Godelef Kühl

ist ERP-Branchenkenner und als Vorstandsvorsitzender der godesys AG "verantwortungsvoller und pragmatischer Unternehmer mit Bodenhaftung".

Industrie 4.0 – Unternehmer im digitalen Wandel

Viele Teile von Industrie 4.0 sind heute schon Wirklichkeit, beschränken sich aber nicht nur auf die Produktionslandschaften und verändern die Art des Wirtschaftens bereits nachhaltig.

Industrie 4.0 – oder besser die vierte industrielle Revolution – klingt wie die deutsche Antwort auf Big Data oder Cloud. Eben nach Hype, aber irgendwie doch etwas spröde. Was soll das ändern, wenn Maschinen direkt miteinander kommunizieren, sich Lager selbständig befüllen, Automaten autonom ihr Wartungsintervall planen und Mitarbeiter staunend vor der virtuellen Welt sitzen? Ich meine: viel!

Die "Digital Factory" auf der Hannover Messe. (Bild: Hannover Messe)
Die “Digital Factory” auf der Hannover Messe 2017. (Bild: Hannover Messe)

Industrie 4.0 ist endlich mal ein deutscher Begriff, bündelt die wesentlichen Trends der Digitalisierung und meint doch nur die Revolution der Fertigungstechnik.

Vielleicht ist Industrie 4.0 auch einfach nur zu klein gedacht. Denn viele Teile von Industrie 4.0 sind heute schon Wirklichkeit, beschränken sich aber nicht nur auf die Produktionslandschaften und verändern die Art des Wirtschaftens bereits nachhaltig.

Der Begriff Industrie 4.0 bündelt den seit dem letzten Jahrzehnt massiv spürbaren Trend zur Digitalisierung von Geschäftsmodellen und Wertschöpfungsketten. Er sammelt von der Prozesssteuerung über die Automatisierung bis zur vollautomatischen Produktion alle Fertigungstheorien über Produkte, die in “Stückzahl eins” auf einer Produktionsstraße oder noch besser – im 3D-Drucker – herzustellen sind.

Sie lieben Buzzwords? Ob “Internet der Dinge”, Cloud oder Predictive Production – alles geht und die Drohne liefert`s bevor der Verbraucher überhaupt bestellt hat.

Die Vorteile der Technologie liegen in der Intelligenz derjenigen, die sie bereits einsetzen. Egal, ob Waren per RFID-Tag verfolgt und automatisch gebucht werden oder aber die moderne Produktionsanlage eigenständig den Servicetechniker anfunkt, an sinnvollen Beispielen mangelt es nicht.

Technische Voraussetzungen sind geschaffen

Wenn Wertschöpfungsketten ohne menschlichen Eingriff funktionieren und Produktionsressourcen autonom mit ihrer Umwelt kommunizieren, können intelligente Fertigungsketten entstehen, die unseren heutigen Vorstellungen nicht nur überlegen sind, sondern sich zudem auch noch durch Null-Fehler-Toleranz qualitativ unterscheiden.

Die technischen Voraussetzungen sind bereits Realität, ob Tags, Sensoren, Rechenleistung aus der Cloud, unbegrenzter Zugang zum Internet oder aber automatisierte Analyse unstrukturierter Daten über Big Data.

Wir knabbern an der Komplexität, aber um uns herum ändert sich fühlbar vieles. Und zwar permanent. Diese Veränderungen finden statt, ob sie uns nun gefallen oder nicht.

Unternehmen digital managen

Leider haftet modernen IT-Technologien häufig der Ruf an, dass sie vor allem dem Anbieter und nicht dem Anwender nutzen. Natürlich sollen Buzzwords auch weiterhin auf ihre Sinnhaftigkeit durchleuchtet werden.

Bild: Shutterstock.com/everything possible)
Langfristig ist die soziale Veränderung, die durch die Schaffung komplett neuer Geschäftsmodelle entsteht, von viel größerer Bedeutung alsdie kurzfristigen technischen Möglichkeiten.(Bild: Shutterstock.com/everything possible)

Aber heute geht es um deutlich mehr: Die Änderungen durch den mannigfaltigen Einsatz von Sensoren und Tags sind umfassender und tiefgreifender als mancher denkt. Der digitale Wandel wird früher oder später alle Unternehmen erreichen.

Der Handel kennt den Zalando-Schrei schon. Die Verlagsbranche hat bereits eine Ahnung, dass in digitalen Landschaften zwar auch Milch und Honig fließen, der Zutritt zum Schlaraffenland aber komplett neu verteilt wird. Warum also sollten Maschinen- und Anlagenbau nicht berührt werden?

Wenn Smartphones und Social Media die persönlichen Kommunikationswege ändern und die digitale Freundschaft nur ein Klick weg ist, dann bietet MtM (Machine to Machine) mindestens das gleiche Veränderungspotential für alle, die etwas produzieren.

Webinar

Digitalisierung fängt mit Software Defined Networking an

In diesem Webinar am 18. Oktober werden Ihnen die unterschiedlichen Wege, ein Software Defined Network aufzubauen, aus strategischer Sicht erklärt sowie die Vorteile der einzelnen Wege aufgezeigt. Außerdem erfahren Sie, welche Aspekte es bei der Auswahl von Technologien und Partnern zu beachten gilt und wie sich auf Grundlage eines SDN eine Vielzahl von Initiativen zur Digitalisierung schnell umsetzen lässt.

Unternehmen müssen die Weichen für die nächste Dekade stellen. Die Entscheider müssen ganzheitlich und kundenorientiert denken. Die Wertschöpfungskette bis zum Endkunden wird in vielen Fällen komplett neu aufgestellt werden.

So erleben Taxiunternehmer und Hoteliers gerade eine neue Phase des Wettbewerbs durch neue Anbieter, die einfach durch Smartphone-Apps bekannte Distributionswege aufbrechen.

Was das mit Industrie 4.0 zu tun hat? Ein modernes Smartphone kann neben Mikrofon und Kamera noch mindestens sieben Sensoren u.a. zur Messung von Beschleunigung, Näherung, Ortung, Lichtstärke und Temperatur aufbieten. Und wenn wir dann noch die Möglichkeiten des Touchscreens berücksichtigen, entstehen technisch beeindruckende Möglichkeiten.

Natürlich können Maschinen miteinander kommunizieren. Wer aber glaubt, dass Menschen nicht mit Maschinen reden wollen, hat bereits Self Service nicht verstanden. Ich weiß nicht, ob ich den selbst auffüllenden Kühlschrank brauche, aber die Heizung, die über Smartphone startet, finde ich praktisch. Entscheidend ist also nur, was Sie daraus machen.

Häufig unterläuft Führungskräften im Umgang mit moderner Technologie der Fehler, sich nur auf die kurzfristigen technischen Möglichkeiten zu konzentrieren. Langfristig ist aber die soziale Veränderung, die durch die Schaffung komplett neuer Geschäftsmodelle entsteht, von viel größerer Bedeutung.

Dieser disruptive Einsatz von Technologie ist es dann auch, der Branchen und Wertschöpfungsketten nachhaltig verändert. Die dazu notwendige Digitalkompetenz entsteht aber nicht automatisch. Starre Strukturen und eine analoge Unternehmenskultur durch eine standortübergreifende Vernetzung und neugewonnene Transparenz zu ersetzen, bedeutet eine Organisation auf den Weg des Wandels zu bringen. Hier können moderne ERP-Systeme durch den zentralen Datenzugriff und die Möglichkeit Geschäftsprozesse zu modellieren einen wertvollen Beitrag in der betrieblichen Durchsetzung leisten.

Industrie 4.0 bedeutet: Geschäftsprozesse transformieren

Sensoren alleine schaffen also keinen Unternehmensfrühling. Aber die Zeiten waren noch nie so gut, um in der Verbindung von Unternehmergeist und Technologie etwas wirklich Neues zu schaffen.

Neben den üblichen Attributen einer Führungskraft braucht es aber auch IT-Verständnis und Forschergeist. Denn der Weg zur digitalen Wertschöpfung wird neben Irrtümern auch zahlreiche Stolperfallen bereithalten.

Und genau an diesen Punkten können sie dann den digitalen Reifegrad der eigenen Organisation erkennen: Fehlertoleranz, der Drang zu Innovation und das permanente Hinterfragen der eigenen Standpunkte kennzeichnen digitale Unternehmen.