Auf dem Weg zur High-Tech-Nation

Leonid Reiman, Russlands Minister für Informations- und Kommunikationtechnologie, erklärt in einem Gastbeitrag, welchen Stellenwert die Informationstechnologie für sein Land besitzt und wie es zu den Großen aufschließen will.

Um 19 Prozent wächst der russische Markt für IT und Telekommunikation (TK) jedes Jahr nach Angaben des Markforschungsunternehmens IDC. Bis 2009 erwarten die Experten sogar eine Verdopplung des derzeitigen Marktvolumens. Zum Vergleich: In der EU wächst der Markt in diesem Jahr um 2,9 Prozent – das hat die gerade vom European Information Technology Observatory (EITO) veröffentlichte Studie ergeben.

Von dem Wachstum in Russland profitieren einheimische und ausländische Unternehmen. So lieferten deutsche Firmen 2005 Hardware im Wert von 1,8 Milliarden Euro nach Russland – dreimal mehr als noch fünf Jahre zuvor. In Deutschland hängen mehr als 10.000 Arbeitsplätze am Geschäft mit Russland, so der Branchenverband Bitkom.

In diesem Jahr ist Russland Partnerland der CeBIT. An unserem Stand in Halle 12 werden mehr als 150 Unternehmen aus der IT- und TK-Branche auf über 5500 Quadratmetern dem Fachpublikum in Hannover ihre Produkte und Services vorstellen. Außerdem zeigt die russische Regierung, wie sie bestehende IT-Unternehmen im Land unterstützt und neuen, jungen Firmen ein attraktives Umfeld bietet.

Das Ziel: Wir stärken gezielt zukunftsweisende Branchen, um weniger abhängig vom übermächtigen Wirtschaftszweig Energie zu sein. Diversifikation ist der Schlüssel zum Erfolg für unsere Wirtschaft. Eine solide Volkswirtschaft kann nicht ausschließlich auf den Erfolgen der Öl- und Gasindustrie basieren. Wir sind überzeugt, dass IT und Telekommunikation eine weitere tragende Säule der russischen Wirtschaft sein werden.

Erfolgsgeschichten russischer ITK-Unternehmen

In einigen Fachgebieten der ITK-Branche können wir bereits auf erfolgreiche Unternehmensgeschichten aus Russland verweisen – und dabei geht es nicht nur um die Sicherheitsexperten von Kaspersky, die weltweit anerkannt sind. Mit dem Unternehmen Abbyy ist einer der weltweit führenden Softwarehersteller für Dokumenterkennung, Formularverarbeitung und Linguistik in Russland ansässig. Abbyys mehrfach ausgezeichnete Software zur Texterkennung FineReader wandelt gedruckte Dokumente und PDF-Dateien in editierbare Dateien. Damit sparen Anwender Zeit und Mühe. Die Abbyy-Gruppe beschäftigt heute mehr als 500 Menschen, davon über 300 in Moskau, dem Hauptsitz des Unternehmens.

Ein weiteres Beispiel ist Promt, ein Softwareanbieter für die automatische Übersetzung von Texten. Die Software schafft Werkzeuge, die Menschen weltweit ermöglichen, Sprachbarrieren zu durchbrechen und einfach und effektiv zu kommunizieren. Mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Übersetzungstechnologie stecken in den Entwicklungen von Promt; die Übersetzungsqualität steht im Mittelpunkt der Forschung des Unternehmens.

Erste Schritte auf einem langen Weg

Um allerdings zu den hochentwickelten High-Tech-Nationen aufzuschließen, müssen wir noch ein paar Hausaufgaben machen. Dazu zählt, der eigenen Bevölkerung High Tech zu erschließen und ihr Zugang zur digitalen Welt des Wissens zu ermöglichen. Hier gibt es große regionale Unterschiede. So ist der Einsatz von Mobiltelefonen in einigen Regionen 80 Mal höher als in anderen und einige Regionen haben 50 Mal mehr PCs als andere.

Noch immer gibt es in Russland mehr als 40.000 Siedlungen ohne Anschluss an das Telefon-Festnetz. Ein großer Teil der Radio-Frequenzen werden noch immer nicht zivil genutzt und unsere Postdienste sind nicht auf dem Stand des 21. Jahrhunderts. Das sind die Herausforderungen eines flächenmäßig so großen Landes, das sich über 11 Zeitzonen erstreckt. Wir haben im ITK-Bereich Programme entwickelt, um diese Aufgaben zu lösen.

Erstens modernisieren wir die Post. Siebzig Prozent der Postämter liegen in ländlichen Regionen. Dies sind Orte, in denen Menschen praktisch keinen anderen Kommunikationskanal haben als die Post. Um ihnen einen zeitgemäßen Weg zu eröffnen, sich zu informieren und Nachrichten auszutauschen, haben wir dort Internet-Zugänge eingerichtet: über 5000 in den letzten vier Jahren. Mehr als 200.000 Menschen nutzen diesen Service monatlich, um ins World Wide Web zu gehen.

Wir wollen zweitens erreichen, dass mehr Menschen PCs nutzen können. Das ist das Ziel des Programms ‘Ein Computer für jeden Haushalt’. Durchgesetzt wird es mit Hilfe der russischen Post und nationalen PC-Herstellern. Eine dritte wichtige Aufgabe ist der Einsatz von Technologie in der öffentlichen Verwaltung. Das Programm dazu heißt ‘Electronic Government’. Es soll bis 2010 abgeschlossen sein und führt dazu, dass der russische Staat einer der wichtigsten Kunden des russischen ITK-Marktes ist. Fast ein Drittel der Umsätze mit Software hat in den letzten fünf Jahren die öffentliche Hand beschert.

Gezielt fördern – Gute Ideen für neue Lösungen

Ein weiterer wichtiger Baustein der staatlichen Förderprogramme sind die Techno-Parks. Unsere Regierung investiert mehr als 750 Millionen Euro in sieben neue Einrichtungen dieser Art. Das Ziel: Wir wollen die boomende ITK-Branche stimulieren und unsere Position als High-Tech-Nation stärken.

Präsident Vladimir Putin hat dieses staatliche Programm im letzten Jahr ins Leben gerufen, um russische High-Tech-Unternehmen zu fördern und ausländische anzuziehen. Das Konzept basiert auf der Idee, Universitäten, Unternehmen und Forschungseinrichtungen eng zu verknüpfen. Mit dem staatlichen Engagement wird die Infrastruktur für die Techno-Parks geschaffen. Weitere Unterstützung kommt von privaten russischen und ausländischen Investoren.

Techno-Parks ermöglichen Unternehmen, gut qualifizierte Absolventen und Fachkräfte zu rekrutieren. Sie werden etwa 75.000 neue Arbeitsplätze schaffen. Letzten Herbst haben die Bauarbeiten am ersten Techno-Park in der Nähe von St. Peterburg begonnen. Das finnische Unternehmen Technopolis wird hier ungefähr 200 Millionen Euro investieren. Im Ganzen werden 500 Millionen Euro benötigt.

Erfolgsbeispiele aus anderen Branchen

Es gibt bereits einige Industriezweige, in denen ausländische Unternehmen seit Jahren erfolgreich mit russischen Firmen zusammen arbeiten und in denen wir auf zufriedene und äußerst erfolgreiche Investoren verweisen können. Dazu gehören beispielsweise auch die auslandserfahrenen Autobauer VW, Nissan und Toyota. Nach einer Studie von Ernst & Young liegt Russland unter den fünfzehn interessantesten Standorten für Investitionen auf Platz sieben – noch vor Italien und den Niederlanden.

Unser Ziel ist, Russland mit Innovationen und Unternehmergeist der ITK-Experten in dieser Liste und anderen Ratings noch weiter nach vorne zu bringen – das möchten wir auf der CeBIT 2007 präsentieren.