Uwe Hauck

hat Computerlinguistik und Künstliche Intelligenz studiert. Heute ist er Senior Software Engineer bei einem IT Dienstleister.

Betriebsrat und Web 2.0: Zwei Welten treffen aufeinander

Vielen Betriebsräten ist das ganze Konzept von Social Media wider erwarten sehr fremd. Es geht um Teilen und um Infoaustausch jenseits von Rollen und Titeln. Aber gerade da haben viele Betriebsräte offensichtlich Schwierigkeiten.

Was, wenn der Mitarbeiter A in sein Profil Skills stellt, die ihn zum Keyplayer machen? Was passiert dann mit den Mitarbeitern B-X? Und wer bestimmt, was der Mitarbeiter denn überhaupt online stellen darf?

Ähnlich mancher Führungsebene haben oft auch Betriebsräte echte Probleme mit dem Konzept der Selbstverantwortung. Wie oft habe ich den für mich geradezu irrsinnigen Spruch gehört: “Wir müssen die Mitarbeiter vor sich selbst schützen.” Da sage ich nur: Wie bitte? Jetzt bestimmen andere darüber, was ich von mir preisgebe, wie ich mich beruflich vermarkte?

Dabei geht es dem Betriebsrat doch schon längst ähnlich wie den gesamten Managementbereichen. Wenn es verboten oder kontrolliert wird, geschieht es halt außerhalb der Firma, oder zumindest via Smartphone außerhalb der Firmen-IT.

Viele Mitarbeiter, die soziale Netzwerke auch für die Arbeit nutzen haben längst erkannt, dass sie dadurch effektiver an relevante Informationen kommen, schneller Hilfe finden und sich schlichtweg einfacher und effektiver vernetzen können.

Anstatt sich gegen die neuen Techniken mangels Wissen aufzulehnen und sie generell abzulehnen ist es längst an der Zeit, neben den Gefahren, auch die großen Nutzerpotentiale zu finden. Gerade Betriebsräte sollten wissen, dass Vernetzung das A und O ist. Entweder sie agieren zusammen mit Firmenleitung und Mitarbeitern mit einer positiven Grundhaltung, oder sie werden immer mehr abgehängt.

Die Aussagen die Gewerkschaften wie Verdi zu Urheberrecht und Datenschutz getätigt haben zeigen, dass es noch viel Aufklärungsarbeit bedarf, bis auch die Betriebsräte die Potentiale sozialer Netzwerke erkennen. Wir sollten uns mehr darauf fokussieren, die Gefahren zu minimieren, anstatt eine ganze Technologie abzulehnen.

Vielleicht ist es aber auch die Grundsorge vor dem Kontrollverlust. Wenn der Mitarbeiter plötzlich selbst bestimmt, wie er im Internet agiert, wie er sich präsentiert und wie er das Netz nutzt, dann braucht er die Kontrollinstanz dort ja nicht mehr oder – viel “schlimmer” – organisiert und informiert sich an den per definitionem gesetzten “Fachleuten” vorbei. So verlieren die Kopfmonopole ihre Bedeutung. Und das kann mehr schmerzen als jeglicher anderer Verlust an Einfluss.

Man sieht, auch hier ist es weniger eine Frage der Technologie als vielmehr ein Kulturwandel der Institutionen, der durch Social Networking bedingt wird. Die Technik ist nur Mittel zum Zweck. Aber eine Kultur des Tauschs, des “Sharing” muss sich etablieren, damit die Technik auch genutzt wird. Starre Hierarchien und gestriges bürokratisches Denken machen Social-Media-Initiativen schon im Ansatz kaputt. Nur wenn “Social Media” auch gelebt UND erlaubt wird, kann sich die Kultur etablieren und zu einem Gewinn für beide Seiten führen.



  1. Die Betriebsräte sind weniger das Problem
    Die Betriebsräte sind weniger das Problem. Ich denke, wir Betriebsräte haben kein Problem damit, dass sich Kollegen vernetzen – gerne auch per web 2.0

    Probleme entstehen aber dann, wenn kritische Äußerungen über das Unternehmen, in dem die KollegInnen arbeiten, via web 2.0 in die Öffentlichkeit getragen werden oder wenn ‘Kollegen’ anfangen per web 2.0 zu mobben. Da hat dann nicht der Betriebsrat ein problem mit Kontrollverlust, da könnte der betreffende Beschäftigte ein Problem mit Arbeitsplatzverlust oder zumindest richtig massivem Druck bekommen. Mir ist ein Fall persönlich bekannt, in dem ‘Lästern’ auf einer eigentlich nicht-öffentlichen mail-Liste zur massiven arbeitsrechtlichen Bedrohung des Betroffenen geführt hat.

    Regelungen, ob im Unternehmen web 2.0 erlaubt ist, und wenn ja, was erlaubt und was nicht erlaubt ist, können da für die Beschäftigten durchaus hilfreich sein.

  2. Hängt sicher auch vom Unternehmen ab
    Ich denke, je affiner ein Unternehmen den IT Technologien gegenübersteht umso besser. Denn dann ist oft auch der BR eher geneigt, solche Technologien auch als Enabler zu verstehen. Aber oft erlebe ich in Gesprächen das genaue Gegenteil. Da darf sich kein Programm automatisch im Netz anmelden, weil man sonst ja überwachen könnte, dass der Mitarbeiter am Rechner sitzt. Es gibt halt solche und solche aber aus meiner Erfahrung in Gesprächen noch viel zu sehr die Verhinderer und nicht die Ermöglicher.

  3. Betriebsrat blockiert meistens nicht, es ist jedoch wichtig einen Mittelweg zu finden
    Betriebsräte blockieren meiner Erfahrung nach meistens nicht die Einführung von Social Media. Meine persönliche Meinung ist, dass es jedoch wichtig ist, den Betriebsrat möglichst früh in Social Media Projekte ? insbesondere bei Enterprise 2.0 ? zu involvieren. Dann können etwaige Vorbehalte gleich von Projektbeginn an ausgeräumt werden.
    Ich kann mich nur dem Kommentar von Herrn Gerhard Jüttner anschließen, dass Enterprise 2.0 auch negative Seiten, wie Mobbing zur Folge haben kann. Aus diesem Grund kann es meiner Meinung nach nur förderlich sein, wenn der Betriebsrat solche Probleme verhindern will. Viele Social Media Evangelisten, die sich gerne auch als Digital Natives sehen, bezichtigen dann Betriebsräte gerne als Blockierer.
    Zum Schluss noch ein kurzes Beispiel aus der Praxis (mehr in unserem Blog: http://goo.gl/BVzQd ) :
    In einem Enterprise 2.0 Projekt wollten wir ein Rating, für von Usern eingestellten Content, einführen. Das Rating sollte die bekannte Skala von 1-5 haben. Der Betriebsrat hat sich hier gegen die Skala ausgesprochen, da man Probleme sah, falls Content von Kollegen schlecht bewertet wird. Wir haben dann eine Skala, die nur positive Werte enthält (gut, sehr gut und exzellent), mit dem Betriebsrat entwickelt. Diese Skala wurde von den Usern sehr gut angenommen.
    Von Social Media Evangelisten habe ich hier jedoch nur das Feedback erhalten, dass es mit dieser Skala nicht möglich ist, guten von schlechtem Content zu unterscheiden. Dies veranschaulicht meiner Meinung nach ganz schön, wie wichtig es ist einen Mittelweg zu finden, der vielleicht nicht ganz perfekt, jedoch immer noch besser ist, als ganz auf Social Media bzw. Enterprise 2.0 zu verzichten.

    Peter Soth
    exensio GmbH
    http://www.exensio.de