalberatungen Paltron und Swissconsult

silicon.de hat zwei Personalberater zu den aktuellen Trends und Strategien in der Personalbeschaffung befragt. Josef Günthner ist Gründer und Geschäftsführer der Paltron. Die Personalberatung ist spezialisiert auf IT und zukünftige Technologien wie Artificial Intelligence, Business Intelligence, Data Science, Big Data, Blockchain, Cloud, IoT und Cyber-Security. Josef Bachmann ist Gründer und Geschäftsführer der Swissconsult Deutschland GmbH, die als Personalberatung ihre Kunden beim Recruiting-Prozess unterstützt.

silicon.de: Wie lässt sich der aufwändige Prozess der Personalrekrutierung durch automatisierte Online-Lösungen ersetzen, gehört also dem E-Recruiting bald die Zukunft?

Günthner: Das Internet wird in keinem Fall den Personalberater ersetzen. Auch wenn das Internet oder auch das sogenannte Robot Recruiting vielfältige Anwendungsmöglichkeiten aufweisen und viele Prozesse automatisieren, stößt die Effizienz hier an ihre Grenzen und daher ist E-Recruiting vorerst nur für die Vorauswahl von Bewerbern geeignet.

 Josef Günthner, Gründer und Geschäftsführer der IT-Personalberatung Paltron (Bild:Paltron)
“Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen immer mehr die Eigeninitiative bei der Bewerbersuche zu ergreifen, sodass Active Sourcing zukünftig der einzige Kanal werden wird, der den meisten Erfolg beim Recruiting verspricht”, meint Josef Günthner, Gründer und Geschäftsführer der IT-Personalberatung Paltron (Bild:Paltron)

Denn auf den höheren Ebenen des Bewerbungsprozesses ist die menschliche Beurteilung weiterhin unersetzlich. Faktoren wie Sympathie oder Teamfähigkeit, die mitentscheiden, welcher Kandidat wirklich auf die jeweilige Stelle und in das Unternehmen passt, lassen sich nicht von künstlicher Intelligenz berechnen.

Das althergebrachte Post & Pray-Recruiting, also “Passive Sourcing”, bei dem Anzeigen geschaltet werden und anschließend auf Bewerber gehofft wird, reicht heutzutage nicht mehr aus. Der Fachkräftemangel zwingt Unternehmen immer mehr die Eigeninitiative bei der Bewerbersuche zu ergreifen, sodass Active Sourcing zukünftig der einzige Kanal werden wird, der den meisten Erfolg beim Recruiting verspricht.

Bachmann: Die Personalberatung kennt zwei Ebenen, einerseits die Personalvermittler und anderseits die Personalberater, die auf Mandatsbasis eine Führungsposition besetzen. Bei den Vermittlern geht es um die Kandidatensuche und das Anbieten von Kandidaten für vakante Stellen im Staff-Bereich.

 Josef Bachmann, Gründer und Geschäftsführer der Swissconsult (Bild: Swissconsult)
“Die Aufgabe des Personalberaters kann nicht über Algorithmen gelöst werden. Beiderseitige humane Bedürfnisse spielen eine große Rolle. Der Personalberater erhält durch das Internet sehr gute Instrumente für seine Aufgabe, kann damit aber nicht ersetzt werden”, so Josef Bachmann, Gründer und Geschäftsführer der Swissconsult (Bild: Swissconsult)

In diesem Bereich lassen sich Arbeitsschritte durch automatisierte Online-Lösungen eher rationalisieren. In der Besetzung von Führungspositionen und Spezialisten jedoch nicht. Ein Personalberater muss die zu besetzende Position, deren Aufgaben, deren humanes und materielles Umfeld zuerst sehr genau kennenlernen.

Die Suche nach Kandidaten geht über Branchen-Know-how und Beziehungen. Viele Führungskräfte scheuen Social Media wegen des zeitlichen Aufwandes der Netzpflege. Um sie anzusprechen, braucht es einen kompetenten Menschen, den ebenbürtigen Personalberater. Der Personalberater ist Partner sowohl des Kandidaten als auch der Unternehmensführung. Seine Aufgabe kann nicht über Algorithmen gelöst werden. Beiderseitige humane Bedürfnisse spielen eine große Rolle. Der Personalberater erhält durch das Internet sehr gute Instrumente für seine Aufgabe, kann damit aber nicht ersetzt werden.

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Im Staff-Bereich sind noch nicht alle Möglichkeiten des E-Recruitings ausgeschöpft. Das E-Recruiting wird noch zunehmen, muss aber effizienter werden. Der Zeit- und Kostenaufwand hat sich auf einer hochpreisigen Ebene stabilisiert. Ein gepflegtes Employer Branding auf den verschiedenen Social-Media-Kanälen können sich nur Konzerne leisten.

Effizienter muss auch der Bewerbungsweg werden. Wenn sich Kandidaten zwei Stunden Zeit nehmen müssen, um sich in der Bewerbungsplattform einzugeben und eine weitere Stunde, um einen Test zu machen, verfliegt die Lust, sich zu bewerben. Was aber weit wichtiger ist, als die automatische Abwicklung des Rekrutierungsprozesses, ist die Menschlichkeit gegenüber der Kandidaten.

silicon.de: Wie geht bei Ihnen ein Personalberater vor, um eine offene Stelle in einem IT-Unternehmen schnellstmöglich zu besetzen?

Günthner: Der Fachkräftemangel beherrscht vor allem die IT-Branche, denn hier suchen Unternehmen besonders händeringend nach geeignetem, qualifizierten Personal. Durch die Nutzung proprietärer Daten und unserer algorithmisierten Multi-Channel-Suche mit manueller Identifikation finden wir für unsere Mandanten die richtigen Kandidaten binnen kürzester Zeit.

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Effektive Meeting-und Kollaboration-Lösungen

Mitarbeiter sind heute mit Konnektivität, Mobilität und Video aufgewachsen oder vertraut. Sie nutzen die dazu erforderlichen Technologien privat und auch für die Arbeit bereits jetzt intensiv. Nun gilt es, diese Technologien und ihre Möglichkeiten in Unternehmen strategisch einzusetzen.

Außerdem bieten wir eine hohe Qualität durch einen Software gestützten, 74-stufigen Auswahlprozess mit zweistufigen Interviews, die eine persönliche und professionelle Einschätzung ermöglichen. Dadurch können wir bereits nach zwei bis drei Wochen erste Kandidatenvorschläge unterbreiten und nach zwei bis drei Monaten eine Besetzung erzielen.“

Bachmann: Die Swissconsult-Berater sind Branchenspezialisten. Sie haben eine Karriere in ihrer Branche bis in geschäftsführende Aufgaben hinter sich. Die Berater kennen dadurch ihren Markt, haben Beziehungen darin, finden Wege zu möglichen Kandidaten und sprechen sie direkt an. Das Internet mit seinen Kandidaten- und Jobbanken wird als Unterstützung genutzt, denn es bietet viele Hinweise zur Ergänzung von Informationen über Kandidaten. Aber effizienter sind Beziehungen, die mit langjähriger Personalberatertätigkeit ein engmaschiges Netz über die Branche legen.

silicon.de: Und welche Erfahrungen haben Sie dabei mit One-Click-Bewerbungen?

Bachmann: Je einfacher und je schneller ein Kandidat sich bewerben kann, desto eher tut er es. Das hat zwei Seiten. Einerseits gibt es viele Bewerbungen, anderseits müssen Recruiter aus einer Vielzahl von Bewerbungen die passenden herausfiltern, was aufwendig ist. Bei One-Click-Bewerbungen sind Algorithmen für den Abgleich kaum möglich, denn One Click verlangt nach einer ganz einfachen Bewerbungsform mit möglichst wenig Schreibaufwand für den Kandidaten.

Entsprechend stehen vorerst wenig Kandidateninformationen zu Verfügung. Swissconsult kennt ein einfaches One-Click-Bewerbungsverfahren über die Homepage, das sowohl für die Bewerbung auf ausgeschriebene Positionen als auch für Initiativbewerbungen genutzt wird. Damit erreichen wir oft Kandidaten, die durch unser Kontaktnetz nicht erfasst werden.

silicon.de: Welche Rolle spielt die Personalabteilung beim Beratungsprozess?

Günthner: Wir kooperieren zu 50 Prozent mit der HR-Abteilung des Unternehmens und zu 50 Prozent mit den entsprechenden Hiring-Managern, also der Fachabteilung. Denn nur durch die Verbindung der beiden Parteien kann das bestmögliche Ergebnis erzielt werden. Die Fachabteilung sollte vorab genau definieren, welche Aufgaben in den Tätigkeitsbereich des zukünftigen Mitarbeiters fallen werden, wie viele Aufwandsstunden die jeweiligen Aufgaben umfassen und welche Qualifikationen unabdingbar für die Ausführung sind, bevor die Personalabteilung und wir als Personaldienstleister mit der Suche beauftragt werden. Denn nur mit einem präzisen Briefing können dann geeignete Kandidaten gefunden werden.