Jörg Hesske

ist Country Manager bei VMware Deutschland. Nach längeren Aufenthalten in Frankreich und den USA beobachtet er auch internationale Zusammenhänge mit großem Interesse.

Der holprige Weg der öffentlichen Verwaltung in die Cloud

So vergleichbar die öffentliche Verwaltung und die Wirtschaft sein mögen, gibt es doch einige wesentliche Unterschiede. Der öffentlichen Hand ist zwar effizientes und kostensparendes Wirtschaften ein Anliegen, doch ist eine funktionierende Verwaltung in erster Linie darauf angelegt, ihre Aufgaben im Sozialwesen zu erfüllen – Aufgaben, die in der überwiegenden Zahl nicht anderweitig erbracht werden können.

Mehr als jedes Unternehmen ist eine Behörde im Fokus des öffentlichen Interesses und an eine Vielzahl von Regelungen gebunden. Behörden und Verwaltungen in den verschiedenen Bundesländern und Kommunen kämpfen oftmals recht ähnliche Kämpfe, wenn es um die Gratwanderung zwischen Sparvorgaben auf der einen und der Erfüllung ihrer Pflichten gegenüber dem Steuerzahler auf der anderen Seite geht. Hier würde eine intensive Kooperation der Agierenden naheliegen. Gemeinsam lassen sich Kräfte bündeln und Synergien besser nutzen. Doch in einer föderalen Struktur gibt es die Tendenz, dass Kommunen und Länder auf ihre individuelle Art versuchen, unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben ihre Aufgaben optimal zu erbringen.

In diesem Spannungsfeld zwischen Autonomie und Kooperation bewegt sich auch die IT im öffentlichen Sektor. Auf der einen Seite lockt ein hohes Einsparungspotenzial. Jeder IT-Dienstleister, der für öffentliche Verwaltungen arbeitet, jeder Entscheidungsträger einer beliebigen Behörde und erst recht jeder Landes-CIO wird eines gern bestätigen: Die Rationalisierungspotentiale in staatlichen und kommunalen Rechenzentren sind enorm. Hochrechnungen gehen beispielsweise davon aus, dass in Bund, Ländern und Kommunen mehr als 12.000 Anwendungen im Einsatz sind. Und niemand bestreitet ernsthaft, dass ein Bruchteil davon auch genügen würde, um alle Fachverfahren – von der kommunalen Friedhofsverwaltung bis zur Gewerbesteuer – abzudecken.

Noch ist der Austausch im kommunalen Bereich limitiert, Kooperationen finden vor allem auf Länderebene statt. Doch zeigen diese, welche Schätze gehoben werden könnten. Alleine die Konsolidierung von Rechenzentren birgt großes Potenzial.

Beispiel Bayern: Hier ist die Überführung der über 1000 staatlichen Rechenzentren und IT-Betriebszentren in die beiden Rechenzentren Nord und Süd schon sehr weit gediehen. Dass solche Rechenzentren zu einem sehr hohen Grade virtualisiert, Compliance-gerecht automatisiert und damit in ihrer Effizienz optimiert sind, ist selbstverständlich.

Rechenzentrumsvirtualisierung als erster Schritt auf dem Weg zur privaten Cloud

Doch was bremst die Entwicklung? Zum einen ist es die Sorge um Datensicherheit, Datenschutz und Datenhoheit. Dass dieses Vertrauensproblem nicht unbedingt stichhaltig ist, zeigen Kooperationen bei Finanzverwaltungen, der Justiz und der Polizei: hier werden bereits heute Applikationen geteilt und zugleich die Ressorthoheit über die Daten gewahrt. Lauter werden die Bedenken, wenn es nicht mehr “nur” um ein Shared Service Center, sondern um Cloud Computing geht. Eine Public Cloud, in der die Daten weltweit verschoben werden können, ist ohnehin ein Unding für den öffentlichen Sektor.

Interessanter, wenn auch noch manchmal skeptisch betrachtet, ist eine private Cloud für die öffentliche Verwaltung. Von ihr erwarten sich die Verantwortlichen Effektivitäts-, Einspar- und Effizienzpotenziale, ohne Kompromisse bei Sicherheit eingehen zu müssen. Zu Recht, denn von technischer Seite ist die Sicherheit der Daten, deren Abschottung vor anderen Bereichen und fremden Zugriffen, kein Problem. Ausgereifte Lösungen für virtualisierte Umgebungen überwachen den Betrieb, sichern die virtuellen Server gegen den Abfluss von sensitiven Daten und gewährleisten Compliance und die Authentifizierung der Anwender.

Auf der anderen Seite aber geht es auch bei einer privaten Cloud nicht nur um Technik. Es braucht Strukturen, die auf der technischen und auf der Organisationsschicht die nötige Elastizität mitbringen. Und es braucht Vertrauen in die Anbieter, meist bewährte und vertrauenswürdige IT-Dienstleister der öffentlichen Hand. Sie haben die Kapazität und das Know-how, eine flexible und den jeweiligen Bedürfnissen angepasste Lösung zu realisieren. Sie stehen meist in engem Kontakt mit den Herstellern und sind Profis in der Umsetzung der spezifischen Lösung.

Alle Komponenten für einen erfolgreichen Einstieg in eine private Cloud für die öffentliche Verwaltung sind vorhanden: Die Technik ist ausgereift, die Industrie und die Lösungspartner stehen auf Abruf. Es ist jetzt an den Organisationen der öffentlichen Hand, Know-how und Tools abzurufen.



  1. private vs. public cloud
    Guter Artikel. Dennoch muss ich entgegenhalten, dass auch die private cloud keinen 100%-igen Schutz bietet. Auch hier werden öffentliche Infrastrukturen benutzt und machen das Netzwerk angreifbar.
    Die Frage, die sich der Staat stellen muss, ist, inweiweit er ein gewisses Risiko akzeptieren kann. Und überwiegen die Vorteile so enorm, dass das Risiko vernachlässigt werden kann.
    Eine vollständig private Cloud-Infrastruktur ist nicht ökonomisch sinnvoll.

  2. private vs. public cloud
    Guter Artikel. Dennoch muss ich entgegenhalten, dass auch die private cloud keinen 100%-igen Schutz bietet. Auch hier werden öffentliche Infrastrukturen benutzt und machen das Netzwerk angreifbar.
    Die Frage, die sich der Staat stellen muss, ist, inweiweit er ein gewisses Risiko akzeptieren kann. Und überwiegen die Vorteile so enorm, dass das Risiko vernachlässigt werden kann.
    Eine vollständig private Cloud-Infrastruktur ist nicht ökonomisch sinnvoll.

  3. Cloud-Typen für die öffentlichen Rechenzentren
    Die Frage hier ist nicht: Private oder Public Cloud. Die öffentlichen Rechenzentren sind die optimalen Anbieter für die Community Cloud: Sie sind eine vertrauenswürdige, gut bekannte Instanz.
    Sicherlich sind alle Technologien vorhanden – genauso wie die realisierbaren Potentiale. Allerdings bleibt die Frage, was jede einzelne leistungsbeziehende Einheit bereit ist zu zahlen. Wenn man nicht gerade die "reichen" Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg nimmt, sondern Mecklenburg-Vorpommern oder Brandenburg, dann stellt sich die Frage, wieviel beispielsweise eine Desktop wert ist? Denn der Preisunterschied zwischen dem klassischen Ansatz und einem Desktop-as-a-Service-Ansatz (egal mit welcher Technologie implementiert) ist enorm. Unbenommen hat DaaS viele Vorteile, aber ist eine Kommune beispielsweise bereit, dafür zu zahlen? Wenn der große Vorteil der Cloud – die Flexibilität – nicht benötigt wird, ist die Diskussion durchaus so etwas wie "geerdet".

  4. ad Kommentar 2: Jörg Mecke; ?Cloud-Typen für die öffentlichen Rechenzentren?
    Der Weg in die Cloud wird für die Öffentliche Verwaltung in der Tat durch ?Private Cloud (inklusive ÖPPs, dediziertes Otsourcing)? und ?Community Cloud (Zusammenschluss mehrerer Private Clouds)? bestimmt sein, was auch die aktuellen Diskussionen widerspiegelt. Die Public Cloud wird in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle spielen. Durch den Community Cloud Ansatz werden nicht nur die steigenden Bedarfe an Kooperationen adressiert, sondern die Vorteile einer privaten mit denen einer Public Cloud verbunden. Genau diesen Ansatz adressieren wir mit unserer Cloud Platform und dem zugrundeliegenden Bewusstsein, dass jede Cloud den individuellen Rahmenparametern des einzelnen Kunden oder einer klar abgegrenzten Gruppe von Kunden gerecht werden muss.
    Was das Thema Desktop as a Service anbelangt bin ich davon überzeugt, dass mittelfristig auch ?kleinere? öffentliche Institutionen wie bspw. die angeführten Kommunen sich diesem Ansatz nähern werden (müssen!?). Ein reiner Vergleich des ?Desktops?, sei er physisch oder virtuell wäre hierbei jedoch nur die halbe Wahrheit und der halbe Nutzen. Nähert sich man von dieser Seite, ist ja nicht nur das Thema Lizenz + bspw. Thinclient vs. reiner HW ausschlaggebend, sondern auch die Laufzeiten der notwendigen Geräte und Ersatzbeschaffungen. Zudem die notwendigen Kapazitäten, die zur Administration und Wartung notwendig sind. Es ist absolut richtig, dass jeder, der sich mit dem Thema auseinandersetzt, seine eigene Wirtschaftlichkeitsbetrachtung macht, die neben den Kosten auch den Nutzen mit berücksichtigt. DASS sich jeder dieser Frage annehmen sollte, ist allein durch die gesetzlich verankerte Schuldenbremse und klamme Kassen sowie die damit einhergehende Konzentration auf die ?Kernkompetenz? nicht nur sinnvoll, sondern aus meiner Sicht zwingend erforderlich. Dabei ist jedoch, wie bereits erwähnt, der Desktop an sich nur ein Teil des Ganzen. Wir müssen hier das ?Enduser-Computing? in den Mittelpunkt stellen und hier geht es nicht nur um den Desktop an sich, sondern unterschiedlichste Endgeräte, die Einzug halten werden ? sei es Smartphones, Tablet PCs, Laptops etc. Zudem auch das Thema, wie Applikationen in Zukunft bereitgestellt werden. Ein gutes Beispiel ist hier die neue Personalausweis-Applikation, die in unterschiedlichsten Umgebungen (und tlw. Betriebssystemen) lauffähig sein muss. Durch eine Bereitstellung per ThinApp, konnten hier einige Kommunen teure Anpassungen umgehen und die Zeit bis zur Bereitstellung/ Nutzung deutlich reduzieren. Ich bin mir sicher, dass die gemeinsame Nutzung von Applikationen in Zukunft deutlich steigern wird und hierdurch dem ?Enduser Computing? inkl. der Desktop Virtualisierung ein großer Stellenwert auch bei kleineren Installationen zukommen wird. In den meisten Fällen werden sich bei einer Gesamtbetrachtung der Kosten und des Nutzens signifikante (auch finanzielle) Vorteile ergeben.

  5. Nachholebedarf
    Es ist wohl unbestritten, dass die öffentliche Verwaltung Nachholebedarf in Sachen Agilität hat. Ob jedoch die Tools für ‘Everything as a Service’ aus der Cloud bereits den notwendigen Reifegrad haben, um die geforderten Merkmale abzubilden, bleibt ebenso abzuwarten. Damit es keine Abstürze von Wolke 7 und frustrierte Anwender der neuen Cloudtechnologie gibt, brauchen wir seitens der Hersteller Tranzparenz zum wirklichen Maturity Status der Tools. d.h. konkrete Informationen was geht und auch was nicht geht. Denn nur so können daraus erfolgreiche Pilotimplementierungen wachsen.