Sun will Linux überstrahlen

Erst wollte Sun mit Netzwerk-Computing die Hardware reduzieren – jetzt soll eine Produktbündelung sie zur reinen Dreingabe machen.

Den Preisdruck nach unten weitergeben – das versucht derzeit der Netzwerk-Computerkonzern Sun Microsystems. Das Unternehmen hatte letzthin sehr unter dem Preisdruck durch Hewlett-Packard und IBM gelitten und will nun mit Software, Services und einer Produktbündelung auf den Linux-Vertrieb einwirken. Neukundengewinnung steht ganz oben auf der Agenda der Vertriebler. Sie sollen vor allem durch attraktive Preismodelle nach dem On-Demand-Geschmack an die Sun-Systeme herangeführt werden, heißt es von der Firma aus dem kalifornischen Curpertino.
Ein eigener On-Demand-Service für Speicherplatz nach Kundenwunsch, sowie die Bezahlung der Services bei frei mitgelieferter Hardware – all dies trägt die Handschrift des neuen Chief Operating Officer Jonathan Schwartz. Der ehemalige Software-Chef sagt auf einer Kundenveranstaltung in Shanghai sogar gegenüber Reuters: “Bill Gates und ich sind uns einig in dem Punkt, dass binnen vier, fünf Jahren die Hardware kostenlos sein wird.” In der Sun-Welt, fährt er fort, werden Kunden die Software und die zugehörigen Dienste abonnieren, während die Hardware frei sei. Er lässt dabei den Vergleich mit Mobilfunkanbietern zu, die die Endgeräte zu einem Schleuderpreis mitgeben, wenn der Kunde einen mehrjährigen gebündelten Vertrag für mehrere Dienste abschließt. Schwartz: “Folglich werden wir im Jahr 2005 beobachten können, dass davon Abstand genommen wird, Hardware, Software und Services getrennt zu verkaufen.” Die ‘Preventive Services’, die für das gesamte Sun Equipment in einem Rechenzentrum genutzt werden können, setzen dabei Prognosewerkzeuge ein, um Ausfällen zu begegnen, bevor sie auftreten – das klingt bekannt.

Angst vor der Konkurrenz hat Sun dabei keine. “Wir gehen hierbei sehr klug vor und haben eine völlig andere Strategie als Hewlett-Packard und IBM”, sagt Marissa Peterson, Executive Vice President Network Services und oberste Kundenstrategin bei Sun Microsystems. Sun sei schließlich viel näher dran am Kunden und konstruiere gleichermaßen die Komplexität aus den Produkten und Dienstleistungen hinaus. IBM und HP dagegen würden ihr Geld gerade damit verdienen. So werde Sun bald das Ziel erreichen, zwei Drittel des Jahresumsatzes fest einplanen zu können als ‘immer wiederkehrenden Umsatz’, statt wie bisher ein Drittel. Und weiter: “Wir ändern unser Geschäftsmodell dahingehend, dass wir uns an die umsatzsteigernden Kunden halten und das wird nicht nur für sie gut sein, sondern auch wir werden diese Beziehung in klingende Münze umsetzen können.” Sun wolle also künftig “nicht mehr nur den Motorblock, sondern das ganze Auto” verkaufen.

Jonathan Schwartz verweist darauf, dass Unternehmen, die wie der amerikanische Linux-Vertrieb Red Hat keine eigenen Betriebssysteme bieten, bald das Nachsehen hätten. Solaris habe den technischen Vorteil gegenüber Red Hat Linux, besser auf AMDs 64-Bit-Systemen laufen zu können. Das habe mit Zukunfts- und Investitionssicherheit zu tun. Außerdem, so gestattete er sich einen Seitenhieb, sei Solaris auf Dauer billiger. Binnen drei Jahren benötige ein Vergleichskunde etwa 1870 Dollar für eine lebenslange Lizenz und die gekauften Sun-Services drum herum. Der Subskriptionspreis für Red Hat Linux allein koste im selben Zeitraum für denselben Kunden 2400 oder 4500 Dollar, je nach Version. Schwartz prophezeit den Red-Hat-Kunden also ganz vollmundig ein “herbes Erwachen” beim Blick auf die Rechnungen.

Doch schon verweist Martin Fink, bei HP für Linux zuständig, auf das “schmutzige kleine Geheimnis” des Solaris-Systems. Da viel mehr Programme in Linux als in Solaris geschrieben würden und Solaris-Programme, die auf Sparc-Servern geschrieben wurden, einfach nicht auf Intel- oder AMD-getakteten Maschinen laufen, könnte dieser Schuss von Sun, laut Fink, auch nach hinten losgehen.

Suns Neuheiten sind aber auf den ersten Blick durchdacht und alles weitere müssen die Kunden entscheiden: Die Ankündigungen beinhalten den bereits am Montag gestarteten On-Demand-Service für Speicherplatz, der nach Nutzungsvolumen abgerechnet wird. Der Preis beginnt bei zwei US-Cent pro Megabyte im Monat. Dafür gibt es die Installation des Storage-Systems, technischen Support und Softwarelizenzen. Zudem präsentierte das Unternehmen den neuen Server ‘Netra 440’, der sich an TK-Unternehmen und Militäreinrichtungen richten soll. Netra V440 kostet in der Grundkonfiguration knapp 14.000 Dollar und liegt damit zwischen 50 und 70 Prozent unterhalb des Preisniveaus vergleichbarer Systeme anderer Firmen, so Sun. Das mit Software bepackte Hardware-System bietet mit vier Prozessoren auf fünf Höheneinheiten eine hohe Rechendichte und hat bereits Vodafone und Alcatel überzeugt.

Und auch für Sun-Kunden gibt es jetzt den passenden Einstieg in den RFID-Trend: Das Software-Paket ‘Java System RFID Software’ soll aus zwei Elementen bestehen. Ein so genannter Event Manager soll die Daten bearbeiten, die von RFID-Etiketten und -Sensoren geliefert werden und die so gewonnenen Informationen nach Anforderung des Kunden filtern. Ein Informations-Server erfasst und speichert die Informationen aus dem RFID-System und stellt die Daten anderen Anwendungen zur Verfügung, beispielsweise den CRM-Komponenten. Das Software-Paket integriert die Netzwerk-Technologie ‘Jini’, was automatisches Erkennen und Integrieren von RFID-Geräten erlauben soll, die an ein Netzwerk angeschlossen werden. Die Software für Solaris wird ab Sommer ausgeliefert und ab Herbst auch für Linux bereitgestellt. Eine jährliche Lizenzierung gibt es inklusive Upgrades und Support.

Ein Update des Sun Java Enterprise System (Java ES) soll neben Solaris für Sparc auch das Betriebssystem auf  x86-Systemen auf Basis von Xeon und AMDs Opteron Prozessoren unterstützen und – nun auch Linux. Die Ausdehnung auf weitere Plattformen wie Windows und HP-Unix wird Bestandteil kommender Releases sein. Seit der Einführung im Januar 2004 wurde ‘Java ES 2004Q2’ bislang für 175.000 Anwender lizenziert.

Die zweite Version des Java Desktop Systems soll integrierte Werkzeuge für  Desktop Management, Installation und automatische Updates bringen sowie ein einjähriges kostenloses Nutzungsrecht von Software-Entwicklungswerkzeugen. Ein Preisnachlass von 50 Prozent lockt bis zum 31. Dezember 2004.

Neue Identity Management Produkte zur sicheren und effizienten Verwaltung von digitalen Identitäten sollen den Unternehmen beim Verwalten der Nutzungsrechte helfen. Die plattformübergreifende Lösung setzt sich aus den Sun-Komponenten Java System Identity Manager, Java System Access Manager und der Enterprise-Version des Java System Directory Servers zusammen. Nutzer-Provisionierung  und Meta-Directory-Fähigkeiten gehen hier eine Verbindung ein. Als Systemintegratoren sollen künftig Deloitte & Touche und PricewaterhouseCoopers beim Einbau helfen.

Zu guter Letzt darf es seit 2002 keine Neuankündigung von Sun geben, ohne die ‘N1’-Rechenzentrumsidee: Eine neue Suite mit N1-Grid-Technologien soll die Bereitstellung und Verwaltung von Grids stemmen. Unternehmen optimieren dadurch ihre IT-Infrastruktur für die jeweiligen Geschäftsprozesse, so der Hersteller. Eine Grid-typische Ressourcenauslastung soll den Alltag reibungsloser machen.

Alles in allem zeigt sich ein erster unabhängiger Beobachter angetan. Gegenüber dem Wall Street Journal sagt Mark Stahlman, Analyst bei Caris & Co.: “Soweit ich es überblicke, kann sich bei dieser neuen Position derzeit niemand mit Suns Hardware oder Software messen.”