Google sucht Streit mit Microsoft

Für Microsoft könnte es eng werden – weil sich Google in den Kopf gesetzt haben soll, den Redmondern den ‘Desktop-Teller’ leer zu essen.

Microsoft sucht nach der echten Goldgräberstimmung, die das Internet einst groß gemacht hatte – mit eigenen Suchfunktionen. Für den Suchmaschinenbetreiber Google geht der Weg allerdings in Richtung Desktop und Analysten sehen bereits einen gigantischen Interessenkonflikt der beiden Riesen voraus: Google will sich nach der IPO-bedingten Schweigephase in neue Richtungen bewegen und Branchenbeobachter halten ein eigenes Desktop-Konzept dabei für mehr als wahrscheinlich.
Obwohl Google bislang das Projekt ‘Puffin’ verleugnet, über das aus internen Quellen zumindest der Name durchgesickert war und das Google-intern bereits seit einem Jahr eingesetzt werden soll, verleugnet – erhärten sich dennoch die Gegenbeweise. Für die Desktop-Suche im Besonderen sollen Googles Kunden in Zukunft neue Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden. Dafür, so heißt es, werde die rechnerbasierte Suche in Ordnern ausgedehnt. Und hier kommen zwei altbekannte Google-Produkte zum Einsatz: Das Bewerben von webbasierter Suche, das die Firma bereits in die Kritik gebracht hatte, soll weiter ausgebaut werden. Ferner soll eine Anwendung für die Suche innerhalb von Unternehmensumgebungen verbessert werden.

Puffin richte sich dabei, so weiß die New York Times zu berichten, gegen die ‘Longhorn’-Pläne von Microsoft. Dieser Server soll schließlich den klassischen Browser überflüssig machen und damit auch von den Suchmaschinenherstellern ein Umdenken fordern.

Doch im Markt für Desktopanwendungen lauert bereits Microsoft mit eigenen Suchangeboten. Rob Enderle, Gründer und leitender Analyst der Enderle Group, bezieht das Engagement Microsofts auf die Tatsache, dass Suchfunktionen immer geschäftsentscheidender werden. Wenn die Suche erfolglos bleibe, so Enderle, habe auch das aufwändige Design von Inhalten auf Dauer keinen Sinn.

“Microsoft nimmt jetzt ohne Frage die Suchthematik ernster, obwohl das Unternehmen sich schon eine Weile damit abgibt”, sagt Eric Woods, Research Director bei dem Marktforschungsunternehmen Ovum. Dabei sei ein ein ausschlaggebender Grund, so der Analyst gegenüber silicon.de, dass Microsoft an dem Erfolg von Google teilhaben wolle. Nicht nur der Geschäftserfolg an sich, vielmehr die Marke und der Bekanntheitsgrad von Google im Internetbereich würden von Redmond als eine Bedrohung betrachtet, welcher der Konzern begegnen müsse. Woods: “Hier stößt Microsoft an seine Grenzen.” Woods rechnet zunächst mit einer Suchfunktion in Microsoft-Produkten, die der von Google mindestens ebenbürtig sein soll. “Aber um das zu erreichen und eine echte Alternative zu bieten, muss Microsoft noch einiges an Innovation nachholen.”

Bislang ist die interne Suche von Microsoft-Applikationen, wie Anwender wissen, beispielsweise bei Outlook zuweilen zehnmal langsamer als eine webbasierte Suche bei Google mit dreistelliger Suchergebnisanzahl. Doch Microsoft ist bislang in Unternehmensumgebungen vertreten, wenn nicht dominierend, als Betriebssystemhersteller mit den dazugehörigen Anwendungen. Und nun soll über die Suche in Unternehmenssystemen hinaus auch die webbasierte Suche im Fokus von Redmond einen neuen Stellenwert erhalten haben. Dafür soll die Online-Suchmaschine von Microsofts MSN die Fähigkeit erhalten, Nachrichten und Weblogs zu finden. Die ‘MSN Newsbot’ und ‘MSN Blogbot’ genannten Funktionen werden voraussichtlich noch in diesem Jahr mit einer überarbeiteten Suchmaschine zur Verfügung gestellt.

Die Betaversion von MSN Newsbot steht bereits zur Verfügung. Geplant ist, das Portal auf die Suche in bis zu 4000 Nachrichtenquellen weltweit zu trimmen. MSN Blogbot erfasst meist privat geführte Weblogs, die laut Radetzki zunehmend als sekundäre Nachrichtenquelle genutzt werden. Als nächste Neuentwicklung, die in diese Richtung gehen soll, wartet Microsoft Mitteilungen zufolge mit ‘MSN Answerbot’ auf, einer Funktion für die Suche mit natürlicher Sprache, also mittels Fragen. Im Idealfall sollen die Antworten ebenfalls nicht als die bekannte Link-Liste, sondern als Antworten in natürlicher Sprache ausgegeben werden.

Begonnen hat Microsoft den Konkurrenzkampf mit Google bereits im Februar dieses Jahres mit einer Toolbar, die als erster Schritt gegen Google gedacht ist. Dieses Werkzeug ist in den hauseigenen Internet-Explorer integriert und soll eine Schlagwort-Suche für das Internet mit Shortcuts zu Hotmail und MSN Messenger bieten. Dazu gibt es einen Pop-up-Blocker, der ungewünschte Werbung unterdrücken soll. Die Leiste gab einen Vorgeschmack auf den Suchdienst, der im Laufe des Jahres starten soll, ließ der Hersteller vernehmen.

Die Indizien für eine angeheizte Atmosphäre zwischen Google und Microsoft sind jedoch vielfältig: Inzwischen, so erfuhr silicon.de aus wohl informierten Branchenkreisen, rüstet sich der Microsoft-Konzern auch mit Spezialisten für Suchfunktionen, die mittlerweile schon ein Drittel der insgesamt bei Microsoft angestellten Forscher und Entwickler ausmachen sollen. Wozu, so philosophiert die Branche, braucht Microsoft so viele Suchspezialisten, wenn nicht für eine eigene verbesserte Suchmaschine, die im Gegensatz zur etwas ermüdenden MSN-Suche die Firma Google tatsächlich das Fürchten lehren soll. Viele der Entwickler, so heißt es, seien von versierten Unternehmen wie Altavista, Google selbst oder von Betreibern so genannter Metasuchmaschinen abgeworben worden und arbeiteten unter dem Siegel der Verschwiegenheit an neuen Techniken. Ins Licht gerückt wurden diese Bestrebungen, als der Suchmaschinenexperte Paul Ryan, ehemaliger Chief Technology Officer von Overture, im Februar dieses Jahres Microsoft wieder verlassen hatte.

Einstweilen schwört der Konzern geradezu, noch keine eigene Suchmaschine zu haben. “Das wäre eine sehr, sehr engstirnige Betrachtungsweise”, weist der Unternehmenssprecher Jim Dresler solche Spekulationen von sich, eröffnet aber gleichzeitig die Möglichkeit, dass Microsoft den Suchmaschinen-Gedanken einfach weiter fasst. Gartner-Analyst David Smith sagt dazu: “Es geht nicht nur um die Technologie, es geht um Vertrauen – Google wird eben vertraut, Microsoft weniger.”