Quo vadis Bavaria? (Wo gehst hi?)

Der High-Tech-Standort hierzulande nämlich liegt im Südosten der Republik. Im Freistaat. Bavarian Silicon heißt er ja auch.

Der High-Tech-Standort hierzulande nämlich liegt im Südosten der Republik. Im Freistaat. Bavarian Silicon heißt er ja auch.
Vielleicht kommt das daher, weil Bayern so viel gemein hat mit Ländern wie Taiwan, Singapur und China, den Tigerstaaten halt. Wobei man bei Bayern – eingedenk des hiesigen Wappentiers – besser von einem Löwenstaat spricht.

Aber egal, wie man’s nennt, die Staaten im Südosten Deutschlands und der Erde sind keine jener vielzitierten Demokratien nach westlichem Vorbild: Die politischen und gesellschaftlichen Kräfte betätigen sich dort nicht als “Checks and Balances”.

Viel lieber hilft man sich – und in Bayern seinen Spezl’n – gegenseitig. Und die jeweilige Staatspartei mit ihren zahlreichen Vorfeldorganisationen, die Priesterschaft des Landes und die ständischen Vereinigungen, die verstehen sich eher als Teil eines sozialen Organismus.

Allerdings liegt da offenkundig mittlerweile einiges im Argen. Und darüber sollte man sich im Freistaat mal ein paar Gedanken machen.

Der Bayer nun denkt am liebsten im Biergarten – bei schönem Wetter, dann wenn sein Herrgott sich so verhält, wie’s ihm die Nationalhymne anempfiehlt: “Er… erhalte dir die Farben seines Himmels weiß und blau.”

Das ist die adäquate Atmosphäre zum Nachdenken – bei einer gut eingeschenkten Mass, deren Pegel langsam und bedächtig abgesenkt wird. Es handelt sich dabei auch um kein schnödes zielgerichtetes Denken. Eher um ein lustvolles Sinnieren, das sich selbst Zweck ist.

In den anderen Tigerstaaten übt man ja gerne Tai Chi, um das Tan Tien, die Körpermitte, zu stimulieren. In Bayern benetzt man jene statt dessen lieber mit der nach dem hiesigen Reinheitsgebot gebrauten Flüssigkeit, wobei dann häufig sehr gute Ideen entstehen.

Und die hat der Freistaat heute nötiger denn je. Denn nichts stimmt mehr im Land von Laptop und Lederhose. Vor allem mit letzterer: Die Trachtenvereine des Landes haben quasi zum Generalstreik aufgerufen und gedroht, das Oktoberfest – den genauso traditionellen wie wunderschönen zweiwöchigen Nationalfeiertag Bayerns – zu boykottieren! Weil die bayerische Staatsregierung ihnen den Zuschuss zum Ausdruck ihres Patriotismus – dem G’wand – hat streichen wollen, zu Dirndl, Janker und Lederhos’n.

Den Aufstand der Zahnärzte gar – traditionell eine Stütze der Gesellschaft und ihrer angestammten politischen Führung – konnte sie nur mittels eines Staatskommissars niederkartätschen.

Der Grund der ganzen Miesere: Die bayerische Staatsregierung will so Wesensfremdes wie einen schlanken Staat und eine schlanke Wirtschaft einführen. Und das der hiesigen tradierten rubensschen Ästhetik zum Trotz, die in dem Aphorismus: “Ein Bayer ohne Bauch ist ein Krüppel” einen geradezu klassischen Ausdruck findet.

Auch die Schule soll schlanker werden. Die Schulministerin möchte das 8-klassige Gymnasium durchsetzen. Wobei ihr derartige Bestrebungen wegen einer Stunde Religionsunterricht, die zeitweise drohte wegzufallen, prompt die Gegnerschaft eines tradierten Alliierten eingebracht hat.

“Man kann die Frage aufwerfen, ob der gesellschaftliche Säkularisierungsschub jetzt auch die bayerische Staatsregierung voll erreicht hat”, formulierte jüngst der Vorsitzende des Diözesanrats von München und Freising, Professor Alois Baumgartner.

Dabei ist dieser Vorwurf äußerst ungerecht, wie ein Blick auf die von Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst propagierten Elitestudiengänge zeigt. ‘Financial Management, Information, and Information Technology’, ‘Advanced Material Sciences’, ‘TopMath’ und (besser: and) ‘Nano-Bio-Technology’ heißen die. Woraus wohl eindeutig hervorgeht, dass die Regierung nicht den Religions- sondern den Deutschunterricht für obsolet hält.

Verheerend aber vor allem die weiß-blaue Technologiepolitik: Die Volksschule in Altusried im Oberallgäu möchte ihren Schülern Kommunikationskompetenz vermitteln und hat deshalb ab übernächste Woche ein Handy-Verbot verfügt. Das Schulministerium hingegen versucht, diese äußerst adäquate Maßnahme zu unterlaufen, und empfiehlt statt dessen, ausgeschaltete Mobiltelefone zu gestatten.

Ein erschreckendes Maß an technischer Unkenntnis tritt da zutage, belegt doch jeder Kongress – egal zu welchem Thema, Mobilfunk oder byzantinische Ikonographie – dass es keine ausgeschalteten Handys gibt.

Und was bei der Kernenergie-Politik schon nicht funktioniert hat, soll jetzt woanders ausprobiert werden. Jene hat ja im wesentlichen darin bestanden, diverse Stoffe – in dem Fall Spaltprodukte – erst einmal in die Welt zu setzen, um sich später vielleicht einmal zu überlegen, wie man sie entsorgen kann. Gemäß der Maxime des großen bayerischen Staatsphilosophen Franz Beckenbauer: “Schau’mer mal, nachher seh’ma schon.”

Der Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie nun möchte bei Gaststätten nach dem selben Prinzip verfahren und solche ohne Toiletten zulassen. Von wegen Entbürokratisierung und so. Und vielleicht auch wegen der erprobten Faustregel: “Wer nach drei Mass schon zum Biesln muss, der is gwieß a Kommunist.” Allerdings: Vier Mass – was ja auch schon mal vorkommen soll – hält auch die konservativste Blase nicht.

Also die Nachrichten aus Deutschlands High-Tech-Region sind schon beunruhigend. Man sollte wirklich mal in Ruhe darüber nachdenken.

Im Biergarten geht das ja über Ostern wohl nicht – wegen dem Wetter. Also muss man halt in die Wirtschaft auf – um es im Duktus des Wissenschaftsministers auszudrücken – auf eine Mass at least – und vor allem mit einem Bies’l-Center, properly available.