2004: IP-Telefonie und ihre Durchhalteparolen

Seit Jahren wartet die IT-Welt gespannt auf den Durchbruch von VoIP. Ein Dasein zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt.

Wir hatten so auf eine Antwort gehofft. Die IP-Telefonie kommt, oder kommt sie doch (noch) nicht? Das Telefonieren über das Internetprotokoll, auch VoIP (Voice over IP) genannt, ist immer noch nicht aus seinem mehr theoretischen Schattendasein getreten. Was bislang geschah, lässt weiterhin nichts anderes zu als hoffen. Eine VoIP-Chronik mit all ihren Durchhalteparolen für das Jahr 2003 in der Hoffnung, dass 2004 endlich der Groschen fällt:
<b>Januar 2003: Analysten sagen den Durchbruch von VoIP für 2006 voraus.</b>
Erst in drei Jahren werde es mehr VoIP-fähige Ports als traditionelle TDM-Ports geben. Aber die Hersteller lassen nicht locker.

<b>Februar 2003: Man spricht wieder über VoIP.</b>
Diesmal, und das überrascht ein wenig, gleich im Zusammenhang mit WLAN. Als Test für das verkabelte Netz könne man die IP-Telefonie wireless versuchen. So unter anderem Hewlett-Packard, die an entsprechenden Applikationen für den 802.11-Standard basteln. Die Skepsis dominierte. Schließlich haben die Entwickler immer noch das Problem, Priorisierungsmechanismen für die Sprach-/Datenpakete auszutüfteln. Kurz, Quality of Service funktioniert nur bedingt, wäre aber von enormer Bedeutung, wenn das computerbasierte Telefon einmal die traditionelle TK-Anlage ablösen soll.

<b>April 2003: VoIP ist wieder da.</b>
IP-Telefonie wird mit anderen populären Technologien zur Sprache gebracht, um zumindest den Begriff am Leben zu erhalten. Siemens stellt eine Plattform vor, die Telefondienste mit VoIP mischt. Telefonie, Mail oder Instant Messaging sollen auf IP-Basis abgewickelt werden. Eine andere Idee war die Verbindung mit VPNs (Virtual Private Networks). Die Installation der IP-Telefonie über ein dediziertes Netz sei simpel, reduziere Kosten und, was am wichtigsten ist, stelle eine sichere Telefonverbindung her. Außerdem kommt Avaya im April mit einer mittelständischen Lösung auf den Markt. Das VoIP-Gateway ist für den Anschluss von zehn VoIP-fähigen Rechnern geeignet. Der Hersteller geht den Weg, den auch Analysten befürworten, denn nach deren Meinung muss die IP-Telefonie im Kleinen anfangen. Die Vorteile würden hier schneller sichtbar und Erfolge finden bekanntlich Nachahmer.

<b>August 2003: Die Rückkehr von VoIP.</b>
Der neue Wirtschaftsmotor heißt IP-Telefonie, so eine Studie des Netzwerkdienstleisters Equant. Die Kunden seien sich der Vorteile inzwischen doch sehr bewusst, sagt der Professional Service Director bei Equant, Rudolf Kühn. An anderer Stelle wird eben dieses Wissen angezweifelt. Der Grund für die maue Annahme der Technologie sei einmal das fehlende Geld in den Budget-Kassen. Außerdem mangele es an der Akzeptanz, weil viele Unternehmen eben nicht um die Vorteile wüssten, die konvergente Netze mit sich brächten. Sie verweisen auf die reduzierbaren Kosten, die ein einheitliches Sprach-Datennetz schaffen könnte. Man brauche für mehrere Standorte nunmehr nur eine Telefonanlage, und es wird nach Bandbreite abgerechnet statt nach Datenvolumen. Das wird schon seit Jahren gepredigt, jeder weiß es und doch scheuen potenzielle Kunden davor zurück.

<b>September 2003: VoIP ist wieder auch dem Vormarsch.</b>
Mit einem Standard versucht das internationale TK-Stanardisierungsgremium  ITU die Verwendung von Voice-over-IP deutlich zu erleichtern. Mit Hilfe der Spezifikationen für ‘H.350’ soll es nämlich möglich sein, gewünschte Verbindungspartner leichter zu finden. Ein Telefonbuch also. Das ist so wie mit dem auf der Weihnachtsbaumspitze thronenden Stern auf der Leiter zu stehen, obwohl es erst Juli und der Baum noch lange nicht da ist.

<b>Oktober 2003: Renaissance und Risiko für VoIP</b>
Nach dem Viren-, Wurm- und Trojanersommer muss sich auch die VoIP-Gemeinde um ihr Telefonie-Schäfchen sorgen. Denn böswillige Codes machen auch vor der IP-Telefonie nicht halt. Das ist auch logisch, schließlich laufen die Sprachdaten über das gleiche Netz wie jene, die von Sobig und Co. torpediert wurden. Dass sich hier neben Prioritätsproblemen beispielsweise eine ganz andere Hürde für VoIP auftürmt, macht die Akzeptanz nicht leichter. Das Telefon funktioniert immer, das kann man vom Internet nicht sagen. Aber die Flinte ins Korn zu werfen, wäre verfrüht. Die Technologie hat sich zum härtesten Gegner der alten Telco-Welt entwickelt, so die Experten. Auch wenn erst 3 Prozent über IP telefonieren, soll bis 2007 ein Umsatzwachstum von 45 Prozent erreicht sein.

<b>Dezember 2003: Jetzt aber! Oder?</b>
Nee – aber bloß nicht die Hoffnung aufgeben. Bis zu einer vollständigen Umstellung der leitungsvermittelten Sprachtelefonie auf VoIP wird es in Westeuropa noch mindestens 17 Jahre dauern. Die Marktforscher von Forrester raten den TK-Anbietern aber schon jetzt, mit der Umstellung zu beginnen. In Europa scheint der Groschen langsam zu fallen. Immerhin haben viele Hersteller wie Level 3 ihr Engagement in Europa verstärkt. Auch die anderen wie Avaya, Cisco, Alcatel oder Nortel wissen um den dringenden Aufklärungsbedarf auf Seiten der Kunden. Es bleibt auch zum Beginn den Jahres 2004 bei den Durchhalteparolen für VoIP.