Microsoft und seine Gegner: Etappensieg und -niederlage
Sun kündigt verschärfte Prozessstrategie an
Der Vergleich im Kartellprozess gegen Microsoft hat Bestand – aber
wie es mit der Produktpolitik des Softwaremultis und den weiterhin
anhängigen Klagen weitergeht, ist völlig offen. Zunächst könnten die
unterlegenen Kläger noch einmal Berufung gegen die Entscheidung
von Bundesrichterin Colleen Kollar-Kotelly einlegen. Nachdem sich
die Generalstaatsanwälte von Iowa, Connecticut, Utah, Kalifornien
und Massachusetts aber überwiegend positiv geäußert haben, gilt
das als unwahrscheinlich.
Mit ihrem 344 Seiten langen Richterspruch hat Kollar-Kotelly
möglicherweise nun doch eine juristische Auseinandersetzung
beigelegt, zu der erste Ermittlungen bereits vor fünf Jahren begonnen
hatten. In dem Richterspruch wurden die Vereinbarungen allerdings
weiter verschärft.
Zum einen hat die Richterin verfügt, dass die Überwachung der
Auflagen weiterhin in ihrer Hand liegt und sich für die Zukunft ein
Initiativrecht gesichert. Sollte sie also den Eindruck gewinnen, dass
Microsoft die Auflagen nicht erfüllt, will sie auch ohne eine Klage der
Staatsanwaltschaft oder konkurrierender Unternehmen aktiv werden.
Zum anderen sollen drei unabhängige Mitglieder des Microsoft-
Aufsichtsrats ein spezielles Gremium bilden, das Verstöße
umgehend an die Behörden melden muss. Außerdem soll Microsoft
einen Angestellten benennen, der den Kartellwächtern gegenüber
ebenfalls Meldepflichten wahrnehmen soll.
Die Auflagen bleiben vorerst für die kommenden fünf Jahre in Kraft
und können verlängert werden. In dem geschlossenen Vergleich war
bereits festgeschrieben worden, dass Microsoft den PC-Herstellern
unter den OEM-Vereinbarungen erlauben muss, auch Applikationen
anderer Hersteller auf dem Windows-System mit auszuliefern.
Zusätzlich müssen Schnittstellen offengelegt werden, um die
Kompatibilität mit Microsoft-Produkten sicherstellen zu können.
Allgemein wird der Richterspruch zu dem Vergleich als Sieg für den
Gates-Konzern gewertet, weil dessen Anwälte sehr viel schärfere
Sanktionen für das – unbestrittene Vergehen – abwenden konnten. So
wird Microsoft nicht dazu verdonnert, eine abgespeckte Windows-
Version ohne den Explorer-Browser anzubieten. Ganz zu schweigen
von dem ursprünglichen Strafmaß: Zweiteilung des Unternehmens in
Betriebsystem- und Anwendungssparte samt weit gehenden
staatlichen Eingriffen in die Produktpolitik.
“Die Entscheidung des Gerichts ist ein bedeutender Sieg für
Verbraucher und Unternehmen”, erklärte US-Justizminister Ashcroft
in einer Stellungnahme. Sie sorge für Sicherheit und Stabilität in
einem bedeutenden Sektor der amerikanischen Wirtschaft. Gates
äußerte sich erfreut über die weitgehende Zustimmung zu dem
“harten, aber fairen Kompromiss”. “Er gibt uns die Freiheit, weiterhin
für unsere Kunden innovativ zu arbeiten.”
Dadurch werden Microsoft signifikante Anforderungen auferlegt,
jedoch haben wir dadurch weiterhin die Möglichkeit, Innovationen
und Produkte zu entwickeln, die auf die wechselnden Bedürfnisse
unserer Kunden eingehen.
“Uns ist bewusst, dass wir unter Beobachtung der Regierung und
unserer Wettbewerber stehen werden. Wir werden die erforderliche
Zeit, Energie und Mittel aufbringen, um sicherzustellen, dass wir
unseren Verpflichtungen gerecht werden.”
Die schärfste Kritik kam vom Microsoft-Konkurrenten Sun. Dort hieß
es, man wolle auf die letztendlich unterlegenen Bundesstaaten
einwirken, gegen das Urteil in Revision zu gehen. Außerdem werde
Sun seine Klage auf Schadenersatz forcieren. Das Unternehmen
fordert 1 Milliarde Dollar als Entschädigung für die Nachteile aus dem
Monopolmissbrauch.
“Die nachlässige Art und Weise, mit der Microsoft die bisherigen
Auflagen umgesetzt hat, zeigen schon jetzt, dass die Sanktionen
einen erneuten Verstoß gegen Wettbewerbsgesetze nicht verhindern
werden”, lamentierte Suns Anwalt Michael Morris.
Die EU-Kommission will ihr Verfahren gegen Microsoft unabhängig
von dem Vergleich fortsetzen. Das machte eine Sprecherin von
Wettbewerbskommissar Mario Monti am Montag in Brüssel deutlich.
Die Auseinandersetzung mit Microsoft in den USA unterscheide sich
juristisch und sachlich vom Brüsseler Kartellverfahren. Außerdem
habe die Kommission nach EU-Recht zu prüfen, das sich vom US-
Recht unterscheide. Bislang wird eine Entscheidung noch vor
Jahresende erwartet. Hält die Kommission den Vorwurf des
Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung für erwiesen, so
kann sie dem Konzern Änderungsauflagen machen und ein hohes
Bußgeld einfordern.
Bill Locklear, Gernalstaatsanwalt von Kalifornien, wies auf der
Pressekonferenz der klagenden Bundesstaaten darauf hin, dass sich
insgesamt neun Bundesrichter mit der Angelegenheit befasst hatten,
die von insgesamt vier US-Präsidenten ernannt worden waren. “Und
jeder der neun Richter hat Microsoft für schuldig befunden.” Die
Verurteilung sei also in keinem Fall auf eine politische Einflussnahme
zurückzuführen, wie oft von Microsoft behauptet, sondern allein auf
die geltenden Gesetze.