Wörter aus dem Luderhaus

Ein brandaktuelles Buch ist diese Woche erschienen, herausgegeben von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. “Wörterbuch zur Landesgeschichte und Heimatforschung” heißt es. Es zeigt, wie die Sprache sich verändert. Inzwischen geht das ja immer schneller.

Was für prächtige Wörter es doch schon gab! “Stadelhenne” beispielsweise hat man früher eine kräftige Mahlzeit genannt, die nach besonders schwerer Arbeit gereicht wurde. Und bei einem “Luderhaus” handelte es sich nicht etwa um die vulgäre Bezeichnung für ein Bordell, was etymologisch durchaus möglich wäre, sondern um einen Hundezwinger, in dem man Luder, also Kadaver, an jene Viecher verfüttert hat, die der Bauer hielt, damit sie bellen und beißen.

Schade drum, aber man kann diese Begriffe heutzutage einfach nicht mehr gebrauchen. Und auch vielen jüngeren ist’s schon so ergangen.

Der “Wählscheibe” zum Beispiel. Mittlerweile ist’s sogar schon schwer, zu erklären, was das einmal war: quasi die Control-Unit für den Session-Layer bei der analogen Voice-Kommunikation. Oder für die Kids: Das war vor gaaanz, ganz langer Zeit, als man noch den Zeigefinger und nicht den Daumen zum Telefonieren genommen hat.

Um die Wählscheibe ist’s wirklich schade. Die gehörte nämlich zu einem Telefon, das noch an einem Kabel hing und das man deswegen nicht einstecken und mitnehmen konnte. Zum Telefonieren von unterwegs zogen sich deshalb die Leute damals dezent in so genannte Telefonzellen zurück, durchaus ähnlich jenen Kabinen, die man aufsucht, um einen Stoffwechselprozess zu terminieren.

Letzteres hält man auch heute noch so. Was gut ist, weil es verhindert, dass Nase und Auge des Mitmenschen beleidigt werden. Auf die Ohren von anderen nimmt man hingegen mittlerweile weniger Rücksicht. Und deshalb verrichten die Leute ungeniert ihre telekommunikative Notdurft in aller Öffentlichkeit.

“Bandsalat” ist ebenfalls ein Wort, das gemeinsam mit der zugehörigen Technik ungebräuchlich geworden ist. Bandsalat gab’s seinerzeit auf jedem Parkplatz. Musikkassetten, in denen sich das Tape verheddert hatte und die deshalb von wütenden Autofahrern tausendfach weggeworfen wurden.

MP3s hingegen können sich nicht verheddern. Das ist ein echter Fortschritt. Dem Bandsalat trauert niemand nach.

Aber den interessanten sprachlichen Konstrukten, die um die Magnetband-Technologie herum entstanden sind. Bei Radioproduktionen etwa schnitt (cut) man Versprecher und “ähs” einfach heraus – mit der Schere – und befand sich insoweit verbal noch völlig im Einklang mit der greifbaren Wirklichkeit. Aber man konnte auch etwas hinein- oder näher ranschneiden (paste), eine Sprecherpassage oder einen Jingle (einprägsame Tonfolge oder Melodie). Ein Hauch von Transzendenz durchwehte damals jedes Studio.

Und erst die Computerei! Um einen Rechner zu konfigurieren, musste man jumpern, fizzelige Plastikteilchen korrekt auf winzige Metallstifte stecken, und remmen, in einer Batch-Datei mit der Buchstabenfolge “rem” Befehle deaktivieren.

Das gab einem das Gefühl, als würde man an einer Werkzeugmaschine herumschrauben. Irgendwie fühlten sich die Finger hinterher auch immer ein bisschen ölig an. Und wenn es geschafft war, hatte man ein widerborstiges Gerät aus Plastik, Blech und Silizium in ein willfähriges Werkzeug verwandelt.