Stellenmarkt tritt auf der Stelle

Die fetten Jahre mit lukrativen Gehältern sind vorbei – und sie kommen auch nicht wieder, sagen Experten. Im Gegenteil: eine Ende des Stellenabbaus ist nicht in Sicht.

Nahezu traditionell wird auf der CeBIT alle Jahre wieder Optimismus verbreitet. In diesem Jahr besonders – kommt doch die deutsche IT-Branche nach dreijähriger Krise endlich wieder in Fahrt. Es sei eine deutlich bessere Stimmung zu spüren als im Vorjahr, bemerkte auch Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem traditionellen Messerundgang zur Eröffnung. Der Aufbruchstimmung zum Trotz prophezeien viele Experten dennoch düstere bis katastrophale Aussichten – gerade was den Stellenmarkt betrifft. Bei den Gehälter geht es dagegen leicht aufwärts – vorausgesetzt, man sitzt nicht im Management.
Zigtausende IT-Fachleute sind in Deutschland nach wie vor arbeitslos und haben zur Zeit auch nur geringe Chancen auf eine Stelle oder gar einen Traumjob. Das geht aus einer aktuellen Studie der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit hervor. Immerhin: die Talsohle bei den offenen Stellen für IT-Experten ist offenbar erreicht. Anfang des Jahres hätten die Arbeitgeber zum ersten Mal mehr Stellen gemeldet als vor einem Jahr. Doch auf neun offene Stellen der IT-Branche kommen im Schnitt zur Zeit immer noch rund 100 Bewerber.

Auch für einen neuen ‘Hype’ der Branche gibt es laut ZAV derzeit keine Anzeichen, auch wenn die Konjunktur in Schwung kommen sollte. “Die Zeiten, in denen einzelne Arbeitgeber ihr nahezu rund um die Uhr arbeitendes IT-Personal mit Pizza-, Friseur-Service und anderen Annehmlichkeiten bei Laune hielten, werden auf absehbare Zeit nicht wiederkehren”, sagte ZAV-Experte Bernhard Hohn. Betroffen von Arbeitslosigkeit sind vor allem viele Quereinsteiger aus den Boom-Zeiten der Start-ups und jüngere IT-Experten. Nach Angaben der ZAV gibt es derzeit rund 123.000 Studierende, die auf den Arbeitsmarkt drängen werden.

Im Gegensatz dazu verwies der Chef des IBM-Entwicklungslabors Böblingen, Jörg Thielges, bei einer VDE-Veranstaltung (Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik) auf der CeBIT auf die “guten Beschäftigungsaussichten für Elektroingenieure in Deutschland”. Derzeit gebe es jährlich 6000 Absolventen der Studiengänge für Elektro- und Informationstechnik. “Das ist eine Unterdeckung”, sagte Thielges. Diese Anzahl decke gerade den Bedarf von IBM und Telekom. Der Mittelstand bekomme hier ein Problem, weil ihm die großen Unternehmen die Leute wegschnappten. Hinzu kommt nach Thielges Worten, dass die Deutschen dazu neigen, Innovationen zu zerreden.

Doch auch der festeste Glaube an die eigene Innovationskraft kann nichts gegen Outsourcing ausrichten. Viele Anwender mit eigenen IT-Abteilungen wollen so noch weiter Kosten senken, hat die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung herausgefunden. Mit Offshoring werde eine Verlagerung von IT-Dienstleistungen in Niedriglohnländer als Alternative verfolgt. Außer Indien richte sich hier das Augenmerk vor allem auf Russland.

“Outsourcing ins Ausland hat langfristig immense Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft des Standorts Deutschland”, beklagte denn auch der Vize-Vorsitzende der IG Metall Berthold Huber auf der CeBIT. “Die Hardwarehersteller haben 7,6 Prozent der Arbeitsplätze abgebaut, die TK-Gerätehersteller 6,4 Prozent, die Elektronikhersteller 3 Prozent, die Softwareentwickler und Dienstleister auch 3 Prozent und die Fernmeldedienste 4 Prozent.”

Es könne zum Beispiel nicht sein, dass Siemens zirka 2000 Arbeitsplätze der Mobilfunkproduktion nach Ungarn verlagern will. Diese und ähnliche Projekte seien “eine Missachtung und Beleidigung für alle Leistungsträger in der Produktion, den Entwicklungsabteilungen und Verwaltungseinheiten, die Siemens in jahrzehntelanger Arbeit zur jetzigen Größe anwachsen ließen”.

Die wachsende Konkurrenz aus den Billiglohnländern bremst auch den Anstieg der IT-Gehälter. In den meisten Kategorien konnte die IG-Metall dennoch einen Aufwärtstrend feststellen, wenn auch die Spitzenwerte aus dem Jahr 2001 in den meisten Gruppen nicht erreicht werden. So bekam ein Software-Ingenieur voriges Jahr rund 37.700 Euro, während es im laufenden Jahr über 40.500 Euro sein werden.

Berater-Gehälter werden im Schnitt von gut 46.500 Euro auf 48.900 Euro steigen. Auch im Marketing scheint die Delle des Vorjahres überwunden. Für Führungskräfte bringt die Entgelterhebung mit rund 18.000 Daten aus 33 Betrieben jedoch kein so erfreuliches Ergebnis. Bei Projektleitern fällt das durchschnittliche Gehalt laut IG Metall von gut 70.100 auf 67.700 Euro, Managergehälter sinken sogar noch deutlicher von 97.400 auf 81.500 Euro.