Silicon Saxony: Vom Hinterhof zum Hightech-Mekka

Der Branchenverband Bitkom hat Dresden im Juni zur “heimlichen Hightech-Hauptstadt Deutschlands” ausgerufen. Der Grund für den Ritterschlag: In Dresden arbeiten nach Angaben des Verbandes 8,7 Prozent der Beschäftigten im Hightech-Sektor.

Im Großraum München sind es 8,5 Prozent, in der Region Nürnberg 7,6 Prozent. “Wie konnte das passieren?”, fragt sich da mancher. Wie konnte eine Stadt, die vor 1989 im Bewusstsein vieler vor allem durch den Namen einer Bank und ein Weihnachtsgebäck präsent war, in weniger als 20 Jahren zur heimlichen Hightech-Hauptstadt Deutschlands aufsteigen?

Die Region nennt sich jetzt gar Silicon Saxony – in Anspielung auf das Silicon Valley. Heiße Luft oder eine berechtigte Parallele? silicon.de hat das Silicon Valley und Silicon Saxony verglichen – und überraschende Parallelen festgestellt.

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Am Anfang waren die Gründer

Beide Regionen verdanken ihren Aufstieg der Phantasie und der Willensstärke von Visionären. Im Fall Silicon Valley hieß der Gründervater Frederick Emmons Terman, im Fall Silicon Saxony Werner Hartmann.

Der Physiker Werner Hartmann war Chef des VEB Vakutronik Dresden, als ihn im September 1958 eine Nachricht erreichte: Jack Kilby hatte bei Texas Instruments den ersten integrierten Festkörperschaltkreis vorgestellt. Hartmann war elektrisiert – er hatte verstanden, welches Potenzial in der Technik steckte.

Hartmann ergriff die Initiative – was in der DDR eigentlich nur der herrschenden Partei zustand. Dem Physiker gelang es jedoch, unter der Nutzung von Kontakten ein Institut für die Erforschung der Technik zu gründen. Im August 1961 nahm die ‘Arbeitsstelle für Molekularelektronik’ (AME) mit acht Mitarbeitern die Arbeit auf – die Keimzelle von Silicon Saxony.

Der Staat sollte es Hartmann nicht danken. 1974 wurde er wegen angeblicher Spionage für einen US-Geheimdienst aus dem Institut gejagt. Er starb 1988 in Dresden, ohne rehabilitiert worden zu sein.

Dennoch war es Hartmann gelungen, das Fundament zu legen, auf dem nach der Wende AMD und Siemens (ab 1999 Infineon) aufbauen konnten. Als Hartmann 1974 geschasst wurde, hatte das Institut bereits 950 Mitarbeiter. Ein Detail am Rande: Das Institut wurde oft umbenannt – von 1969 bis 1976 hieß es AMD (Arbeitsstelle für Molekularelektronik Dresden).

Die Dresdner Forscher bauten zunächst westliche Produkte nach. Einer der ersten AME-Chips mit wirtschaftlicher Bedeutung im Osten war eine Kopie des SN74-Prozessors von Texas Instruments. Dieser Chip geht zu Beginn der 70er-Jahre unter der Bezeichnung ‘D120C’ im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder in die Serienproduktion.

Devisenknappheit, Materialmangel und staatliche Einmischung forderten jedoch ihren Tribut. Die ostdeutschen Wissenschaftler hinkten den internationalen Marktführern meist ein bis zwei Produktgenerationen hinterher.

Was Hartmann bereits 1958 wusste, begriff die Staatsführung 1977 – das die Mikroelektronik der rohstoffarmen DDR nutzen konnte. Hatte der Staat die Technik bisher eher geduldet, erklärte er sie jetzt zur “Schlüsseltechnologie”.

Das hat unter anderem zur Folge, dass der so genannte Bereich Kommerzielle Koordinierung eingeschaltet wird, um das westliche Handelsembargo mit halbseidenen Methoden zu umgehen. 1978 wird zudem das Kombinat Mikroelektronik gegründet, das seine Zentrale in Erfurt und seine Denkfabrik in Dresden hat. Dort hatte bereits 1969 der PC-Hersteller Robotron den Betrieb aufgenommen.