Stefan Pfeiffer

ist Marketing Lead Social Business Europe bei IBM Deutschland und nennt sich selbst "Schreiberling aus Passion".

Engagiert sein: Marketing im B2B braucht “Systems of Engagement”

Auch im gewerblichen Marketing ist heute Umdenken gefordert, merkt silicon.de-Blogger Stefan Pfeiffer an. Nach dem Kaufentscheidungen von immer mehr Menschen getroffen werden, gilt es auch immer mehr Entscheider von dem eigenen Angebot zu überzeugen.

Wer heutzutage IT-Technologie im Business-to-Business (B2B) verkaufen will, der hat es schwerer als Jahre zuvor. Der Entscheidungsprozess ist in vielerlei Hinsicht komplexer geworden. Mehr Leute reden mit. Durchschnittlich 6, in Deutschland sogar 7 (Mit-)Entscheider aus unterschiedlichsten Funktionen sind beteiligt. Bei 2/3 der befragten Unternehmen muss der Kauf dann noch auf Vorstandsebene abgesegnet werden. In den verschiedenen Phasen der Findung beziehen die Entscheider ihre Informationen aus einer Vielzahl verschiedener Offline- und Online-Kanäle. Es wird länger recherchiert und es werden mehr Ressourcen einbezogen, um eine Entscheidung vorzubereiten und zu rechtfertigen. Das sind die Ergebnisse einer neuen Studie der Agentur Text100, die 1.900 Personen weltweit befragt hat, wie und wodurch Entscheidungsträger im Business-to-Business (B2B)-Kontext in ihren Kaufentscheidungen für IT-Technologie beeinflusst werden.Die 3 Topgründe, warum Kunden heute IT-Lösungen kaufen Text100

In der Informationsphase werden vor allem die Webseiten der Anbieter, IT-Magazine, Online-Recherche, Infos von Kollegen und Beratern genutzt. Geht es dann zur finalen Entscheidung, so scheinen zwei Faktoren ausschlaggebend zu sein: Der Preis beziehungsweise Kosteneinsparungen, die – so die Studie – in allen Phasen eine herausragende Rolle spielen, sowie der Rat und die Bewertung von Bekannten wie auch Anwenderberichte aus der Praxis und Empfehlungen. Text100 hat in der Studie vier Schlüsselbereiche im Entscheidungsprozess identifiziert:

  • Wer sind die Entscheidungsträger, was sind ihre Bedürfnisse, Vorlieben und Wünsche?
  • Durch wen lassen sich diese Entscheidungsträger beeinflussen? Welche Personen haben den grössten Einfluss und die grösste Reputation zum Thema?
  • Was sind die Kanäle, über die die Entscheidungsträger ihre Informationen beziehen?
  • Welche Inhalte ziehen die Entscheidungsträger heran? Welche Informationen wollen sie haben und schätzen sie?

Erfolgreich werden Unternehmen nur sein, wenn sie all diese Aspekte in Marketing und Kommunikation gemeinsam betrachten und den Marketingansatz integrieren. Die “einfachen” Marketingformen sind laut Text100 vorbei. Heute gehe es um eine Integration der unternehmenseigenen Auftritte (Owned), der bezahlten Auftritte (Paid), der sozialen Kanäle und der erzielten Empfehlungen (Earned), über die alle ein Mix inhaltlich hochwertiger geschäftlicher und technischer Informationen bereitgestellt werden sollte. Im Gegensatz zu vergangenen Jahren sind nicht mehr nur technische Inhalte gefragt. Neben der  IT sind mehr und mehr auch die Fachbereiche – das “Business” – involviert, entscheiden mit und verlangen Informationen, die für sie relevant sind.

Kunde entscheidet sich und keiner bekommt es mit

Interessant auch, dass laut einer Studie der CEB in Zusammenarbeit mit Google  57 Prozent der B2B-Kaufentscheidungen schon gefallen sind, bevor der Anbieter kontaktiert wird. Forrester spricht sogar davon, dass – abhängig von der Komplexität der angebotenen Produkte und des spezifischen Marktes – zwischen zwei Drittel bis zu 90 % in ihrem Entscheidungsprozess durch sind, bevor sie den Anbieter kontaktieren.

Eine hervorragende Dokumentation des Verkaufsprozesses laut Lori Wizdo von Forrester Research. ©Forrester Reserach
Eine hervorragende Dokumentation des Verkaufsprozesses laut Lori Wizdo von Forrester Research. Quelle: Forrester Reserach

Quasi logisch ist, dass die potentiellen Käufer in den verschiedenen Phasen des Entscheidungsprozessen Informationsquellen unterschiedlich nutzen. In der Informationsphase spielt die Webseite eines Unternehmens eine wichtigere Rolle als in den Phasen, in denen die Entscheidung getroffen wird. Dann werden Empfehlungen, Bewertungen und der Austausch mit anderen Kunden – online und offline – bedeutsam. Für ein Marketingkonzept bedeutet dies, dass für alle Schritte des Entscheidungsprozesses die richtigen Informationen und Kontaktmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden müssen. Es geht um einen integrierten Ansatz zwischen PaidOwned and Earned über den gesamten Kaufprozess.

Bei all dem darf der Einfluss von Beziehungen gerade auch im B2B-Umfeld nicht unterschätzt werden. Sie haben enormen Einfluss auf die Entscheidungsfindung. Diese Beziehungen sind heute nicht mehr nur klassische, persönliche Beziehungen. Oft sind es heute auch Beziehungen, die online entstehen. Reputation im Netz in entsprechenden Communities sind heute nicht mehr zu unterschätzen, gewinnen immer weiter an Einfluss neben den Beziehungen im “richtigen” Leben.

“Social Proof makes or breaks a Buyer’s decision”

Besonders die sozialen Medien und Netzwerke verändern die Arbeit von Marketing. Auf der einen Seite ist es wichtig, die sogenannten “Influencer” zu gewinnen, sie regelmäßig und fundiert zu informieren. Dies sind nicht mehr nur Journalisten und Analysten. Durch das Netz haben Blogger und unabhängige Berater, die die “soziale Klaviatur” beherrschen, enorm an Einfluss gewonnen. Das soziale Netz bietet Anbietern aber auch die Chance, diese Klaviatur selbst durch eigene Experten zu bespielen, Meinung zu machen und Einfluss zu gewinnen.

Daneben enstehen durch die Vernetzung von Kunden untereinander, von Kunden, Lieferanten und Partnern halböffentliche oder öffentliche Diskussionen, transparent und wieder auffindbar. Dies zieht auch die Konsequenz nach sich, dass Marketing und Vertrieb noch enger zusammenarbeiten müssen. Marketing spricht Kunden und Interessenten über die sozialen Medien an und der Vertriebler sollte mit seinen Kunden auch auf den sozialen Kanälen vernetzt sein, dort verfolgen was die Kontakte und das Unternehmen dort so “treiben”. Der moderne Vertriebler muss im “sozialen Zeitalter” noch mehr ein Netzwerker sein.

Natürlich ist dies auch die Chance, Kunden dafür zu gewinnen, positiv über seinen Lieferanten und dessen Produkte zu sprechen und Auskunft zu geben. Im Idealfall entsteht in der Zusammenarbeit von Vertrieb und Marketing mit den Kunden eine engere Beziehung, die den Kunden zu einem Fürsprecher, einem Advokaten für den Lieferanten macht. Und der Wert solcher Advokaten ist wie oben beschrieben nicht hoch genug einzuschätzen. Ímmerhin macht die Studie Mut: Demzufolge teilen 7 von 10 Käufern von sich aus ihre positive Erfahrungen in sozialen Kanälen. Auch würden 7 von 10 Käufern auf Nachfrage Auskunft geben. Überraschenderweise werden eher positive denn negative Erfahrungen geteilt. Ausnahme: Die Deutschen äußern sich im Vergleich eher auch einmal negativ in den entsprechenden Foren.

Für das Stammbuch der Anbieter

Manch ein Ergebnis der Umfrage sollten sich die Anbieter besonders ins Stammbuch schreiben. So wünschen sich die Befragten, dass Vertriebsaktivitäten kein Einmalereignis sind. Den Kunden geht es um langfristige Beziehungen, die von Anbieterseite aus gepflegt werden sollen. Und eine Beziehung endet für den Kunden im B2B-Umfeld nicht, wenn das Produkt verkauft, installiert wurde oder die Garantie abläuft. Kunden wollen vor allem hören, wie andere Kunden ähnliche Aufgabenstellungen erfolgreich gelöst haben.

Die Studie ist ein guter Überblick (nicht nur) für Marketiers, die in der Technologiebranche im B2B-Umfeld aktiv sind. Der Marketing- und Vertriebsprozess wird aufgedröselt, die in den verschiedenen Phasen wichtigsten Aspekte herausgearbeitet. Es ist nicht nur ein Appell, sich dem neuen Vertriebsprozess und den Anforderungen des “sozialen Zeitalters” zu öffnen, die verschiedenen Kanäle – traditionell und digital – kombiniert zu nutzen und intelligent mit relevanten Inhalten zu “füttern”. Es ist ein Appell für ein “System of Engagement. Und ich möchte hier das Wort ‘Engagement’ durchaus in der deutschen Bedeutung betonen: Engagiert sein mit “Influencern“, mit Meinungsmachern und Analysten, sich vor allem mit und für den Kunden zu engagieren und das auch über die neuen sozialen Kanäle und “Mechanismen”. Dann klappt das auch mit der Kundenbindung und positiven Kaufentscheidung.

Die gesamte Studie kann hier nach Angabe der Kontaktdaten heruntergeladen werden.

Quelle: Text100
Quelle: Text100