Christian Kallenbach

ist bei Verne Global für den Vertrieb und das Business Development in Central Europe verantwortlich.

Energie als Innovationstreiber

Christian Kallenbach, silicon.de jüngster Blogger-Neuzugang ist verhalten optimistisch, was die Zukunft unseres Energiehaushaltes für Rechenzentren betrifft. Alles fing im Grunde mit einem Bernstein und einem Fell an.

Als im Jahre 600 vor Christus der griechische Philosoph und Mathematiker Thales von Milet ein Stück Bernstein an einem Tierfell rieb, machte er eine verblüffende Entdeckung: Kleine Teile wie Federn und Stroh blieben daran haften. Milet konnte sich dieses Phänomen nicht erklären. Im Grunde genommen war es aber schon die Entdeckung der Elektrizität.

Die Menschheit brauchte aber noch etliche Jahrhunderte, bevor sie mit dem neuen Phänomen arbeiten und es vor allem für sich nutzen konnte: Nachdem Ampère, Ohm und Faraday wichtige Entdeckungen und Entwicklungen unternommen hatten, folgten bahnbrechende Innovationen:

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1840-1879 wurde das erste Transatlantikkabel für eine Telegrafenverbindung zwischen Europa und den USA verlegt. 1866 erfand der deutsche Ingenieur Siemens die erste Dynamomaschine. Es war der erste Generator, der wirklich in der Praxis eingesetzt werden konnte. 1877 verbesserte Edison nicht nur die Glühlampe, sondern stellte den ersten Phonographen vor, den Urahn von MP3-Playern und iPods. Außerdem entwickelte er unter anderem den Filmprojektor.

Weder Edison noch seine Zeitgenossen konnten sich wahrscheinlich die Ausmaße vorstellen, die Elektrizität und der Verbrauch von Energie irgendwann annehmen würden. Nicht überraschend ist allerdings, dass die großen Innovationen der Neuzeit mit Strom zu tun haben oder zumindest ohne Strom nicht möglich gewesen wären. Die Gleichung ist im Umkehrschluss einfach: Ohne Strom keine Innovation. Ohne Innovation kein Wirtschaftswachstum. Es ist der technologische Fortschritt, der neue Produkte und neue Produktionstechniken entstehen lässt.

Seit Jahren steigt der Bedarf nach Strom. Natürlich ist die Bevölkerungszahl weltweit gewachsen, wodurch mehr Energie verbraucht wird. Der größte Energiefresser allerdings ist der technologische Fortschritt: Soziale Netzwerke, Streamen von Medien, High Performance Computing (HPC) und Big Data sind nur einige der großen Schuldigen in der Energieverbrauchsrechnung. Obwohl teilweise noch kaum 10 Jahre alt, haben diese Systeme und Technologien unser Leben verändert und sind kaum mehr wegzudenken. Durch die Digitalisierung und das so genannte Internet der Dinge (IoT) spitzt sich die Situation noch weiter zu.

Nach Einschätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) wird die Welt im Jahr 2030 doppelt so viel Strom verbrauchen wie noch vor ein, zwei Jahren. Durch die Vernetzung von Maschinen und entsprechender Sensorik steigen die Datenmengen schon bald um ein Dreifaches. Laut Cisco ist die Zahl der Aufgaben pro installiertem Server von 1,5 (2011) auf 2,0 im Jahr 2016 gestiegen. Gleichzeitig wächst die Zahl der Aufgaben je installiertem Cloud-Server von 4,2 (2011) auf 8,5 im Jahr 2016. De facto werden im Jahr 2016 nahezu zwei Drittel aller Aufgaben in der Cloud verarbeitet. Was heißt das für den Innovationstreiber Rechenzentrum?

Seit Jahren steigt die Leistungsaufnahme der Rechenzentren in Westeuropa. 2014 lag diese bereits bei 11,98 Gigawatt, während für 2020 ein Bedarf von 13,51 Gigawatt prognostiziert wird. Viele Länder jonglieren schon jetzt mit ihrem Energiemix, um ihren Strom “grüner” zu machen. Gleichzeitig werden Geräte und Systeme immer stromeffizienter.

Das reicht aber nur bedingt aus, denn Fakt ist: Wir kommen kaum hinterher, um genug grünen Strom für unseren Bedarf zu produzieren, der genau dann verfügbar ist, wenn er gebraucht wird. Immer wieder und immer mehr haben wichtige Volkswirtschaften daher mit Stromproblemen zu kämpfen. Stromausfälle sind die Folge.

(Bild: Symantec)
(Bild: Symantec)

Bei einem Stromausfall kommt der Pulsschlag des Unternehmens zum Erliegen. Dies betrifft auch uns, denn Stromausfälle treten häufiger auf als gedacht. Obwohl Deutschland über eines der zuverlässigsten Stromnetze in Europa verfügt, kam es auch in 2015 wieder zu Hunderten Stromausfällen mit weitreichenden Auswirkungen. Allein 704 Störfälle dokumentierte der “Blackout Tracker” von Eaton 2015. Sie führten zu Ausfällen mit einer Gesamtdauer von 65 Tagen. Die Gesamtdauer aller Ausfälle nahm im Vergleich zum Vorjahr um 56 Prozent zu. Für Unternehmen kann das zu immensem wirtschaftlichen Schaden führen.

Bei der Analyse der Auswirkungen eines Stromausfalls geht es nicht nur um finanzielle Einbußen. Es muss auch hinterfragt werden, welche Konsequenzen ein Versorgungsausfall auf das operative Geschäft einer Firma hat. Diese können gerade bei kleinen oder mittelständischen Unternehmen deutlich gravierendere Folgen haben als die möglicherweise gering ausfallenden, direkten Kosten. Praktisch gesehen bedeutet das zum Beispiel, dass ein international agierender Finanzdienstleister für jede Stunde Ausfall hohe monetäre Verluste hinzunehmen hat, während kleinere Firmen mit Produktionsausfällen zu rechnen haben.

Als Reaktion auf diese Herausforderung lagern immer mehr Unternehmen ihre Datenbearbeitungen an größere und zentralisierte Rechenzentren auf der ganzen Welt aus. Dazu gehören nicht nur Internetriesen wie Facebook und Google, sondern auch Automobilkonzerne wie BMW. Colocation-Anbieter in nördlichen Gefilden, wo es grüne Energie in Hülle und Fülle gibt, ermöglichen innovativen Unternehmen die Vorteile in klimatisch günstigen Ländern in Anspruch zu nehmen, ihre Energiekosten deutlich zu verringern und zugleich ihre CO2-Bilanz zu verbessern.

Länder wie Island mit Stromerzeugung aus CO2-niedrigen Quellen wie Wasserkraft und Geothermie eignen sich besonders für nachhaltige Stromerzeugung (Bild: Fred Rollison)
Länder wie Island mit Stromerzeugung aus CO2-niedrigen Quellen wie Wasserkraft und Geothermie eignen sich besonders für nachhaltige Stromerzeugung (Bild: Fred Rollison)

Welche Innovationen werden unser Kinder und Kindeskinder ins Leben rufen? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen: Innovationen basieren auf der Verfügbarkeit von Energie – auch der Innovation, wie wir Strom nutzen, speichern und teilen.

Es scheint nicht aus der Luft gegriffen, ein voll automatisiertes Zuhause oder Roboter als Teil der nahen Zukunft zu sehen. Um den Weg für die nächsten technologischen Innovationen zu ebnen, müssen wir dafür sorgen, dass genügend Energie zur Verfügung steht. Sei es im Bereich der künstlichen Intelligenz, an der Schnittstelle zwischen Genetik und Gesundheit oder der grünen Energie: Es ist noch Platz nach oben. Wir müssen nur sicherstellen, dass der Strom dazu verfügbar sein wird.

Mehr zu diesem Thema lesen Sie im kostenlosen Whitepaper “Achtung Lücke! Die Kluft zwischen Energieverfügbarkeit und dem Bedarf von Rechenzentren”.