Eine IT-Fabel – frei nach Konrad Zuse

Auf was man doch alles stößt, wenn man ein bisschen surft.

“Die Gefahr, dass der Computer so wird wie der Mensch”, soll Konrad Zuse gesagt haben, “ist nicht so groß, wie die Gefahr, dass der Mensch so wird wie der Computer.” Mit diesem Satz jedenfalls zitiert ihn die Hersfelder Zeitung vom 12. September 2005.

Stimmt eigentlich. Wobei man sich natürlich noch en Détail anschauen muss, welchen Computern Menschen ähnlich werden könnten.

Da gibt es zum einen die Workstations. Äußerlich meist mausgrau, erledigen sie – wie’s ihr Name sagt – die Arbeit. Workstations kosten nicht viel. Und der Preis, für den sie zu haben sind, sinkt beständig.

Dafür müssen sie aber immer mehr können. Vor allem ihre Multitasking-Fähigkeit wird heute am Arbeitsplatz ausgiebig ausgenutzt. – Workstations nennt man auch Arbeitsplatzrechner.

Ein anderes Wort dafür ist Client. Immer für einen Lacher in einer IT-Redaktion ist gut, wenn wieder mal ein Anfänger aus einer PR-Agentur das mit “Kunde” übersetzt hat. Denn nichts wäre verkehrter, als die Rolle eines Client-Rechners mit der eines Kunden beschreiben zu wollen. Sehr gut trifft es hingegen das ursprüngliche lateinische Wort “cliens”, was so viel wie Höriger bedeutet, ein Abhängiger mit minderen Rechten.

Workstations müssen heutzutage quasi teamfähig sein und lassen sich deshalb leicht über ein Peer-to-Peer-Protokoll verbinden. Für den Fall allerdings, dass dies in einem Maß geschieht, welches den Unternehmenszweck übersteigt, werden die schärfsten Sanktionen angedroht.

Clients sind am stärksten vom technischen Fortschritt betroffen. Hat man früher noch versucht, sie mit Upgrades auf dem neusten Stand zu halten, so mustert man sie heute nach einem immer kürzeren Zeitraum einfach aus, selbst wenn sie noch gut funktionieren.

Der angestammte Platz von Workstations – so lange jemand Verwendung für sie hat – ist das unscheinbare Bürohaus. Mainframes hingegen stehen im Zentrum – im Rechenzentrum. Der traditionelle Begriff dafür lautet “Glashaus”. Dort tun sie, was sie tun müssen, und sind imposant. Ihr typisches Äußeres: schwarz mit schmalen Längsstreifen.

Der in Zentralrechnern implementierten Logik entspricht eigentlich das dumme Terminal als Peripherie. Weil sich aber (im eingeschränkten Rahmen) selbständig arbeitende Workstations als äußerst produktiv erwiesen haben, hat man den großen Eisen mit viel Mühe beigebracht, auch mit jenen zu kommunizieren.

Die mächtigsten Mainframes stehen im Dienste von Banken, welche auch gerne ein paar Millionen für sie hinlegen. Entsprechend viel Aufhebens wird darum gemacht, wenn so ein Großrechner mal nicht funktioniert. Dann hat der Konzern, der ihn – in sein Glashaus – eingestellt hat, ein “Legacy-Problem”.

Niemand hingegen würde so ein hochtrabendes Wort für ein paar Dutzend nicht mehr voll funktionsfähige Arbeitsplatzrechner verwenden. Jene lassen sich schließlich kostengünstig entsorgen.

Und dann gibt es da noch die PDAs (Personal Digital Assistants). Wenn man der Werbung glaubt, dann handelt es sich dabei um ungeheuer smarte Rechner mit wahren Mainframe-Features.

In Wirklichkeit aber reicht ihre Leistungsfähigkeit und ihre Zuverlässigkeit nicht einmal zum ganz normalen Arbeiten aus. Dafür fehlt’s ihnen auch an Format. Ihre Existenzberechtigung besteht vielmehr in erster Linie darin, dass wichtige Leute sie jederzeit in die Westentasche stecken können. Das haben die nämlich sehr gern.

Die Stärke solcher persönlichen Assistenten liegt in ihren kommunikativen Features. Über Kommunikationskanäle verfügen sie tatsächlich fast wie ein Mainframe. Und sie sind häufig, wenn auch nicht preiswert, so doch billig.

In gewöhnlichen Großraumbüros, da, wo ordinäre Arbeit geleistet wird, sieht man sie selten. Sie sind dort eigentlich nur in Begleitung von wichtigen Leuten anzutreffen, bis sie dann von jenen wieder in die Tasche gesteckt und nach oben – auf die Chefetage – getragen werden.

So etwas Ähnliches sind Handys. Die, die ständig wichtig klingeln. Das heißt beileibe nicht, dass nach einem Klingeln auch etwas Bedeutendes herauskäme – aus so einem kleinen Lautsprecher. Aber jeder nimmt sie zwangsweise zur Kenntnis.

Handys taugen überhaupt nicht zum Arbeiten. Im Gegenteil: Sie halten einen davon ab.

Aber sie machen was her. Und sie bringen auch darüber hinaus alles mit, was Leute, die auf sowas wert legen, schätzen: Sie reagieren prompt auf Druck, der ganz klassisch mit dem Daumen ausgeübt wird.

Und sie lassen sich ganz einfach zusammenklappen. Das macht sie bei mächtigen Leuten besonders beliebt. Denn nichts hassen die mehr als, wenn dabei irgendwas klemmt oder vielleicht sogar ein Widerstand entsteht.

Bald werden auch Handys mit Polymer-Display zu haben sein. Die kann man dann sogar zusammenfalten.

Und dann sind da noch: Laptops – Schoßcomputer. Das ist ebenfalls eine ganz eigene Sorte.

Cluster: So nennt man es, wenn viele Rechner, die Dienste erbringen (Server), oder Workstations zusammengeschaltet werden. Mit einem mächtigen Cluster könnte man alles machen: die Welt aus den Angeln heben und wieder einhängen. Allerdings scheitert das häufig daran, dass sich die Computer aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen gegen so einen Zusammenschluss sperren. 

Supercomputer: deren Leistung wird bestaunt. Aber oft fallen sie aus.

Ach ja, da hatte Konrad Zuse schon recht: Die größere Gefahr liegt wirklich darin, dass die Menschen werden wie die Computer – wie einige zumindest.

So, Schluss jetzt. Denn wäre der Schreiber ein Computer, dann würde es sich bei ihm um eine Workstation handeln. Für einen PDA ist er nicht smart genug. Und erst recht ist er kein Mainframe. Dafür müssen, die Leute, die ihn bezahlen, nämlich viel zu wenig Geld ausgeben.

Workstations aber werden zum Wochenende heruntergefahren. Und wenn es sich dabei um etwas betagtere Modelle handelt, dann gehen sie auch nicht in den Stand-by-Modus. Und mit Wake-on-LAN geht da ebenfalls nichts. Dann schalten die völlig ab.