Maurizio Canton

ist CTO EMEA bei TIBCO Software.

Das Ende der Unternehmenssilos

Marketing-Bla-Bla (MBB) nutzt wenig, wenn nicht einmal die eigenen Mitarbeiter die Slogans verinnerlichen. Denn so genannte Daten-Silos, also Gräben und Mauern um Daten herum, gibt es auf allen Ebenen, weiß Maurizio Canton von Tibco.

Silos – das sind nicht nur die bekannten zylinderförmigen Getreidelager, sondern auch die lästigen Trennwände und Hierarchien, die sich in vielen Unternehmen breit gemacht haben und deren Bekämpfung so unglaublich schwierig ist.

Silos kommen in vielerlei Gestalt daher und erweisen sich oft als äußerst hartnäckig und tief verankert. Sie sorgen dafür, dass jeder Mitarbeiter in seiner kleinen “Schublade” existiert und denkt, abgegrenzt und von seiner Umgebung isoliert. Sie verfestigen eine Mentalität, die zwischen “denen” und “uns” unterscheidet – eine Mentalität, unter der die Unternehmenswelt schon seit jeher leidet.

Selbstverständlich ist auch dem phantasielosesten Zahlenjongleur mittlerweile klar, dass eine in Silos gefangene Belegschaft nicht ohne Auswirkungen bleibt, dass wertvolle Kenntnisse und Fähigkeiten auf einzelne Unternehmensbereiche beschränkt bleiben und dass tiefe Gräben den Austausch von Wissen und bewährten Vorgehensweisen verhindern. Unternehmenssilos führen dazu, dass Arbeitsprozesse endlos oft wiederholt oder zu sehr viel höheren Kosten nach außen verlagert werden. Die daraus folgende Ineffizienz untergräbt Performance und Profite des Unternehmens und erklärt, warum nahtlos integrierte Teams in der modernen Wirtschaftstheorie verehrt werden.

Vom Marketingmaterial, das unbeachtet im Foyer liegt, über Einführungsveranstaltungen für neue Mitarbeiter bis hin zur Jahresversammlung wird keine Gelegenheit ausgelassen, um eine Unternehmenswelt zu lobpreisen, die durch eine Vision und eine Kultur gekennzeichnet ist, bei der alle an einem Strang ziehen und durchweg einer Mentalität verpflichtet sind, die auf den vielgerühmten Unternehmenswerten beruht.

So weit, so schön. Wenn allerdings versucht wird, diese Theorie auf die Praxis zu übertragen, erweist sie sich schnell als Utopie. Markenwerte können bis zu einem gewissen Grad nützlich sein, indem sie als Barometer dafür dienen, wer oder was zur Unternehmenskultur passt, indem sie wichtigen Input für Einstellungen, Herauf- und Herabstufungen liefern und Frontline-Mitarbeiter auf Linie bringen, deren Buy-in so wichtig ist, um konkurrenzfähig zu bleiben.

Jenseits der Vorstandsetagen entwickeln all die schönen Reden in der Realität aber meist wenig Effekt. Die stundenlange Suche nach griffigen Slogans ist unweigerlich verlorene Liebesmüh, denn die so sorgsam formulierten Zeilen werden von den Kollegen an vorderster Front kaum registriert. Im grellen Licht dieser Anstrengungen offenbaren sich vielmehr die tiefen Risse innerhalb des Unternehmens und die fehlgeleitete Erwartung, dass gutes Marketing diese Risse übertünchen kann.

2016 steht endlich Abhilfe parat: Data Analytics macht sich bereit für die Bewältigung ihrer vielleicht vornehmsten Aufgabe – der Beseitigung von Mauern und Gräben, der Eliminierung von Unternehmenssilos.

Indem sie Unternehmensdaten so gründlich wie nie zuvor analysiert und der Wertschöpfung zuführt, hat die Verschmelzung von forensischer Datentechnologie und menschlichem Sachverstand die Welt der Daten revolutioniert und sie zum Schlüssel für Geschäftsentscheidungen gemacht. Unterstützt durch den Siegeszug mobiler Technologien und Cloud-Anwendungen, gehen führende Unternehmen nun einen Schritt weiter und führen ein Thema, das bis dato für seine Komplexität berüchtigt und die Domäne von Datenwissenschaftlern und Spezialisten war, am Arbeitsplatz ganz normaler Anwender ein.

Visualisierung heißt das Zauberwort, das Statistikdaten in übersichtliche Grafiken verwandelt, aus denen sofort ersichtlich ist, worum es bei den zugrundeliegenden Daten geht. Auch technisch weniger versierte Anwender können so auf einen Blick Performanceschwankungen erkennen und in Echtzeit wertvolle Einblicke gewinnen. Das Fazit: Empowerment und Unabhängigkeit, die ohne Zweifel die traditionellen Hierarchien durcheinanderwirbeln und zur Beseitigung von IT-Engpässen und einer Kultur der Abhängigkeit führen werden, bei der nur einige wenige in der Lage sind, aus Daten Informationen zu destillieren.

Auch wenn der Zugewinn an Effizienz auf der Hand liegt, gehen die Auswirkungen doch noch erheblich tiefer. Die Demokratisierung der Daten sorgt für ausgeglichenere Verhältnisse unter den Akteuren. Wissen ist Macht, und nur wenn dieses Privileg über die üblichen Grenzen hinaus ausgedehnt wird, entstehen die Transparenz und Gleichberechtigung, die unabdingbar sind, um tief verankerte Silos aufzubrechen.

Mehr Freiheit beim Abruf und der gemeinsamen Nutzung von Informationen ist nur der erste Schritt auf dem Weg von der Passivität zur Proaktivität und zur Formung einer Unternehmenskultur, in der die Mitarbeiter aus eigenem Antrieb zu Erkenntnissen und Resultaten gelangen, ohne lange auf entsprechende Anweisungen zu warten. Gleichzeitig wird es immer mehr darum gehen, wer was weiß und wer was wissen möchte oder muss.

Natürlich wird diese Entwicklung nicht über Nacht vonstatten gehen, aber sie nimmt spürbar Fahrt auf. Am sichtbarsten ist dies an der Frontline, dort, wo es wirklich darauf ankommt. Immer mehr Verkaufsteams nutzen die Möglichkeit, selbstständig auf Daten zuzugreifen, um die nötigen Informationen für den Kundenservice zu erhalten. Anweisungen von der Geschäftsführung brauchen sie dafür nicht.
Ironischerweise hat eine Empowerment-Technologie, mit der die Anwender individueller denken und handeln können, das Potenzial, Barrieren zu überwinden und eine durchlässigere, integrierte Umgebung zu schaffen.

Eines ist jedenfalls sicher: In der Arbeitswelt der Zukunft wird es von größter Wichtigkeit sein, was der einzelne Mitarbeiter weiß. Wen er kennt, wird dagegen sehr viel weniger wichtig sein.