Enterprise Service Bus: Die pragmatische Art zu integrieren

ESB-Produkte, die weitgehend auf Standards basieren, können eine attraktive Alternative zu proprietärer Integrationssoftware sein.

Einzelne Anwendungen sollen sich innerhalb der Unternehmens-IT nahtlos zu einem homogenen Ganzen zusammenfügen können, so lautet das hehre Ziel aller IT-Manager. Dass dies ab einer bestimmten Komplexität und Vielfalt trotz aller Applikationsserver und Integrations-Tools nur ein hehres Ziel bleibt, haben viele leidvoll erfahren müssen. Wenn man sich aber mit etwas weniger als der ganz großen Integrationslösung zufrieden geben will, könnte Middleware ein gangbarer Weg sein.
Dass sich immer mehr Anwender mit diesem Ansatz anfreunden können, zeigt mitunter der Erfolg von Firmen wie Sonic Software. Sonic gehört zu den derzeit am schnellsten wachsenden Unternehmen der Softwarebranche. Zu seinen Schlüsselprodukten gehören die Message-orientierten Middleware-Suiten ‘Sonic XQ’ und ‘Sonic MQ’, vor allem aber  ‘Sonic ESB’. 

Die Bezeichnung ESB steht für ‘Enterprise Service Bus’ sollte ursprünglich nur die eigenen Produkte klassifizieren. Analysten von Gartner übernahmen den Gattungsbegriff jedoch für jegliche Integrationstechnik, die sich gegenüber Applikationsservern neutral verhält und aus einer Integrationsbroker-Suite sowie einem Bussystem besteht, das Unternehmensapplikationen miteinander verbinden kann. Neben Sonic Software bringt Gartner die ‘Web Messaging Plattform’ von Kenameam, ‘Entire X Communicator’ und ‘XML Mediator’ von der Software AG, sowie ‘Spirit Wave’ von Spirit Soft ins Spiel. IBM hat übrigens für die zweite Hälfte dieses Jahres eine eigene ESB-Software angekündigt.

Vielfalt ist erlaubt

ESB-Produkte kombinieren native Webservice-Techniken wie das Simple Object Access Protocol (Soap), die Web Service Description Language (WSDL) und die Universal Description, Discovery and Integration (UDDI) mit Messaging-Techniken wie ein asynchrones Store-and-Forward, Publish-and-Subscribe, aber auch Content-basiertes Routing und eine limitierte Form der Message-Transformation. Sie erlauben somit, simultan mit verschiedenen Applikationsservern zu kommunizieren, ungeachtet deren variierender Implementationen von Webservice-Techniken. Sie bieten aber auch selbst Services für die Kommunikation und Integration an und können traditionellere Integrationsplattformen bedienen, beispielsweise das Common Object Model (COM) und Dotnet von Microsoft, Java Messaging Service (JMS), J2EE und Java Connector Architecture sowie CICS.

Integrationssoftware kommt teuer und ist mehr oder minder proprietär. Laut Gartner können ESB-Produkte, die weitgehend auf Standards basieren, eine attraktive Alternative zu eingeführten Suiten wie ‘Websphere MQ Integrator’ von IBM, ‘Biztalk’ von Microsoft, ‘E*Gate’ von Seebeyond, ‘Active Enterprise’ von Tibco, ‘Businessware’ von Vitria oder der ‘Integration Plattform’ von Webmethods sein.

ESBs verfügen zumeist über einen geringeren Funktionsreichtum, sind aber auch weniger komplex. Im Wortlaut von Greg O’Connor, President von Sonic Software, klingt die Argumentation drastischer: “Obwohl unser Umsatz im abgelaufenen Fiskaljahr um 54 Prozent zugenommen hat, haben wir niedrigere Preise als die Konkurrenz, zum Beispiel Tibco. Nicht nur die Lizenzkosten liegen niedriger, auch Schulungen kosten weniger, weil die Anwender kaum codieren müssen, nur konfigurieren.” Insgesamt würde ein Integrationsprojekt mit Software von Sonic bis zu vier mal billiger sein als mit üblichen Integrationsservern, -Bussen und -Brokern. “Was würden Sie nehmen: den eine Million teuren und proprietären Integrationsbroker oder einen standardbasierten Bus für die Hälfte?” fragt O’Connor provokant.

Integrationsopfer sind die besten Kunden

O’Connors Lieblingskunden sind die Chef-IT-Architekten in den Unternehmen, die schon Integrationsprojekte hinter sich haben. Denn diese gehen häufig schief – laut O’Connor in den Fortune-1000-Companies zu 75 bis 80 Prozent. Die Architekten wüssten um die machbaren Fehler und seien in technischer Hinsicht bestens informiert. “Bei solchen Gesprächspartnern ist ein Verkauf schnell unter Dach und Fach.” Der Sonic-Präsident muss aber auch einräumen, dass viele Firmen erst mit Integrationsaufgaben beginnen. Bei solchen Kunden verliefen die Verhandlungen eher zäh.

Trotz des Potenzials, das Gartner ESBs zugesteht, gehen die Analysten kaum von einer explosionsartigen Verbreitung aus. Insgesamt wird in zwei bis drei Jahren der Anteil an Applikationsserver-neutraler Technik in Entwicklungsprojekten bei 18 Prozent liegen. 10 Prozent davon entfallen auf ESBs. Damit liegt der Anteil zugleich jedoch höher als bei den Integrations-Suites, denn diese stecken mit anderen Lowend-Brokern in den verbleibenden 8 Prozent.

Für Sonic und ihre Mutterfirma Progress Software bedeute der ESB zunächst einmal eine riesige Investition, sagt Carl Olofson, Analyst beim Marktforschungsunternehmen IDC. Diese müsse das Unternehmen erste einmal wieder hereinholen. Doch Progress schreibt schwarze Zahlen – und zwar seit 20 Jahren, ist “cash rich”, wie Olofson sagt. Für die Profitabilität der Gruppe sorgen außerdem die anderen verwandten Unternehmen und Geschäftsbereichen wie Progress Company, Data Direct und die Object Store Division.

Die Branchenlösung im Vordergrund

Die Nähe zu diesen Unternehmen und deren Produkten könnte sich für Sonic allerdings künftig als der Garant für den Erfolg erweisen. Anders als die Sonic-Software bleibt die Technik dieser Progress-Einzelunternehmen eher im Hintergrund. Softwarehäuser mit Branchenapplikationen sind ihre Kunden. So kann die Progress-Gruppe selbst noch von dem gegenwärtigen Trend profitieren, nach dem die branchenspezifische Anwendung im Kundenunternehmen im Vordergrund steht, während die IT selbst hinter einem Vorhang namens ‘Business’ verschwindet.

In dieses Szenario passt auch die Rolle anderer Produkte der Mutter Progress Software wie zum Beispiel ‘Open Edge’, einer integrierten Entwicklungsumgebung, die gerade in der Version 10 vorgestellt wurde und sich bei ISVs (Independent Software Vendors) großer Beliebtheit erfreut. Open Edge besteht im Wesentlichen aus einem Repository, einem Framework, einem 4GL-Tool sowie Applikationsservern. Die Veränderungen zur Vorgängerversion beziehen sich hauptsächlich auf die Unterstützung einer Service Orientierten Architektur (SOA) und die Darstellung von Geschäftslogik als Webservice. Nach Angaben von Analysten bei Nucleus Research, der Aberdeen Group und Bloor Research ist das Werkzeug vor allem in der Kombination mit der relationalen Progress-Datenbank überzeugend. Die Kunden, vor allem Softwarehäuser, die Branchen-Applikationen schreiben, lobten insbesondere den Produktivitätsgewinn beim Entwickeln von Software.