Stefan Pfeiffer

ist Marketing Lead Social Business Europe bei IBM Deutschland und nennt sich selbst "Schreiberling aus Passion".

Vom Office-Paradigma zum Social Business

Zurückgekommen aus Orlando hier nun meine Einschätzung der diesjährigen Veranstaltung. Social Business war also das Leitthema, wie ja auch Harald Weiss hier auf silicon.de berichtet. Doch was heißt das konkret für den Kunden jenseits des Marketinghypes?

Ich möchte mit einem Zitat von Ted Schadler von Forrester beginnen: “I believe that for IBM, social business is a strategy on par with its e-business strategy in importance and transformational potential.”

Funktionen, die wir vor allem aus der privaten Nutzung des Internets kennen, halten überall Einzug. Nicht als Insellösung nach dem Motto ich mache mal ‘nen Wiki sondern als integraler Bestandteil der bestehenden Arbeitsumgebung. Was das heißt, wurde an einigen Beispielen gezeigt.

So war Cognos 10, die Business Analytics-Lösung der IBM, zu sehen, die jetzt soziale Funktionen voll integriert hat. Controller und Planer haben nun die Chance in ihre Planungs- und Controlling-Prozesse zu diskutieren, zu dokumentieren und zu kommunizieren. Und das eben nicht per E-Mail, sondern nachvollziehbar in einer Community, über Wikis und Blogs. Sie können in Aktivitäten Aufgaben zuweisen, diese mit Terminen versehen und so effektiver zusammenarbeiten.

Ein anderes Beispiel war die Integration sozialer Funktionen in die Softwareentwicklung. Direkt aus Rational TeamConcert ist es nun möglich, das soziale Netzwerk im Unternehmen zu nutzen. Fachleute für bestimmte Aufgabenstellungen können direkt und wesentlich einfacher gefunden und in das Projekt eingebunden werden. Erfahrungen können für alle dokumentiert werden. Wissen wird wesentlich einfacher zugreifbar, um so Doppelarbeiten oder Fehler zu vermeiden.

Sach- und Fallbearbeitung ist ein klassisches Einsatzgebiet, in dem Dokumentenmanagement in Kombination mit Business Process Management zum Einsatz kommt. Diese Systeme sind dadurch gekennzeichnet, dass die Bearbeitungsprozesse fest strukturiert sind. Ausnahmen konnten bisher nur schwerlich abgebildet werden. In der Kombination mit Social Software kann nun direkt aus der Sachbearbeitung gechattet werden. Ausnahmefälle können wesentlicher abgebildet und zusammen bearbeitet werden.

Dies sind nur drei Beispiele, die gezeigt wurden. Ich gehe davon aus, dass eine Vielzahl weiterer Anwendungen durch Business Partner und IBM folgen. Es zeigt eindeutig den Trend weg von einer Arbeitsweise, die primär durch Dateien und E-Mails geprägt war hin zu einer kollaborativeren Arbeitsumgebung, in der Mechanismen zum Tragen kommen, wie wir sie aus dem Web 2.0 kennen.

Doch Funktionen von Social Software sind nicht nur unternehmensintern, im Enterprise 2.0, wichtig. Sie ändern auch die Art und Weise, wie Unternehmen mit ihren Kunden interagieren. Die Unternehmenswebseiten werden sich vom reinen Schaufenster des Unternehmens hin zu Webpräsenzen entwickeln, in denen Facebook und Twitter, Communities und die Möglichkeit direkt mit dem Interessenten zu chatten integriert sind. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen in Projekten wird künftig über die Cloud in einer abgesicherten Umgebung stattfinden. Über das Brückenbauprojekt, in dem x Firmen beteiligt sind, wird nicht mehr per E-Mail kommuniziert, sondern alle relevanten Informationen und Dokumente befinden sich in einer

Arbeitsumgebung in der Cloud, auf die alle Beteiligten kontrolliert Zugriff haben.
Wir stehen vor einem einschneidenden Paradigmenwechsel weg von der monolithischen, dateiorientierten Office-Welt hin zu einer Welt, die durch Arbeits- und Verhaltensweisen des Web 2.0 geprägt ist. Ich möchte es an einem weiteren Beispiel deutlich machen.
Dieser Tage hat einer unserer Lieferanten eine Umfrage unter meinen Kollegen gemacht. Dazu wurden Dokumente (per E-Mail) verschickt, die jeder ausfüllt und dann (per E-Mail) zurückschickt. Unser Lieferant konsolidiert diese dann manuell und fasst die Ergebnisse zusammen. In einem Social Business wäre diese Umfrage über das Netz gemacht worden. Die Kollegen hätten die Fragen online beantwortet. Die Antworten wären sofort zur Auswertung verfügbar. Eventuell kämen sogar Analysefunktionen zum Tragen, die die Auswertung erleichtern. Und im Sinne der Transparenz des ‘Wisdoms of the Crowd’ wären die Antworten auch einsehbar, um miteinander direkt darüber zu kommunizieren und daraus zu lernen.

Die Umfrage würde natürlich nicht nur am Computer beantwortet. Natürlich würden Kollegen diese auch über Tablets und Smartphones beantworten. Das Social Business ist auch ein Mobile Business, wie auf der Lotusphere sehr deutlich wurde. Die Anwender nutzen nicht mehr nur den PC. Sie nutzen Tablets, vom iPad über das PlayBook bis zu Android-Geräten, und eine ebensolche Vielfalt von Smartphones. Nochmals: Die Zeit der monolithischen Systeme ist vorbei.

Ja, all das stellt Anforderungen an die IT und erfordert es, sich auch über Datensicherheit tiefergehende Gedanken zu machen. Doch wir reden nicht von Zukunftsmusik. Es gibt Unternehmen, die Social Business heute schon ernsthaft und erfolgreich betreiben. Ein Saalfüller auf der Lotusphere war beispielsweise die Präsentation der BASF, die ihr Projekt connect.BASF vorstellte und eindrucksvoll den geschäftlichen Nutzen durch Vernetzung mit Social Software demonstrieren konnte. Die entsprechende Präsentation kann auf Slideshare eingesehen werden.

Es gab noch eine Vielzahl weiterer Highlights, die ich in meinem Blog oder auf der EUUC-Plattform behandelt habe, von Activity Streams bis zum neuen Echtzeit-Editor LotusLive Symphony. Doch ich denke, die wesentliche Erkenntnis der Lotusphere und das Futter hinter der Aussage von Ted Schadler ist die neu Art, sich zu vernetzen und in diesem Geschäftsnetzwerk offener, transparenter und effektiver zum Unternehmensnutzen zu kommunizieren. Dass dies funktioniert, zeigen Beispiele wie BASF oder auch Rheinmetall. Und letztere sind nun gerade in einer hoch sicherheitssensiblen Branche tätig. Diese Nachricht vom Social Business ist für mich die Kernbotschaft der Lotusphere.