RFID – mehr ‘Zwang zur Nachfrage’ als echte Nachfrage

Nicht RFID an sich ermöglicht Einsparungen und Effizienzen, sondern die Serialisierung von Produkten auf Artikelposten-Ebene

Nachdem die zweite Generation der RFID-Technologie (Radio-Frequency Identification) nach dem europäischen UHF- beziehungsweise dem US-amerikanischen EPC-Standard nicht planmäßig auf den Markt gekommen ist und sich bei den Problemen im Hinblick auf das geistige Eigentum keine Lösung abzeichnet, nehmen die Anwender nun eine abwartende Haltung ein, bis sich die zweite Generation als ratifizierter Standard etabliert hat. Die Anbieter bekommen dies als Investitionsstau zu spüren. Für die Lieferanten ist der Nutzen der von den Einzelhändlern geforderten RFID-Etiketten bislang noch nicht sichtbar, und sie erfüllen diese Forderungen meist in Form einer so genannten ‘Slap and Fit’-Implementierung (Etiketten aufkleben und versenden ohne Integration der Backoffice-Systeme).
Angesichts der Probleme, die es dann im Einzelnen zu beheben gilt, geht die Meta Group davon aus, dass 2005 von Pilotprojekten gekennzeichnet sein wird, und es noch weniger um den tatsächlichen Mainstream-Einsatz geht. Anwendern wird geraten, entsprechend zu planen und zu budgetieren.

EPC UHF – 2. Generation

Die ‘Hardware Action Group’ von EPCglobal hat sich auf diesen Standard geeinigt; er sollte im 4. Quartal 2004 ratifiziert werden. Darin wurden die Anwenderanforderungen aus der Branche Verbrauchsgüter, bestimmten Einzelhandelssparten und dem US-Militär berücksichtigt. Er unterscheidet sich vor allem hinsichtlich seiner Lese-/Schreib-Fähigkeiten, beim Memory und der Leistungsfähigkeit in operativen Supply-Chain-Prozessen. Diese Generation der Tags/Etiketten der Klasse 1 wird sowohl von Wal-Mart als auch vom Verteidigungsministerium bevorzugt und ist zunächst nur für Nordamerika gedacht. Allerdings dürfte es auch nach der Ratifizierung des Standards noch eine ganze Weile dauern, bis diese Etiketten tatsächlich verfügbar sind, da die Chiphersteller mindestens acht Monate für die Entwicklung, den Test und die Herstellung benötigen.

Geistige Eigentumsrechte

Ein wichtiger Grund für die Verzögerungen bei der Erstellung einer einzigen Empfehlung für die EPC-UHF-Generation 2 waren die geistigen Eigentumsrechte. Ein fundamentales Prinzip der EPC-Vision ist, dass die Mitglieder ihr geistiges Eigentum ohne Nutzungs- beziehungsweise Lizenzgebühren zur Verfügung stellen sollen, damit die Kosten für das EPC-System möglichst niedrig gehalten werden können und damit der Nutzungsgrad steigt. Doch angesichts von über 4000 RFID-bezogenen Patentanträgen – von denen wiederum viele von Firmen gestellt wurden, die keine EPCglobal-Mitglieder sind – bleibt die Hardwarelizenzierung für die Hardwarehersteller ein Problem.

Der Vorrat an Etiketten ist knapp, die Preise steigen

Während die Anwender also auf einen stabilen Standard der 2. Generation warten, treiben sie ihre Pilotprojekte mit Etiketten der Klassen 0 und 1 voran – wenn sie denn welche bekommen können. Wie Berichte von Anwendern zeigen, gibt es bei diesen Etiketten Lieferschwierigkeiten; sowohl bei Alien Technologies als auch bei Zebra Technologies sind die Tags anscheinend ausverkauft. Den Anbietern von Etiketten liegt zwar sehr daran, ihre Bestellbücher voll zu kriegen, doch bei der Lieferung hapert es.

Der Business Case aus neuer Sicht

Um Lieferanten zu beruhigen, für die ein positiver ROI bislang nicht zu erkennen ist, wenn sie die Anforderungen des Einzelhandels erfüllen, haben Procter & Gamble (P&G) und Wal-Mart, sozusagen auf der Bühne, bei der US-amerikanischen Konferenz von EPCglobal den Wert der kollaborativen Nutzung von Daten demonstriert. Dafür, dass P&G seine Lieferungen (und letztendlich langfristig auch Produkte) mit Etiketten versieht, erlaubt Wal-Mart P&G Einsicht in die interne Supply Chain, wodurch P&G in die Lage versetzt wird, seine Produktion und Logistik gezielter abzustimmen; dasselbe gilt für Werbung und Abrechnungen. Von dieser Möglichkeit des Zugriffs auf solche Daten träumen Lieferanten schon lange.

Der Schlüssel: Serialisierung

Bei dieser neuen Betrachtung des Business Case wird deutlich, dass nicht RFID an sich solche Einsparungen und Effizienzen ermöglicht, sondern vielmehr die Serialisierung von Produkten auf der Artikelposten-Ebene. Solche Nutzeneffekte könnten (auch) durch eine Serialisierung auf der Artikelposten-Ebene über Strichcodes erzielt werden, und so wird diese Serialisierung sowohl bei Strichcodes als auch bei RFID-Etiketten zu finden sein, was wiederum dazu führen könnte, dass infolge von RFID der wahre Umbruch bevorsteht.

Vorhang auf für scan-basiertes Trading?

Die gemeinsame Nutzung kollaborativer Daten ist an und für sich nichts Neues. CPFR (Collaborative Planning, Forecasting & Replenishment), also die gemeinsame Planung, Prognose und Bevorratung, gibt es schon seit zehn Jahren. Die Serialisierung von Behältern und Paletten ist nur eine schrittweise weitere Verbesserung des so genannten SKU-Trackings, also der Verfolgung von Waren anhand der ‘Stock-Keeping Unit’ beziehungsweise der Artikelposition. Durch die Nutzung von Technologien, die es erlauben, ein Produkt durch die Lieferkette bis zum Point of Sale, also dem Verkaufspunkt oder bis zur Kasse zu verfolgen, als auch durch die gemeinsame Nutzung kollaborativer Daten und Geschäftsprozesse mit Lieferanten, bereitet Wal-Mart die Bühne für einen Wechsel hin zum scan-basierten Trading.

Bottom Line: Obwohl bei den Tags der zweiten Generation mit Verzögerungen zu rechnen ist, sollten Anwender sich auf einen Upgrade vorbereiten und sicherstellen, dass bei Hardware, Software, Anbieterverträgen und der Erfüllung von Anforderungen der verlängerten Zeitspanne für die Einführung Rechnung getragen wird.

Business Impact: EPC-basierte Nutzeneffekte von RFID kommen in erster Linie durch die Serialisierung der Produkte und den Nutzen zum Tragen, der von Unternehmensapplikationen generiert wird, die mit diesen Daten arbeiten.