“Das PHP Toolkit ist stärker als Dotnet”

Zend hat sich ganz der Web-Sprache PHP verschrieben und die wachsende Verbreitung lässt diese Entscheidung in gutem Licht erscheinen. Im Sommer soll eine ‘Toolbox’ die Zend-Werkzeuge zu einem ‘One-Stop-Shop’ für Entwickler machen.

silicon.de: Zend ist sehr eng mit der Geschichte von PHP verbunden und auch die Produkte konzentrieren sich sehr stark auf die offene Programmiersprache. Sehen Sie Probleme mit dieser Fokussierung?

Gerstel: Wir glauben, dass PHP die perfekte Plattform für Web-Integration ist. Sie ist sehr intuitiv, einfach zu gebrauchen und daher sehr anwenderfreundlich. Der Support für Web Services, XML und SOA (Service Oriented Architecture) macht sie äußerst mächtig. Wir sehen darin so etwas wie den Leim, der das Web-Frontend zusammenhält. Außerdem steht hinter PHP eine sehr starke weltweite Community. Wir haben 500 Committers gezählt, also Freiwillige, die zur Weiterentwicklung der Sprache beitragen. Weltweit programmieren etwa 2,5 Millionen Menschen mit PHP.

silicon.de: Wie sehen aus ihrer Sicht die Anwender PHP?

Gerstel:  Eine Untersuchung, die das Unternehmen Netcraft in den zurückliegenden zwei Jahren durchgeführt hat, zeigt, dass sich die Anzahl der Seiten, die PHP als Scripting-Technologie verwenden, fast verdoppelt hat. Die Webseite der Süddeutschen Zeitung oder der Internetauftritt der Lufthansa sind Beispiele für PHP-Anwender in Deutschland, die mit Zend-Produkten arbeiten.

silicon.de: Wie konkurrieren Sie als Unternehmen aus der Open-Source-Szene mit großen Herstellern?

Gerstel: Der Markt ist kein luftleerer Raum. Deswegen können wir nicht wie zum Beispiel Microsoft mit Windows zum ‘The Winner takes it all’-Spiel antreten. Deswegen setzen wir auf offene Strukturen und auch auf Partner. Wir sehen diese Unternehmen jedoch als Technologiepartner und nicht etwa für das Marketing.

silicon.de: Schlagen sich diese Allianzen auch in Zend-Produkten nieder?

Gerstel: Wir haben zum Beispiel zusammen mit Actuate zu dem Eclipse-Projekt BIRT (Business Intelligence and Reporting Tools) beigetragen. Unser wichtigster Technologie-Partner aber ist IBM. Und wir müssen starke Partner haben, wenn wir ein Äquivalent zu Microsofts ASP.NET werden wollen. Derzeit nennen wir es noch ‘Zend XE’  oder schlicht ‘Toolbox’, der Name steht noch nicht fest. Neben den Werkzeugen wollen wir hier auch ein kollaboratives Spielfeld für die Partner und die Gemeinschaft voranbringen. Wir denken dabei an ‘PHP-Meetingplace’, hier gibt es zum Beispiel frei verfügbare Inhalte und Best Practices, das Ganze aber mit einem sehr starken Fokus auf Entwickler.

silicon.de: Was soll die ‘Toolbox’ leisten?

Gerstel: Zend Toolbox ist ein sehr umfassendes Toolkit, eine ‘One-Stop-Solution’ für die Entwicklung von Web-Anwendungen, SOAs, die Integration von XML oder auch von Legacy-Anwendungen. Es fasst Datenbanken, Webserver, PHP und die Zend-Werkzeuge Framework und Studio zusammen. Als IDE (Integrated Development Environment) verwenden wir Eclipse und bieten auch APIs (Application Programming Interface) für andere offene Umgebungen sowie Schnittstellen und Plug-ins für Anwendungen. Das ist stärker als Dotnet. Veröffentlichen wollen wir das Toolkit im Juni oder Juli. Zend.org, wo wir zum Beispiel für Toolkit Best Practices anbieten wollen, soll bereits im März an den Start gehen.

silicon.de: Ließen sich Aufgaben wie die Integration von Web-Anwendungen nicht auch ausschließlich über die Eclipse-IDE umsetzen?

Gerstel: Natürlich könnte man das, aber mit der Zend Toolbox ist das viel leichter zum machen. Dafür sorgen nicht nur unsere Tools sondern auch unsere Angebote für Updates und Support.

silicon.de: Wie sehen denn mögliche Anwendungsbeispiele aus?

Gerstel: Wir sehen zum Beispiel ‘Meshup’-Applikationen. Der Begriff leitet sich vom englischen Kartoffelbrei ab, also vermischte Applikationen. Ein denkbares Beispiel wäre ein ERP-System (Enterprise Resource Planning) das mit einem Wetterdienst und Google Maps verbunden ist. Werden zum Beispiel schwere Unwetter vorausgesagt, könnten die Baumärkte in den betroffen Gebieten ihre Lagerbestände bei Taschenlampen und Gummistiefel aufstocken.

silicon.de: Wie heißen die direkten Konkurrenten von Toolbox?

Gerstel: Wir arbeiten beispielsweise mit einem Integrations-Partner zusammen. Das Unternehmen findet SAP R/3 sehr interessant, jedoch will es den Netweaver nicht einsetzen. Netweaver ist für das Unternehmen zu groß. Sie wollen für das Web-Enabling auch kein ABAP (Advanced Business Application Programming) verwenden. PHP ist da in mancher Hinsicht weiter, vor allem einfacher zu handhaben, aber dennoch sehr robust. Wenn Sie ins Kino gehen, nehmen Sie doch auch nicht immer den Lastwagen, Sie nehmen das Auto, auch wenn für andere Anwendungen ein Lastwagen sehr hilfreich ist.

silicon.de: Zend hat vor einiger Zeit eine deutsche Niederlassung gegründet.

Gerstel: Ja, wir haben in München jetzt sieben Mitarbeiter. Rund 4000 Kunden zählen wir in Deutschland, einige davon sind sehr groß. Zum Beispiel Lufthansa oder Freenet. Es läuft sehr gut.

silicon.de: Was ist dran an den Gerüchten einer Übernahme durch ihren Technologie-Partner Oracle? Sind solche Einkaufstouren von First-Tier-Unternehmen nicht eine Bedrohung für das Open-Source-Modell?

Gerstel: Wie Sie bereits sagten, handelt es sich hier um Gerüchte. Es ist in unserem Unternehmen nicht üblich, solche Meldungen zu kommentieren. Jedoch arbeiten wir sehr eng mit Partnern zusammen und wir werden das auch weiterhin auf einer kollaborativen Basis tun. Doch das Risiko, dass große Konzerne Technologien an sich reißen, um deren künftige Richtung mitzubestimmen, besteht immer. Andererseits sind Unternehmen – auch Oracle –  an der Verbreitung von bestimmten Technologien interessiert. Das offene Entwicklermodell sorgt dafür, dass die Sprache PHP populär und robust bleibt. Warum also sollte Oracle ein Interesse haben, dieses Modell zu eliminieren.