Satire – Gaudi – Wirklichkeit

Ach ja, der schönste Ort auf der ganzen Welt, das ist dieser Tage wieder einmal München: Die Mass liegt gut in der Hand. Ein ganz, ein prächtiges Plug-in quasi. Und viele fröhliche Menschen halten sich daran fest. – Wiesn heißt das hier.

Da sieht man auch, dass Bayern fast so ist, wie’s die Staatsregierung sagt: Laptops gibt’s zwar kaum auf der Theresienwiese. Aber mit Handy und Lederhose sind die Leute jetzt unterwegs: Statt des Hirschfängers steckt das Mobiltelefon in der Außentasche am Oberschenkel.

Und eine Gaudi gibt’s wieder. – Parteitag heißt das hier.

Die Frage, welche Partei gemeint ist, wäre in dem Zusammenhang selbstverständlich völlig norddeutsch. Der Plural von Partei kommt im Bayerischen nicht vor. Man spricht von “der Partei”.

Und die bekommt morgen einen neuen Vorsitzenden. -Erwin Huber heißt der.

Insoweit ist die Welt in Ordnung. Sie hätte aber auch leicht aus den Fugen geraten können. Und wer hat das verhindert? – Ein Satiriker!

Vom Kabarettisten Frank-Markus Barwasser nämlich stammt die Idee, Ehen zu befristen. Und jene hat Gabriele Pauli, die zwecks der Gaudi und dem Hallo in der Zeitung auch kandidiert, dankbar aufgegriffen.

Das hat die Partei dann vollends gegen sie aufgebracht. Zwar waren die Delegierten auch schon zuvor gegen sie. Aber es war halt schwieriger, weil Gabriele Pauli ja noch gar nichts gesagt hatte. Da konnten die Delegierten überhaupt nicht wissen, wogegen sie sein sollten.

Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie nicht auf Barwasser gekommen wäre. Oder noch schlimmer, wenn die Fristen-Ehe keine Satire, sondern geltendes Recht wäre. Dann hätte Horst Seehofer sagen können, er habe beim letzten Verfallstermin ja überhaupt nicht verlängert.

Dann gäb’s morgen gleich drei wirkliche Kandidaten, und die Bestellung des Parteivorsitzenden wäre eine hundsgewöhnliche demokratische Wahl geworden. So eine, bei der man vorher nicht weiß, was dabei herauskommt. Nur durch den beherzten Einsatz eines selbstlosen Kabarettisten konnte ein derartiger Traditionsbruch verhindert werden.

Und was einem halt auch noch einfällt, wenn man so bei einem prächtigen Plug-in über die Zukunft Bayerns sinniert: Es gäb’ ja aus der I+K-getriebenen Satire ebenfalls wertvolle Anregungen für die Politik im Freistaat.

Wie wäre es denn beispielsweise mit einem Kostenhinweis bei Landtags- und Bundestagswahlen auf dem Stimmzettel. So wie es das Telekommunikationsgesetz für die 0900er Nummern vorschreibt. An einem High-Tech-Standort würde sich sowas doch gut machen.

In München, am Stachus, wirbt etwa heute Nachmittag die FDP für ihr “Deutschlandprogramm”. “Im Arbeitsrecht muss Deutschland weg von überzogenen Kündigungsschutzregelungen”, heißt es darin. Der Warnhinweis müsste hier lauten: “Kosten: Realitätsverlust.”

Auch die SPD kann in Bayern gewählt werden – rein theoretisch, versteht sich. Da könnte man doch auf den Stimmzettel drucken: “Bei der Wahl der sozialdemokratischen Partei Deutschlands entstehen Ihnen in diesem Bundesland keinerlei Kosten. Denn das ist eh umsonst.”

Bayerns Mann für die Hochtechnologien wiederum ist Günther Beckstein. Das ist der, der Ministerpräsident wird, weil er das mit dem Huber, dem, der Vorsitzender wird, so ausgemacht hat. Günther Beckstein ist ein ausgewiesener Experte in Sachen Biometrie, Gentechnik, Video, Internet und Mobilfunk.

Das möchte er nämlich alles im Kampf gegen den Terror einsetzen, beziehungsweise potentiellen Terroristen und anderen verdächtigen Subjekten verbieten, dass sie das ihrerseits nutzen. – “Warnhinweis, gültig für Schüler und Top-Gefährder: Der Mann kostet Sie Ihr Handy.”

Die Grünen gibt’s natürlich ebenfalls noch in Bayern. Deren bekannteste Vertreterin ist die Augsburger Bundestagsabgeordnete Claudia Roth. Eben deswegen ist das ja unüberseh- und -hörbar. – “Warnhinweis: Diese Frau kann Sie den letzten Nerv kosten.”

Ach ja, vielleicht greift diesen Vorschlag ja mal jemand aus der Politik auf. Aber es würde einem auch nichts nützen. Glossen zu schreiben, ist schließlich ein undankbares Geschäft. Die Lorbeeren erntet immer jemand anderes.

Frank-Markus Barwasser bringt es denn auch bei Google gerade mal auf 39.100 Treffer. Gabriele Pauli hingegen hat eine selbsttragende Berühmtheit erlangt. Gestern war sie dann noch auf der Titelseite der Bunten und vorgestern auf der von Deutschlands auflagenstärkster Boulevardzeitung. “Gabriele Pauli nackt in der Bayern-Fahne?” fragte Bild.

Ihr Score bei Google liegt nach dieser Woche bei 1.220.000. Sie die erste Frau aus Bayern, die über eine Million Treffer erzielt. Und damit bewahrheitet sich wieder einmal eine alte kabarettistische Grunderkenntnis: Es gibt etwas, das besser ist als jedwede Satire. – Wirklichkeit heißt das hier.