Sprachverwirrung

Was einen als IT-Schreiber doch sehr beschäftigt hat diese Woche, das war das Interview, das Ronald Pofalla der Rheinischen Post gegeben hat.

Nein, nicht dass der CDU-Generalsekretär irgendwas Erwähnenswertes von sich gegeben hätte. Der Pofalla doch nicht!

Was einem zu denken gibt ist vielmehr, dass Google-News das Interview unter der Rubrik Technik gebracht hat. Da, wo man ansonsten wichtige Meldungen aus der Computerei findet. Und der Nachrichtendienst der Suchmaschine arbeitet völlig automatisch. Keine Redakteure gibt’s da, die Nachrichten sichten oder einordnen würden. Irgendein Google-Rechner muss also einen Politiker für einen IT-Manager gehalten haben.

Sowas ist beängstigend. Das wirft kein gutes Licht auf den Stand der Informationstechnik.

Einem menschlichen Leser hätte derartiges nicht passieren können, selbst wenn er den Interviewten nicht gekannt und von den von der Rheinischen Post angesprochenen Themen keine Ahnung gehabt hätte. Wer jemanden wie Pofalla nur hört, der müsste doch wissen, dass es sich dabei um einen Politiker handelt. – Glaubt man.

Pofalla unterstreicht gerne seine eigenen Sätze. – Denn sonst ist da halt wahrscheinlich keiner, der das für ihn übernehmen würde. Deshalb sagt er nicht “nein”, sondern: “Klares Nein” (Rheinische Post vom 19.3. 2007). “Klar”, “glasklar”, “Klarheit” (ibid.) – so spricht ein Mann, der den Eindruck erwecken möchte, er rede Klartext.

Und dann verwendet er noch diese proprietären Begriffe, die außerhalb seiner Organisation niemand benutzt: “Deutschland ist Integrationsland”, sagt er (ibid.) etwa. Seine Parteifreundin Maria Böhmer, ihres Zeichens Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, hat das erfunden. Ein sehr geschmeidiges Wort. Es sagt nichts aus, klingt aber toll.

Eigentlich müsste nach “Integrationsland” jedes Mal ein (r) mit einem Kreis drum herum stehen für “eingetragenes Markenzeichen der CDU Deutschland”. So wie… Und da kommt man dann ins Grübeln. So wie in der IT-Industrie! Die erfindet ja auch andauernd geschmeidige Begriffe, unter die sich alles subsumieren lässt, was die entsprechende Firma gerade im Angebot hat, die aber ganz anders klingen als die Begriffe der Konkurrenz.

Hier ist übrigens Google dann wieder doch sehr hilfreich: Man tippt einige ominösen Begriffe nach einander ein und bekommt dann unisono, jedes Mal, Seiten gelistet, auf denen es um skalierbare Server und Management-Software geht. Und natürlich um das, was man früher Outsourcing genannt hat und später dann ASP (Application Service Providing). Heute heißt das Utility-Computing oder – noch besser – SaaS (Software as a Service). Beim Suchbegriff “Adaptive Infrastructure” allerdings klebt an den an den abgebildeten Servern das HP-Bapperl, bei “Business on demand” das von IBM.

Auf ihr USP (Unique Selling Proposition), ihr Alleinstellungsmerkmal, legen IT-Unternehmen ja immer großen Wert. Wie bei den Koalitionspartnern in Berlin allerdings ist das meist rein sprachlicher Natur.

Und wenn man so am Grübeln ist, entdeckt man weitere Gemeinsamkeiten zwischen der Politik und der IT-Idustrie: “CeBIT 2007: Fujitsu Siemens Computers: Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft”, ist eine Pressemitteilung von dieser Woche überschrieben.

Bei Politikern kennt man das. Wenn da einer von Verantwortung spricht, dann müssen die Leute, die von dieser Verantwortung betroffen sein könnten, aufpassen, denn dann sollen sie wieder mal gelöffelt werden.

Und bei einem IT-Konzern wie Fujitsu-Siemens? – Da dachte dessen Chef Bernd Bischoff auf der CeBIT laut über die Verlagerung der PC-Produktion ins Ausland nach, nachdem die Schrauber in Augsburg und Sömmerda sich im Monat zuvor bereiterklärt hatten, zum gleichen Lohn dreieinhalb Wochenstunden länger zu arbeiten. “Standort- und Stellengarantie” nennt sich die Vereinbarung zwischen Unternehmensleitung und Gewerkschaft.

Mit dem Wort “Standort” lassen sich überhaupt die phantastischsten sprachlichen Konstrukte bilden: Dass er die Mehrwertsteuer für alle erhöht hat und die Körperschaftssteuer für die Unternehmen senken will, nennt Finanzminister Peer Steinbrück eine “Investition in den Steuerstandort Deutschland”. – “Think different”, möchte man da mit Apple sagen. Allerdings spielt der Macintosh-Slogan nur mit einem Grammatik- und nicht mit einem Denkfehler.

Privileg von Journalisten ist, bei Ungereimtheiten, die sprachlich übertüncht werden sollen, gelegentlich nachfragen zu können. Das nützt allerdings selten. Der IT-Manager leitet in solchen Fällen die Nichtbeantwortung der entsprechenden Frage mit “Excellent Question!” ein. Und der Politiker sagt: “Wir müssen den Blick nach vorne richten.”

Ach ja. Trösten kann da nicht einmal die Heilige Schrift. Gerne würde man all jenen, die so verquast daherreden, mit dem Evangelisten Matthäus (Kap. 26, Vers 73) zurufen: “Wahrhaftig, du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich.”

Was aber wenn der Angesprochene dann eine rhetorisch clevere Erwiderung parat hätte? Beispielsweise: “Klar, war ja auch einfach. Und jetzt die schwierigere Frage: einer von den Politikern oder einer von den IT-Managern?”