Man spricht deutsch

Abdullah Gül hat die hiesigen Türken aufgefordert, Deutsch zu lernen. Und ihre Kinder sollen auch in der großen Pause deutsch sprechen. – Da fehlt doch was! Genau: ein Appell an alteingesessene IT- und Polit-Kreolen.

In einem regierungsamtlichen Dokument, der “Stuttgarter Erklärung” vom letzten “Nationalen IT-Gipfel”, ist nachzulesen, wo’s informationstechnisch lang geht hierzulande: “E-Justice”, heißt es darin, sei “Motor für E-Government”. “E-Energy bedeutet ‘Smart Grids made in Germany’.” Und: “Wir wollen die eSkills der ‘Digital Natives’ stärker nutzen.”

Angesichts dessen erscheint es einem als “digital Immigrant” nur konsequent, dass die größte hiesige Messe, die CeBIT, heuer unter dem Motto “Webciety” stand, einem Sprachkonstrukt, dessen gefälliger Klang durch überhaupt keine Bedeutung beeinträchtigt werden konnte.

Was einen wiederum wundert, ist, welch verquere Wirkung da ein Buch eines ehemaligen IT-Verantwortlichen der Deutschen Bundesbank ausgelöst hat. Jetzt sorgt sich alle Welt wegen der Deutschkenntnisse – nein, nicht jener der gewalttätigen Radebrecher in den PR-Abteilungen von Regierung und Unternehmen, sondern wegen jener von richtigen Immigrantenkindern. Die kleinen Türken sollen künftig auch in den Schulpausen deutsch sprechen.

Das fordert der FDP-Generalsekretär Christian Lindner in der Bild-Zeitung, jenem Blatt, in dem sich einzelne Wörter nicht zwingend zu vollständigen Sätzen ergänzen und das seine Leser regelmäßig mit Überschriften erfreut wie: “Jaaa! Deutschland balla balla!”.

Politiker stehen gerne in der Bild-Zeitung, wissen sie doch, welche Gefahren das gepflegte Deutsch mit sich bringt, dass sie aber nirgendwo so gefeit davor sind wie in Bild. Ihr Problem: Wenn man redet, plaudert, spricht oder schwatzt, also seine Mutter- oder eine andere Hochsprache verwendet, dann passiert es einem leicht, dass man etwas sagt und dann darauf festgelegt wird. Das kann der Karriere sehr schaden.

Deshalb sagen Politiker nichts, sondern signalisieren statt dessen. 13.000 Treffer etwa listet Google für “Christian Lindner” und “Signal”. Mal sendet er “ein Signal der Klarheit”. Das kommt immer gut. Mal signalisiert er “Entschlossenheit”. Ist auch nicht schlecht. Und das “Signal des Aufbruchs” geht selbst dann noch, wenn eigentlich schon alles zu spät ist.

Wer allerdings bloß Signale sendet, der signalisiert keine allzu große Hochachtung für sein Gegenüber. Ist damit doch keine anspruchsvolle Kommunikation möglich. Die Ausdrucksvielfalt etwa eines Nebelhorns ist halt sehr eingeschränkt. Signalisieren kann sogar das Vieh – Paarungsbereitschaft beispielsweise. Aber so ausdifferenziert ist es denn doch nicht, was Politiker ihren Wählern meinen mitteilen zu müssen.

Unterstützt worden ist Christian Lindner bei seiner Forderung nach der Deutschpflicht während der großen Pause von der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Maria Böhmer. Die hat bislang sprachlich eigentlich auch noch nicht sonderlich brilliert.

Aber ihre Partei, die CDU, stritt sich lange über den Begriff “Einwanderungsland”. Die politische Schnittmenge zwischen den widerstreitenden Gruppen war gleich null. Und für diese Nulloption hat Maria Böhmer die Formel gefunden: “Deutschland ist Integrationsland”. Ein Begriff, der in etwa so aussagekräftig ist wie “Webciety”.

Dafür müsste man sie eigentlich eines jeden Schulhofs verweisen, auf dem Deutschpflicht herrscht. Zum Glück konnte sich die Kultusministerkonferenz aber dann doch nicht dazu durchringen, Kindern den muttersprachlichen Mund zu verbieten. Und die Gefahr, dass dort einmal Maria Böhmer auftaucht und den Kleinen schlimme Wörter beibringt, ist ja auch gering. Ein weiser Beschluss also. Was einem dann aber doch aufstößt, ist die Reaktion der Migrantenverbände auf die Entscheidung der Kultusminister. Sie sei “ein Signal”, heißt es in mehreren Erklärungen. – Also so bedingungslos muss Integration dann doch nicht sein.

Bleiben noch die Pausenhöfe, die sprachlich von der Schulleitung geregelt werden. Im Hof der Herbert-Hoover-Oberschule in Berlin etwa darf nur die “Amtssprache der Bundesrepublik Deutschland” gesprochen werden. – Das lässt einen ratlos zurück, hatte man doch immer gedacht, es gehe um Deutsch. Und plötzlich ist hier von dieser seltsam und mehrfach mit dem Buchstaben “e” dotierten Amtssprache die Rede.

Und diese ominösen eSkills lassen einem auch keine Ruhe mehr: Gehören dazu etwa auch deutsche oder irgendwelche anderen Sprachkenntnisse? Und wenn ja, warum heißen sie dann so?

Ey, Mann, was in Deutschland derzeit abgeht, ist echt voll krass! Ich schwör’.